Lohnt es sich, in Energie zu investieren?

Öl, Gas, Solar, Wasserstoff Die Preise für Öl und Gas sind zeitweise nach oben geschossen. Und die Welt will weg von fossilen Brennstoffen. Das Thema Energie ist für Anleger besonders spannend. Welche Chancen gibt es?

Frankfurt/Main. 

Der Krieg in der Ukraine hat die Preise für Gas und Strom zeitweise kräftig ansteigen lassen. Durch hohe Energiekosten haben die Menschen weniger Geld in der Tasche.

Doch wäre es andersherum nicht sogar möglich, von hohen Energiepreisen zu profitieren - durch gezieltes Investieren in diese Branche an der Börse?

Klar ist auch: Die Energiewende kommt, jetzt erst recht. Die Zukunft gehört den erneuerbaren Energien - Sonne, Wasser, Wind, Biomasse. Auch hier lohnt sich möglicherweise eine Investition, oder?

In diesem Ratgeber erfahren Sie, wie Sie Ihr Geld in Energie anlegen können - und welche Chancen und Risiken es gibt.

Wie kann ich überhaupt in Energie investieren?

Bertrand Born ist Portfolio Manager bei DWS Investment. Er nennt folgende Möglichkeiten, in den Energiesektor zu investieren:

  • Physischer Kauf von Rohstoffen: Funktioniert nur, wenn man die Lagerkosten für Öl und Gas sowie die Logistik für den Transport tragen kann. Für Privatleute scheidet diese Option aus.
  • Derivate: Über Finanzprodukte wie Futures und Optionen auf Rohstoffe kann man indirekt und mit Hebel in Öl und Gas investieren. Solche börsengehandelten Termingeschäfte sind etwas für Finanz-Profis und nicht für gewöhnliche Privatanleger.
  • Energieaktien: Sie kaufen an der Börse Unternehmensanteile von Firmen aus der Energiebranche. Für Privatanleger ist das der einfachste Weg, um in den Sektor zu investieren.

Bertrand Born erklärt, welche Unternehmen tendenziell von hohen Energiepreisen profitieren - und wo ein Investment lohnen könnte:

  • Produzenten, also Firmen, die selbst Öl und Gas fördern. Oder Öl-Dienstleister, die dabei helfen, Projekte zu entwickeln.
  • Logistik und Infrastruktur: Unternehmen, die sich mit dem Transport von Öl und Gas beschäftigen. Und mit der Verarbeitung zu anderen Produkten, etwa Raffinerien und Chemieunternehmen.
  • Rohstoffhändler

Wer in verschiedene Unternehmen aus der Energiebranche investieren möchte, kann spezielle Themen-ETF nutzen. Das sind börsengehandelte Indexfonds, die das Geld gezielt in Energiefirmen stecken.

Beispiele für solche Energie-ETF sind:

  • Xtrackers MSCI World Energy
  • iShares Oil & Gas Exploration & Production
  • iShares MSCI World Energy Sector
  • Lyxor MSCI World Energy

Gut zu wissen: ETF sind im Vergleich zu aktiv verwalteten Fonds erst einmal eine günstige Möglichkeit, um an der Börse Geld anzulegen. Branchen-ETF bieten aber keine breite Streuung des Risikos - eben weil sie gezielt nur auf einen Industriezweig setzen.

Welche Chancen bietet der Energiesektor?

Russlands Angriff auf die Ukraine hat den Markt für Öl und Gas neu geordnet: Wegen der Sanktionen ist das Angebot eingebrochen, doch die Nachfrage bleibt hoch. Deshalb sind die Preise gestiegen.

Schauen wir uns die Lage etwas genauer an. Investment-Profis sehen im Energiebereich derzeit folgende Entwicklungen:

1. Das Angebot wird knapp bleiben - weil zu wenig investiert wurde

"Bis zum Krieg in der Ukraine wollte niemand mehr in Energie investieren", sagt Bernd Schröder, Senior Portfolio Manager bei Union Investment. Es hieß: Die Wirtschaft wird dekarbonisiert.

Es habe keinen Anreiz gegeben, neue Ölfelder zu entdecken und zu entwickeln. "Die meisten Firmen haben nicht einmal genug investiert, um das auszugleichen, was sie gefördert haben", sagt Schröder. "Diesen Fehler kann man nicht rückgängig machen."

Die Folge: "Wir müssen uns daran gewöhnen, dass die Energiepreise erst einmal hoch bleiben", schätzt der Fondsmanager. "Die Ölfirmen werden weiter sehr gut verdienen." Sie werden dennoch nicht viel investieren, weil die Energiewende am Ende trotzdem kommt.

2. Der Hunger nach Energie ist ungebrochen

Bis die Energiewende vollzogen ist, wird noch Zeit vergehen. Solange sind Wirtschaft und Privathaushalte auf günstige Energie aus Öl und Gas angewiesen. Wichtig ist hier die globale Perspektive.

Die Weltenergienachfrage werde bis 2030 weiter steigen, sagt Bernd Schröder - auch wegen der Schwellenländer. "Da spielt es keine entscheidende Rolle, ob bei uns in Westeuropa bald alle Elektroautos fahren."

3. Der Energiesektor ist immer noch attraktiv bewertet

Ob sich die Investition in ein bestimmtes Unternehmen lohnt, hängt immer auch von dessen Bewertung ab. Eine wichtige Kennzahl dafür ist das Kurs-Gewinn-Verhältnis (KGV). Es gibt an, in wie vielen Jahren eine Firma bei konstanten Gewinnen ihren Börsenwert verdient hätte.

"Viele Ölfirmen sind nach wie vor sehr attraktiv bewertet", sagt Schröder. Die Kurs-Gewinn-Verhältnisse seien weiter niedrig, auch wenn die Aktienkurse einzelner Firmen schon stark gestiegen seien.

Hinzu kommt noch etwas: Anlegerinnen und Anleger profitieren nicht nur von steigenden Kursen, sondern auch von regelmäßigen Ausschüttungen. Und Energieunternehmen, vor allem in Europa, zahlen vergleichsweise hohe Dividenden, erklärt Bertrand Born.

Worauf muss ich bei Energie-Aktien achten?

Jeder Wirtschaftszweig hat besondere Eigenschaften und unterliegt bestimmten Dynamiken. Folgende Aspekte sollten Sie im Hinterkopf haben, wenn Sie in Energie-Aktien investieren wollen:

  • Rohstoffpreise: "Der mit Abstand wichtigste Aktientreiber ist das Preis-Momentum der zugrunde liegenden Rohstoffe, weil hiervon die Gewinnentwicklung am stärksten abhängt", erklärt Born. "Die Preisvolatilität von Rohstoffen und den dazugehörigen Aktien kann sehr hoch sein." Das heißt: Es gibt große Schwankungen.
  • Investmentzyklen: "Der Energiesektor ist ein zyklischer Industriezweig", sagt Born. "Schwierige Marktphasen können mehrere Jahre andauern. Gleichzeitig können Bullenperioden sehr profitabel sein und sich ebenfalls über mehrere Jahre hinziehen."

Die Erschließung neuer Öl- und Gasfelder sei sehr teuer und kann bei Großprojekten mehrere Jahre dauern, erklärt der Profi. In Phasen, in denen investiert werde, seien Cashflows negativ - es wird also Geld verbrannt. "Wenn die Felder fertiggestellt sind und gefördert wird, fallen die Ausgaben." Cashflows steigen, es wird Geld verdient.

Für Einzel-Investments heißt das: Wichtig ist ein Verständnis der Investitionstätigkeit des Unternehmens, um den richtigen Zeitpunkt im Zyklus zu finden, wie der Investment-Profi erklärt.

Auf Branchen-Ebene heißt das: Es gibt Investitionszyklen für den gesamten Energiesektor, meistens abhängig vom Rohstoffpreis, so Born. "Niedrige Investitionen könnten auf Skepsis hindeuten, hohe Ausgaben auf Euphorie. Letztere gilt es vom Timing her zu vermeiden."

  • Systematisches Risiko (auch Beta genannt): Ein wichtiger Aspekt innerhalb des Sektors ist laut Born die operative Zyklik und Volatilität des individuellen Unternehmens. Sie hängt ab von seiner Position in der Energie-Wertkette und seiner Unternehmensgröße.

Was heißt das genau? Fondsmanager Born gibt zwei Beispiele:

  • Niedriges Beta: Diese Energieunternehmen haben meist relativ geringe Gewinnschwankungen über den Investitionszyklus hinweg. Das sind zum Beispiel Pipeline-Unternehmen mit Fixkontrakten. "Deren Aktien steigen oder fallen in der Regel weniger bei höheren oder geringeren Rohstoffpreisen." Das Risiko ist also geringer.
  • Hohes Beta: Andere Energieunternehmen unterliegen dagegen sehr hohen Gewinnschwankungen. Das sind etwa kleinere Explorationsfirmen. "Deren Aktien steigen oder fallen in der Regel stärker bei höheren oder geringeren Rohstoffpreisen." Das Risiko ist höher.

In Bullenmärkten mit tendenziell steigenden Aktienkursen wird laut Born ein hohes Beta bevorzugt. In Bärenmärkten mit fallenden Kursen und Pessimismus sei dagegen eher ein niedriges Beta gewünscht.

Fazit: Anlegerinnen und Anleger sollten genau wissen, was sie tun, wenn sie in einzelne Unternehmen aus dem Energiesektor investieren. Das setzt Fachkenntnis voraus.

Wer die nicht mitbringt, ist mit einem Branchen-ETF mit Sicherheit besser beraten. Damit legen Sie nicht alle Eier in einen Korb, sondern streuen das Risiko mehr.

Welche Risiken gibt es für den Energiesektor?

Bei der Geldanlage sind Chancen und Risiken untrennbar verknüpft.

Das gilt auch für den Energiesektor: "Konflikte befeuern Rohstoffe", sagt Bertrand Born. "Der Russlandkonflikt zeigt deutlich, dass die Volatilität an den Märkten steigt." Es kommt zu großen Schwankungen der Preise. Dies könne Chance und Risiko zugleich sein.

Konkret: Wer jetzt in Energie-Werte investiert, macht vielleicht noch eine Weile hohe Gewinne. Doch eine unvorhergesehene Entwicklung des Konflikts kann schnell dazu führen, dass die Rohstoffpreise wieder einbrechen - und Energie-Aktien stark an Wert verlieren.

Solche Entwicklungen sind allerdings eher kurzfristiger Natur.

Wichtiger sind die langfristigen Risiken.

Die Erde wird immer wärmer, die Weltgemeinschaft will den CO2-Ausstoß senken. "Der Klimawandel und der damit verbundene Übergang zu erneuerbaren Energien bedeuten strukturellen Gegenwind für fossile Brennstoffe wie Öl und Gas", erklärt Fondsmanager Born.

Zwei Beispiele:

  • Die Elektrifizierung des Transportsektors: In Zukunft könnte der Strom für E-Autos ausschließlich aus erneuerbaren Energien kommen. Dadurch würde weniger Öl gebraucht, die Preise könnten sinken.
  • Die regulatorischen Kosten für fossile Energien dürften weiter steigen, durch Steuern und hohe CO2-Preise. Solche Abgaben schmälern die Gewinne der Energiefirmen und damit auch der Aktionäre. Ein Investment in diesen Sektor wird weniger attraktiv.

Lohnt sich also ein Investment in Energiefirmen?

Hier müssen wir zunächst definieren, was das überhaupt heißt.

Wer an der Börse gezielt in eine bestimmte Branche oder ein einzelnes Unternehmen investiert, erhofft sich davon in aller Regel eine Überrendite. Das heißt: Man möchte mehr Rendite erzielen als der breite Aktienmarkt insgesamt. Kann das gelingen?

Die kurze Antwort: Ja, theoretisch schon - aber es ist Glückssache.

"Auf lange Sicht wird man damit wahrscheinlich schlechter fahren", sagt Niels Nauhauser. Der Finanzexperte der Verbraucherzentrale Baden-Württemberg verweist auf die Forschung: "Niemand kann den Markt voraussagen - und damit kann eine verlässliche Überrendite auch nicht erzielt werden. Der Versuch ist reine Spekulation."

Für jede Branche gilt: Wenn es so einfach wäre, an einem Boom zu verdienen, würde es den professionellen Anlegern auch viel leichter gelingen, systematisch Überrenditen zu erzielen.

"Das ist aber nicht so", betont der Verbraucherschützer. Die meisten aktiv verwalteten Fonds schnitten vor allem wegen der höheren Kosten schlechter ab als der Markt.

Fazit: Niels Nauhauser rät dazu, das Risiko am Aktienmarkt zu streuen, also auf Diversifikation zu setzen. "Das ist nicht nur sicherer, damit werden Sie langfristig wahrscheinlich auch erfolgreicher sein." Das heißt: mehr Geld verdienen.

Tipp: Sie investieren nicht in einen Energie-ETF oder eine bestimmte Ölfirma, sondern in einen breit gestreuten ETF etwa auf den Aktienindex MSCI All Country World oder FTSE All-World. Beide enthalten die Aktien der größten börsennotierten Unternehmen aus den Industrie- und Schwellenländern.

Für wen kann es sich lohnen, in Energie zu investieren?

Wir haben gesehen, dass sich ein Investment in Öl und Gas nicht unbedingt überdurchschnittlich auszahlt. Es ist schlicht unmöglich, das vorherzusagen. Sie können es aber natürlich trotzdem versuchen.

Für welchen Anlegertyp kommt ein solches Investment in Frage?

  • "Energie ist ein volatiler Sektor und somit eher für risikotolerante Investoren geeignet", sagt Fondsmanager Bertrand Born. Große Schwankungen sind möglich. Das Risiko könne man durch Investments in andere Sektoren und Anlageklassen ausbalancieren. Energie wäre in diesem Fall eine Beimischung.

Die Stiftung Warentest rät: Eine bestimmte Beimischung sollte nicht mehr als 10 Prozent des Aktienteils im Depot betragen. Regel: "Je spezieller der Fonds, desto weniger sollten Sie investieren." Alle Beimischungen zusammen sollten höchstens 30 Prozent ausmachen.

  • "Attraktiv kann der Sektor für Anleger sein, die die aktuell vergleichsweise hohen Dividenden zu schätzen wissen", sagt Born. Als Anleger generieren Sie dadurch regelmäßige Einnahmen.
  • Bernd Schröder von Union Investment sagt: "Es braucht den interessierten Investor, der dranbleibt" - und sich gerne mit gesamtwirtschaftlichen Zusammenhängen auseinandersetzt. "Die Welt verändert sich schnell." Für reine Buy-and-Hold-Investoren sei der Energiesektor nichts. Er ist etwas für Leute, die aktiver handeln.

Sollte ich lieber in erneuerbare Energien investieren?

Solarenergie und Photovoltaik, Wind- und Wasserkraft, Wasserstoff: Erneuerbare Energien sollen langfristig fossile Brennstoffe wie Öl und Gas ablösen. Auch hier gibt es Themen-ETF. Beispiele:

  • iShares Global Clean Energy
  • Lyxor MSCI New Energy ESG Filtered
  • L&G Clean Energy

Müsste dieser Sektor nicht richtig boomen? Lohnt er sich möglicherweise viel mehr als der Bereich Öl und Gas?

Hinter dieser Annahme verbirgt sich ein gängiger Trugschluss: Nur weil in einer bestimmten Branche die Umsätze steigen, heißt das nicht automatisch, dass Anleger davon profitieren.

"Marktwachstum heißt nicht Gewinnwachstum", sagt Nauhauser. "Es kann sein, dass ein Markt wächst, aber das trotzdem keine Goldgrube für Aktionäre ist."

Hinzu kommen noch zwei weitere wichtige Punkte:

1. Hohe Erwartungen führen zu hohen Bewertungen

Wenn alle damit rechnen, dass eine Branche besonders boomen wird, steigen die Bewertungen der Firmen. Die Aktien sind also teuer, die außergewöhnlichen Erwartungen bereits "eingepreist".

Wasserstoff-Aktien zum Beispiel haben während der Corona-Pandemie einen enormen Hype erlebt. Die Kurse sind phasenweise enorm gestiegen, obwohl viele Firmen noch keinen Gewinn machen.

Das bedeutet ein hohes Risiko: "Wenn sich die Technologie nicht in dem Maße durchsetzt, können die Kurse dramatisch fallen", sagt Bernd Schröder. Auf den Hype folgt dann ein Crash - wie bei den Wasserstoff-Aktien. Die Firmenbewertungen sind eingebrochen.

Der Fondsmanager warnt Privatanleger davor, den gleichen Fehler wie in der Dotcom-Blase Anfang der 2000er-Jahre zu machen. Und zwar auf Firmen mit viel zu hohen Bewertungen zu setzen, deren Geschäftsmodell sich am Ende nicht durchsetzt. Das kann schmerzhaft teuer werden.

2. "Alte" Energiefirmen investieren längst in Erneuerbare

Auf der einen Seite die etablierten Öl- und Gasfirmen, auf der anderen Seite die neuen Solar- und Wasserstoff-Player - so stellen sich viele den Energiemarkt vor.

Die Realität sieht allerdings sehr viel differenzierter aus: Auch die Energiefirmen der Old Economy müssen auf neue Energie umstellen. "Die europäischen Firmen haben sich hier längst auf die Reise gemacht", sagt Schröder. "Die sind auf dem Transformationspfad."

Die etablierten Energieriesen sollte man also nicht per se abschreiben. "Wenn Sie in die richtigen Firmen investieren, brauchen Sie Ihr Portfolio nicht irgendwann umschichten", so Schröder.

Zugleich gibt es keine Garantie, dass sich ein bestimmtes Unternehmen aus dem Bereich der erneuerbaren Energien auf jeden Fall durchsetzt.

Fazit: Für die erneuerbaren Energien gilt das gleiche wie für Öl und Gas: Wer in diesen Sektor investiert, erzielt keineswegs eine sichere Überrendite. Auch ob sich etwa Solarenergie oder doch eher Wasserstoff mehr lohnen wird, kann niemand voraussagen.

Es handelt sich also wieder - um eine Spekulation.



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