Kann der Frühjahrsputz auch problematisch sein?

Psychologie des Aufräumens Die Tage werden heller, der Schmutz auf den Fensterscheiben deutlich sichtbar? Zeit für den Frühjahrsputz, oder? Eine Psychologin erklärt, wann der auch unsere Stimmung aufhellen kann.

Kleiderschrank ausmisten, Fenster putzen, den Boden auf Hochglanz schrubben: Der Frühling ist für viele Menschen die Zeit des großen Aufräumens. Stichwort: Frühjahrsputz

Und das kann auch mit unseren Neujahrsvorsätzen zu tun haben, sagt Psychologin Brigitte Bösenkopf. Im Interview erklärt sie, wann der Frühjahrsputz unserer Psyche hilft - und wann eher nicht. 

Frage: Warum ist der Frühling eigentlich die Zeit der großen Putzaktionen?

Brigitte Bösenkopf: Der Frühling ist die Phase des Neubeginns. Den Frühlingsputz sehe ich als verlängertes Balzverhalten, wie es zu dieser Jahreszeit auch bei den Tieren stattfindet. Anstelle des Gefieders putzen wir unsere Wohnungen. Daraus können wir Selbstbewusstsein und neue Energie ziehen. Die eigene Wohnung ist auch eine Art Aushängeschild für uns. 

Es gibt aber noch andere Gründe. Zum Neujahr suchen sich viele Menschen Neujahrsvorsätze, stecken sich hohe Ziele und merken dann meist ab Februar, März, dass sie sie nicht mehr einhalten. Den Sport, die Ernährung - es hat dann doch nicht geklappt. Dann bekommen sie die nächste große Chance: den Frühjahrsputz. Es ist die nächste Möglichkeit alles Liegengebliebene mit einem Schlag abzuhaken und sich ein gutes Gefühl zu verschaffen.

Frage: Welchen Effekt hat der Frühjahrsputz?

Brigitte Bösenkopf: Generell hat der Frühjahrsputz eine starke psychologische Wirkung, weil er auch die Psyche aufhellt. Durch das Aufräumen bekommen wir ein Belohnungsgefühl, das zusammen mit der Jahreszeit einen Aufbruch darstellen kann. Man kann das noch unterstützen, wenn man sich Besuch einlädt. Das positive Feedback von Freunden verstärkt den Effekt der eigenen Belohnung.

Neben dem allgemeinen Saubermachen hat gerade das Ausmisten einen großen Effekt. Das Wegschmeißen hat eine sehr reinigende Funktion. Wenn wir uns von Dingen trennen und Platz für Neues schaffen, wird das vom Gehirn sehr positiv verstärkt. Das Loslassen kann aber auch schwer sein. Manchen hilft es schon, ein paar Bilder umzuhängen, um so durch kleine Veränderungen ein Gefühl des Neuanfangs zu bekommen.

Frage: Was ist das Problem am Frühjahrsputz?

Brigitte Bösenkopf: Das Problem bei vielen Personen ist, dass sie keine Routine entwickeln. Sie putzen einmal alles und dann dauert es eine längere Zeit, bis sie sich wieder ans Aufräumen machen. Sie nutzen den Frühjahrsputz, um sich nach den versäumten Neujahrsvorsätzen wieder ein gutes Gefühl zu geben. Das hält allerdings wegen der fehlenden Routine nicht lange an.

Menschen, die sehr resilient sind, haben meist eine Putzroutine, die ihnen im stressigen Alltag Entspannung gibt. Denn das Gehirn entspannt bei Routinehandlungen. Das ist das Geheimnis der Resilienten, dass sie immer eine Lösung suchen, sich die Zeit gut einteilen und dadurch eine gewisse Unabhängigkeit erreichen. Die Nicht-Resilienten klammern sich an Events wie den Frühlingsputz, setzen da viele Erwartungen hinein. 

Am besten ist es, wenn man unter der Woche, also werktags, in kleinen Einheiten putzt und aufräumt. So kann man sich immer ein kleines Erfolgserlebnis gönnen. Das ist übrigens auch gut für Menschen mit Schlafstörungen: Anstelle vor dem Schlafengehen noch am Smartphone zu hängen, können sie sich eine Sache vornehmen, die sie noch sauber machen. Sie konzentrieren sich darauf, das Gehirn entspannt und das Einschlafen fällt leichter.

Zur Person: Dr. Brigitte Bösenkopf ist Psychologin, Wirtschaftstrainerin und Lehrbeauftragte der Donauuniversität Krems. Ihre Schwerpunkte sind Stressbewältigung, Burnout und Resilienz.



  Newsletter abonnieren

Euer News-Tipp an die Redaktion