Kopfschmerzen im Vorschulalter treten bei etwa jedem fünften Kind auf, so die Deutsche Migräne- und Kopfschmerzgesellschaft. Bis zum Ende der Grundschulzeit ist es sogar mehr als die Hälfte der Kinder. Je älter die Kinder und Jugendlichen sind, desto mehr nimmt der Anteil zu.
Die Beschwerden bei Kindern äußern sich oft anders als bei Erwachsenen. Meistens handelt es sich um Spannungskopfschmerzen und Migräne. Mit diesen Tipps von Experten können Sie die unterschiedlichen Arten von Kopfschmerz identifizieren, langfristig vorbeugen und im akuten Fall behandeln.
1. Woran merke ich, dass mein Kind Kopfschmerzen hat?
Im Schulalter sind Kinder meist in der Lage, ihren Eltern mitzuteilen, dass sie Kopfschmerzen haben.
Auch jüngere Kinder, die ihren Schmerz nicht verbalisieren können oder wollen, zeigen typische Verhaltensweisen, an denen Eltern bei zum Beispiel eine Migräne erkennen können.
Julia Wager, Leiterin der Forschungsabteilung des Deutschen Kinderschmerzzentrums in Datteln nennt folgende Punkte: Das Kind...
- zieht sich zurück, setzt sich ruhig in eine Ecke des Raumes.
- isst weniger.
- reagiert empfindlich auf Licht und Geräusche.
- will zum Beispiel nicht fernsehen.
- sieht blass aus und hat dunkle Augenringe.
- erbricht eventuell auch.
2. Wann sind Kopfschmerzen eine Migräne?
Typisch für Migräne: Die Symptome treten zyklisch auf, also zum Beispiel einmal im Monat. Dann sollten Sie unbedingt einen Kinderarzt aufsuchen, um eine mögliche Migräne abzuklären.
"Bei wiederkehrenden Kopfschmerzen ist es zur besseren Einordnung unbedingt sinnvoll, über einen Zeitraum von mindestens vier Wochen einen Kopfschmerzkalender zu führen.
Hier sollte notiert werden...
- in welchen Situationen der Kopfschmerz
- an welcher Stelle und
- mit welcher Intensität auftritt", rät Paula Döllscher im Zusammenhang mit zyklisch auftretenden Kopfschmerzen. Sie ist Kinder- und Jugendpsychiaterin und hat an der Uniklinik Göttingen als Ärztin mit jungen Kopfschmerzpatienten gearbeitet.
Dies helfe manchmal schon, um Auslöser zu identifizieren und zwischen Migräne und Spannungskopfschmerz zu unterscheiden. Einen solchen Kopfschmerzkalender speziell für Kinder bietet zum Beispiel die Kieler Schmerzklinik zum Download an.
Für ältere Kinder und Jugendliche empfiehlt Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeutin Julia Wager den Kopfschmerzkalender des Deutschen Kinderschmerzzentrums, den Sie hier zum Download finden.
Tipp für Kinder: der Hüpftest
Wager hat einen praxisnahen Tipp, wie Ihr Kind lernen kann, Spannungskopfschmerzen von Migräne zu unterscheiden: mit dem sogenannten Hüpftest.
"Das Kind hüpft auf der Stelle oder rennt einmal die Treppen hoch und runter. Oft unterbrechen die Kinder sofort den Hüpftest, wenn sie eine akute Migräneattacke haben", erklärt die Diplom-Psychologin.
Bei einem Spannungskopfschmerz ist der Schmerz weniger intensiv. Bewegung macht den Kopfschmerz in der Regel nicht schlimmer. Für eine Schmerzlinderung sorgt meistens schon frische Luft und Ablenkung.
3. Was führt zu Kopfschmerzen bei Kindern?
Es gibt unterschiedliche Faktoren, die Kopfschmerzen bei Kindern auslösen können. Teilweise kann es auch an einem Zusammenspiel mehrerer Ursachen liegen. Mögliche Gründe sind:
- Stress
- Bewegungsmangel
- schlechter Schlaf
- Lärm, schlechte Luft, Hitze oder zu grelles Licht
- speziell bei Migräne: allgemeine Veränderungen im Tagesrhythmus (zum Beispiel das Auslassen von Mahlzeiten)
Auch wenn Stress ein wichtiger Risikofaktor für Kopfschmerz ist, muss er nicht vollständig vermieden werden. "Kinder können auch mal Stress haben. Das gehört zum Leben dazu. Wichtig ist es, dass sie immer wieder die Möglichkeit für Ausgleich haben", sagt Wager.
Neben einem Wechsel zwischen Stress und Entspannung sollte auch die Ernährung ausgewogen sein. Eltern können sich an den Vorgaben der Ernährungspyramide des Bundeszentrums für Ernährung orientieren.
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Raus ins Freie: Regelmäßige Bewegung senkt das Kopfschmerzrisiko. Foto: Christin Klose/dpa-tmn
4. Wie können Sie den Kopfschmerzen vorbeugen?
Ein ausgeglichener Lebensstil beugt Kopfschmerzen bei Kindern vor.
Wager gibt dazu 5 Tipps:
- Stressreduktion: Zur langfristigen Stressreduktion eignen sich Techniken wie Atemübungen, Fantasiereisen oder die progressive Muskelrelaxation nach Jacobson - dabei lernt das Kind einzelne Muskeln für einige Sekunden anzuspannen und wieder zu lockern. Entspannungsübungen sollten dem Kind Spaß machen, damit es Lust hat dranzubleiben. Diese Techniken brauchen etwas Anleitung und machen gemeinsam mehr Spaß. Deshalb sollten Eltern sie immer zusammen mit ihren Kindern anwenden.
- Bewegung: "Bewegung ist ein wichtiger Beitrag zur Stressreduktion", sagt Wager. Dabei reicht ein wenig Ausdauersport: Spazierengehen, Laufen, Schwimmen oder Fahrradfahren. Am besten etwa 30 Minuten, zwei bis drei Mal pro Woche.
- Neugier: Beobachten Sie Ihr Kind und bleiben Sie im Kontakt. "Ein guter Austausch und ein Gespräch mit dem Kind sind wichtig, um als Eltern herausfinden zu können: Was beschäftigt mein Kind eigentlich im Alltag?", sagt die Expertin. "Was ist schön und was ist eher stressig - an solche Sachen ranzukommen, ist sehr wichtig. Dann können Eltern gemeinsam mit ihrem Kind überlegen, wie man Stress im Alltag reduzieren kann." Oft seien es die kleinen Dinge im Alltag, die sich irgendwann anhäufen und zu anhaltendem Stress führen.
- Ruhe: Ein Kind sollte regelmäßige Pausen während des Tages haben. Zeit für sich, um zur Ruhe zu kommen.
- Schlaf: Um einen erholsamen Schlaf zu gewährleisten, sollten Sie folgende Dinge überprüfen: Ist das Kinderzimmer abgedunkelt? Ist der Raum angenehm kühl? Wird das Handy oder Tablet mindestens eine halbe Stunde vor dem Schlafengehen ausgeschaltet oder beiseite gelegt?
Wie viel Schlaf Ihr Kind benötigt, ist abhängig vom Alter. Eine Orientierung finden Sie zum Beispiel beim Berufsverband der Kinder- und Jugendärzte.
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Heftiger Schmerz: Kinder brauchen bei Migräne vor allem Ruhe. Foto: Silvia Marks/dpa-tmn
5. Was hilft, wenn Ihr Kind akute Kopfschmerzen hat?
Bei einer akuten Schmerzsituation sollten Sie versuchen, diese zunächst mit allgemeinen Maßnahmen zu durchbrechen, rät Döllscher.
Folgendes kann helfen:
- Bei Migräne Ruhe und Schlaf in einem abgedunkelten Raum.
- Bei Spannungskopfschmerzen frische Luft und Ablenkung.
- Ein kühler Waschlappen auf die Stirn.
- Eine sanfte Massage des Kopfes.
Wichtig: Ätherische Öle wie Pfefferminzöl, aber auch Kampfer, Nelken- oder Zitronenschalenöl wirken bei Erwachsenen schmerzlindernd, dürfen bei Kindern unter 2 Jahren aber nicht angewendet werden.
Kinder können darauf mit Atemnot reagieren. Darauf wird in der jeweiligen Packungsbeilage hingewiesen. Nehmen Sie diesen Hinweis ernst und geben Sie Ihrem Kind nur Präparate, die Ärztin oder Apotheker explizit für das jeweilige Alter empfehlen.
Bleiben die Kopfschmerzen, können Sie diese durch ein gut verträgliches Schmerzmittel lindern, empfiehlt Döllscher. Beispielsweise mit Ibuprofen oder Paracetamol, das Sie nach Körpergewicht dosieren sollten.
Wichtig: Medikamente sollten Sie nur in ärztlicher Absprache verabreichen. Denn bei zu häufiger Gabe von jeglichen Schmerzmitteln droht auch bei Kindern und Jugendlichen ein medikamentenausgelöster Kopfschmerz. Darauf weist zum Beispiel die Deutsche Migräne- und Kopfschmerzgesellschaft in ihrer Broschüre Kopfschmerzen bei Kindern hin.
Außerdem sind Kopfschmerzmittel, die Erwachsenen helfen, für Kinder teilweise untauglich. Acetylsalicylsäure, die zum Beispiel in Aspirin vorkommt, kann bei Kindern Nebenwirkungen verursachen, die dem Gehirn und der Leber schaden.
Die richtige Einnahme von Medikamenten:
Bei Migräne ist die richtige Einnahme der Medikamente besonders wichtig. "Je früher man das Medikament gibt, desto höher ist die Wahrscheinlichkeit, dass die Attacke wirklich unterbrochen wird", erklärt Wager.
Auch auf die richtige Dosis kommt es an: Nicht mehr, aber auch nicht weniger geben als der Arzt oder die Ärztin empfehlen. Nach einer halben bis einer Stunde ist die Attacke dann meistens vorbei.
6. Wann sollten Sie mit Ihrem Kind zum Arzt?
Laut oben genannter Broschüre der Deutschen Migräne- und Kopfschmerzgesellschaft sollten Sie in folgenden Situationen mit Ihrem Kind einen Arzt aufzusuchen:
- Die Kopfschmerzen kommen immer wieder (mehrmals im Monat oder wöchentlich) und das Kind hat keinen Infekt.
- Der Schmerz tritt einmalig sehr stark auf.
- Das Kind wird nachts von Kopfschmerzen wach.
- Es treten auffällige Begleitsymptome auf, etwa eine Aura-Symptomatik (beispielsweise Sehstörungen) oder Fieber.
- Ein gewohnter Kopfschmerz verändert sich deutlich.
7. Wer kann Kindern bei häufigen Kopfschmerzen helfen?
Julia Wager weist darauf hin, dass man - zusätzlich zu den oben erwähnten Kriterien - unbedingt einen Kinderarzt aufsuchen sollte, wenn das Kind wegen der Kopfschmerzen in der Schule fehlt oder nicht mehr den gewohnten Freizeitbeschäftigungen nachgeht.
Auch ein Besuch beim Augenarzt ist ratsam. Laut Migräneliga Deutschland kann Fehlsichtigkeit ein Auslöser für Kopfschmerzen sein.
Die richtige Diagnose ist ausschlaggebend für eine erfolgreiche Behandlung. Sie kann durch das Führen des oben genannten Kopfschmerzkalenders sehr erleichtert werden.
Weiß der Hausarzt nicht weiter, können auch spezielle Kinderschmerzzentren oder eine Kopfschmerzambulanz Anlaufstellen sein. In diesen Ambulanzen arbeiten Mediziner und Psychologen zusammen.
Kopfschmerzen können durch Stress jeglicher Art ausgelöst werden: Schularbeiten, Mobbing, aber auch Probleme in der Familie. Um dem genauen Auslöser auf die Spur zu kommen, kann in Rücksprache mit dem Kinderarzt auch die Anbindung an eine Psychotherapie helfen.
Kinder mit Migräne werden genau wie Erwachsene heutzutage meist nicht nur medikamentös, sondern auf mehreren Ebenen, also multimodal therapiert. Verschiedene Ansätze wie die körperliche Aktivierung, Stressbewältigungsmethoden und Entspannungstechniken werden dabei kombiniert.
Das Deutsche Kinderschmerzzentrum hat einen schönen Film online gestellt, der Kindern erklärt, was Migräne ist und wie man sie in den Griff bekommt.
8. Ist Migräne heilbar?
Eine Migräne kann im Verlauf der Pubertät oder im Erwachsenenleben wieder verschwinden. Es gibt aber keine Behandlung, die Migräne heilt.
"Wichtig ist, dass das Kind in eine Behandlung kommt, bei der auf die Besonderheiten von Kindern und Jugendlichen eingegangen wird und auch die psychosozialen Aspekte mit einbezogen werden", sagt Wager.
Eltern und Kinder müssen die Möglichkeit bekommen, den jeweiligen Kopfschmerz zu verstehen und zu lernen damit gemeinsam umzugehen.