Garden Route für Frühaufsteher: Südafrika als Vogelparadies

Tierbeobachtung auf Reisen Südafrikas bekannte Panoramastraße ist seit jeher Touristenmagnet, dabei stand das bunte Federvieh bislang nicht im Fokus. Ein neues Projekt soll Garden-Route-Besucher nun zu Vogelbeobachtern machen.

Knysna. 

Knysna gilt als die Perle der südafrikanischen Garden Route. Berühmt wurde die an einer weitläufigen Lagune gelegene Stadt als erster Standort der Austernzucht im Land. Die Luxus-Meeresfrüchte kommen heute zwar aus anderen Regionen Südafrikas, die Strände und Küstenregenwälder der Garden Route bleiben aber ein Urlaubermagnet.

Unter den Tisch fällt dabei, dass Knysna auch Namensgeber für gleich drei Vogelarten ist: den relativ kleinen, mit einer roten Haube gezierten Knysna-Specht, den so scheuen wie unscheinbaren Knysna-Waldsänger und den prächtig grünen Federhelmturako, der auf Englisch Knysna Turaco heißt.

Von ungefähr kommt das nicht: Die Region ist ein Vogelparadies, knapp 450 Arten - und damit mehr als die Hälfte der in Südafrika heimischen - sind entlang der Garden Route und in der im Hinterland anschließenden Halbwüste Klein Karoo zu finden. Ein Projekt der Vogelschutzorganisation BirdLife South Africa soll nun das touristische Potenzial dieser Artenvielfalt erschließen.

"Wenn man ein globaler Vogelbeobachter ist, dann muss man irgendwann nach Südafrika kommen", sagt Gästehausbetreiber Tim Carr, selbst begeisterter "Birder", wie die Vogelfreunde sich im englischen Sprachraum nennen. Der Grund ist simpel: Das Land hat viele endemische Arten, die also nur dort vorkommen. 69 sind es nach Angaben von BirdLife South Africa, 50 davon sind in der Region der Garden Route und Klein Karoo vertreten.

"Die Vogelartenvielfalt ist absolut extrem", schwärmt Carr und lädt für den nächsten Morgen zu einer Führung über sein 80 Hektar großes Reflections Eco-Reserve am Rande des Garden Route-Nationalparks ein. Der stämmige Mann, der in der kühlen Morgendämmerung schon in kurzen Hosen antritt, arbeitet nebenbei als professioneller Vogelführer.

Der Vogelführer wird fiebrig

Auf seinem Rundgang erzählt er, wie er mit seiner Frau ab 2005 zunächst die invasiven Pinien gefällt, dann erste schnell wachsende einheimische Pionierbäume gepflanzt und anschließend das Werk der Natur überlassen hat. Denn sobald die Vögel wieder Nistmöglichkeiten finden, bringen sie auch die Samen weiterer natürlicher Baumarten mit, erklärt Carr.

Hinter dem spiegelglatten Lagunensee Rondevlei geht gerade die Sonne auf und taucht die Szenerie in ein goldenes Licht. Der Vogelführer scheint dafür allerdings nicht wirklich Augen zu haben. Plötzlich wird er stumm. In der Nähe hat sich ein Knysna-Specht gemeldet - mit einem Klang "wie ein rostiges Gartentor", wie Carr es umschreibt.

Innerhalb von Sekunden wechselt er aus dem Erklär- in einen fast fiebrigen Suchmodus, letztlich aber erfolglos. Doch auch wenn sich der Vogel nicht zeigt, so ist er doch Beleg dafür, wie der Tourismus dem Naturschutz dient. Denn kommen die Gäste wegen der Vögel, werden deren Lebensräume erhalten. So zumindest die Idee. Das Alternativszenario beschreibt Carr mit Galgenhumor: "Der Knysna-Specht lebt in Habitaten, die für den Bau von Golfplätzen und Einkaufszentren begehrt sind."

Also brauchen auch die Vögel eine Lobby. Seitenweise hat BirdLife South Africa Statistiken zusammengetragen, die den volkswirtschaftlichen Wert von Reisen auf den Spuren von Kapfelsenspringer, Kaphonigvogel und Co. belegen sollen.

"Vogelfreund-freundliche" Unterkünfte

2023 startete die Vogelschutzorganisation eine Initiative, die den Vogelbeobachtungstourismus fördern und so Arbeitsplätze schaffen soll. Die Provinzregierung des Westkaps unterstützt das Programm. Eine Website bietet nun einen Überblick über die Vogelbeobachtungsorte und "vogelfreund-freundliche" Unterkünfte. In Online-Kursen wurden lokale Gästehausbesitzer und Guides weitergebildet, um auf die Bedürfnisse von Birdern eingehen zu können.

Einer, der den Kurs bereits absolviert hat, ist Ethan le Fleur. Der 24-Jährige kam frisch von der Nelson-Mandela-Universität im nahegelegenen George, als er Anfang 2023, das Diplom in Naturerhaltung in der Tasche, seinen Job als Ranger und Guide im Gourikwa-Naturreservat anfing. Fünf Kilometer Küste zählen zum privaten Schutzgebiet.

Le Fleur steht auf einem Hügel, zu dessen Füßen die Brandung des Indischen Ozeans unablässig weiß schäumend gegen die Felsen schlägt. Ein paar hundert Meter weiter streift eine kleine Herde Zebras durch das Strauchwerk.

Als le Fleur hier anfing, diente das Areal als Konferenzzentrum und Ferienhaussiedlung, die umgebenden 2000 Hektar Wildnis aber fanden kaum Beachtung. Doch das hat sich geändert. Heute führt le Fleur neben Urlaubern auch Schulklassen auf "Vogeljagd" durch den Busch - selbstverständlich nur mit Bestimmungskarten und Fernglas bewaffnet.

"Wir haben viele verschiedene Lebensräume hier, also haben wir auch viele verschiedene Vögel", sagt der mit einer ansteckenden Energie geladene Mann. 120 Arten hat er bisher zwischen Küste, Feuchtgebieten und der für die Kapregion prägenden Fynbos-Landschaft gezählt.

Vogelpirsch in der Früh

"Die meisten Kinder kennen die einheimischen Vogelarten gar nicht", sagt le Fleur und gibt zu, dass es ihm anfangs ähnlich ging. Ein Maskenpirol, den er immer wieder auf dem Campus hörte, verleitete ihn schließlich zur Nachforschung, wer genau da sang. Seitdem hat ihn das Birder-Virus im Griff - und er ist fest entschlossen, es weiterzutragen.

Christiaan Viljoen geht das ähnlich. Der Kurator des Botanischen Gartens in George, der größten Stadt an der Garden Route, steht dafür sogar extra früher auf, um noch vor seiner eigentlichen Arbeit Interessierte auf die Vogelpirsch zu führen. "Eine Vogelführung will man um 6 Uhr morgens machen", sagt er, weil das liebe Federvieh dann eben am aktivsten sei.

Wer ihm so früh folgt, lernt einen ganzen Kreislauf des Lebens kennen. Die Besucher erfahren, dass die Larven des Schmetterlings Acraea horta sich von den stark blausäurehaltigen Blättern der Baumart Kiggelaria africana ernähren, um das Gift selbst zu speichern und so für nahezu sämtliche Fressfeinde uninteressant zu werden. Die Ausnahme sind Kuckucksarten wie der Goldkuckuck, der Smaragdkuckuck und der Klaaskuckuck: Sie können die Larven verdauen und sind entsprechend häufig bei den entsprechenden Bäumen zu finden.

"Man kann nicht einfach drei oder vier Baumarten anpflanzen, sondern man muss alle Arten wieder ansiedeln", sagt Viljoen - dann würden auch die Vögel zurückkehren. In seinem botanischen Garten ist er dazu auf einem guten Weg. Und auch entlang der restlichen Garden Route ist die Botschaft längst angekommen, setzen immer mehr Reservate auf Renaturierung - zum Wohle der Vögel und zur Freude der Vogelbeobachter.

Tipps, Links, Praktisches:

Lage: Die Garden Route liegt in Südafrikas Provinz Westkap, etwa 400 Kilometer östlich von Kapstadt.

An- und Einreise: Per Flug nach Kapstadt oder George, weiter im Mietwagen. Für Aufenthalte bis 90 Tage wird das Visum kostenfrei bei der Einreise ausgestellt.

Beste Reisezeit: Ganzjährig. Im Sommer der Südhalbkugel (November bis März) sind viele Zugvögel zu sehen, im feuchteren Winter ist es dafür wesentlich ruhiger.

Unterkunft: Chalets und Luxus-Zelte können im Reflections Eco-Reserve gebucht werden, Hütten und Villas in Meeresnähe im Gourikwa-Naturreservat.

Gesundheit: Es sind keine besonderen Impfungen oder Prophylaxen vorgeschrieben, empfohlen wird laut Auswärtigem Amt der Schutz gegen Hepatitis A.

Währung: Ein Euro entspricht 19,35 Südafrikanischen Rand (Stand: 9.10.2024).

Zeit: Keine Zeitverschiebung in der deutschen Sommerzeit, in der Winterzeit ist Südafrika eine Stunde voraus.

Weitere Auskünfte: gobirding.co.za; southafrica.net



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