Ertrinken verhindern: Diese 9 Punkte sollten Sie beachten

Badeunfälle Jeden Sommer kommt es an Küsten, Badeseen und Flüssen zu fatalen Badeunfällen. Wer sich und seine Familie davor schützen will, sollte beim Schwimmen auf ein paar Dinge achten.

Hamburg. 

Je schöner der Sommer, umso häufiger kommt es zu Badeunfällen. So nüchtern beschreibt es Achim Wiese von der Deutschen Lebens-Rettungs-Gesellschaft (DLRG). Hohe Temperaturen ziehen die Menschen an Seen und Flüsse. Oft sind diese nicht bewacht.

Die Gefahr ist nicht zu unterschätzen: Im Jahr 2023 sind laut DLRG mindestens 378 Menschen in Deutschland ertrunken. Das waren noch einmal 22 mehr als im Jahr zuvor und 44 mehr als 2021. Die Mehrheit von ihnen (90 Prozent) kam in Binnengewässern ums Leben.

Doch die Alarmzeichen lassen sich erkennen - wenn man weiß, worauf man achten muss. Hier kommen sieben Tipps, um sich in Notsituationen im und am Wasser richtig verhalten zu können.

1. Das sollten Sie bei einem Notfall zuerst tun

Ein Mensch, der zu ertrinken droht, schreit und winkt nicht, um auf sich aufmerksam zu machen – das ist ein Mythos.

"Das Ertrinken passiert still und leise", sagt Achim Wiese.

Der Grund ist schnell einleuchtend: Ein ertrinkender Mensch versucht, sich mit aller Kraft über Wasser zu halten und zu atmen. Winken und Rufen sind dabei oft gar nicht mehr möglich.

Wer erkennt, dass ein Schwimmer oder eine Schwimmerin in Not ist, muss zuerst den Notruf 112 wählen. "Das ist immer der erste Schritt und die wichtigste Hilfestellung", erklärt Wiese.

Gut zu wissen: Jeder ist rechtlich zur Hilfe verpflichtet, sofern sie oder er sich damit nicht selbst in Gefahr bringen würde. Unterlassene Hilfeleistung kann mit einer Freiheitsstrafe von bis zu einem Jahr oder mit einer Geldstrafe geahndet werden. Deren Höhe hängt davon ab, wie schwer die hilfesuchende Person verletzt wurde.

2. So können Sie einem Ertrinkenden helfen

Nach dem Notruf müssen Sie entscheiden, ob Sie der ertrinkenden Person wirklich selbst helfen können.

"Wenn ich nur ansatzweise zweifle, dann lasse ich das. Sonst besteht die Gefahr, dass es zwei Notfälle gibt", sagt Wiese.

Tipp: Wer sich selbst keine Rettung zutraut, kann versuchen, der Person im Wasser einen schwimmenden Gegenstand zum Festhalten zuzuwerfen. Das kann dem Ertrinkenden ein sicheres Gefühl geben.

Achtung: Bei Notfällen an und in Flüssen sollte niemand ins Wasser gehen - auch geübte Schwimmerinnen und Schwimmer nicht. Denn in Flüssen können die Strömungen besonders stark sein.

Treibt jemand in einem Fluss ab, sollten Sie versuchen, mitzulaufen und den Menschen nicht aus den Augen zu lassen, rät die DLRG. So können Sie Rettungskräfte direkt zu der Person führen.

3. Damit müssen Sie bei Ihrer Rettungsaktion rechnen

Sie sind ein guter Schwimmer und stürzen sich selbst in Wasser? Dann sollten Sie eine Sache im Kopf haben: Wer in Panik gerät, entwickelt starke Kräfte. Das kann gefährlich werden. Der Ertrinkende kann sich festklammern und die helfende Person unter Wasser ziehen.

Tipp: "Die Person von hinten anschwimmen und dabei mit ihr reden", rät Wiese. "Sagen Sie etwas wie: 'Hallo, ich helfe dir jetzt, bleib ruhig'", empfiehlt der Rettungsschwimmer.

Wenn die Person bei Bewusstsein ist, können Sie sich etwas Zeit lassen und warten, bis sie sich beruhigt hat. Greifen Sie die Person dann von hinten und ziehen Sie sie auf dem Rücken treibend an Land.

Wiese empfiehlt den sogenannten Kopfschleppgriff: Der Retter umfasst den Kopf des Ertrinkenden an beiden Seiten, sodass dessen Gesicht aus dem Wasser herausschaut. Die Fingerspitzen ans Kinn, die Daumen an die Schläfen. Dieser Griff hilft dem Profi zufolge am besten dabei, den Kopf der ertrinkenden Person über Wasser zu halten.

4. So handeln Sie, wenn Sie selbst in Not geraten

Wenn Sie merken, dass Sie in Not geraten, sollten Sie so früh wie möglich auf sich aufmerksam machen. Zwei Szenarien:

  1. Ihre Kräfte verlassen Sie.
  2. Sie bekommen einen Krampf.

Diese Ratschläge sollten Sie beachten:

  • Versuchen Sie, ruhig zu bleiben.
  • Drehen Sie sich auf den Rücken und lassen Sie sich auf dem Wasser treiben. Das spart Kraft. Warten Sie in dieser Position auf Hilfe.

5. Diese Probleme können nach der Rettung auftreten

Wurde eine ertrinkende Person - insbesondere ein Kind - aus dem Wasser gerettet, sollten Helfer sie genau beobachten. Denn einige Stunden nach dem Ertrinken können noch Probleme auftreten.

Zunächst ist dieser Unterschied wichtig:

  • Beim feuchten Ertrinken gerät Wasser in die Lunge und macht das Atmen unmöglich.
  • Beim trockenen Ertrinken dringt kein Wasser in die Lunge. Der Körper schützt die Lunge, indem sich der Kehlkopf verkrampft und reflexartig verschließt. Das Ertrinken verläuft in diesem Fall als eine Art Ersticken unter Wasser.

Wenn Wasser in die Lunge gerät, kann ein starker Husten es wieder heraustreiben. Das passiert aber nicht immer vollständig, ein Rest bleibt drin. Dann kann es zum sekundären Ertrinken kommen.

Das ist die nachträgliche Beeinträchtigung der Lungenfunktion nach einem zunächst scheinbar schadlos überstandenen Ertrinkungsereignis, erklärt Kinderarzt Prof. Dominique Singer vom Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf. Die Verschlechterung der Lungenfunktion kann zum Versagen der Lunge und schließlich sogar zum Tode führen.

Die gute Nachricht: Wird das Problem rechtzeitig erkannt, können Ärzte schnell helfen. Das sind zwei Warnzeichen:

  • Sekundäres Ertrinken macht sich durch anhaltenden Hustenreiz bemerkbar.
  • Weitere Anzeichen sind blaue Lippen und Fingernägel.

Wer diese Symptome zeigt, muss ins Krankenhaus und untersucht werden. Wenn Kinder aus dem Wasser gerettet werden, sollten sie ohnehin immer in einer Klinik untersucht werden, rät Singer. Auch ohne Anzeichen.

Im Krankenhaus können Medizinerinnen und Mediziner schnell helfen, falls sich der Zustand des Kindes verschlechtert. Doch lassen Sie sich als Eltern nicht verunsichern: Wenn sich Ihr Kind verschluckt, müssen Sie nicht um sein Leben fürchten, sagt Singer.

6. So kommen Sie gar nicht erst in eine Notlage

Im besten Fall kommt es gar nicht erst zu einer gefährlichen Situation. Dafür sollten Sie folgende Punkte beachten:

  • Befolgen Sie die Baderegeln.
  • Unterschätzen Sie die Gefahren unbekannter Gewässer nicht.
  • Nehmen Sie Warnungen der DLRG ernst.
  • Schätzen Sie sich und Ihre Kräfte richtig ein.

Was auch immer Sie sich vornehmen - fragen Sie sich: Bin ich dazu heute in der Lage? Es sei wichtig, hier auch Vorerkrankungen nicht zu ignorieren, sagt Achim Wiese. Auch mit leerem Magen und vor allem alkoholisiert sollte niemand schwimmen gehen.

Das sind die wichtigsten Baderegelnder DLRG:

  • Nichtschwimmer sollten nur bis zum Bauch ins Wasser gehen.
  • Baden bei Gewitter ist lebensgefährlich. Verlassen Sie sofort das Wasser und suchen ein festes Gebäude auf.
  • Aufblasbare Schwimmhilfen bieten keine Sicherheit im Wasser.
  • Nie um Hilfe rufen, wenn keine Gefahr droht.
  • Nicht dort baden, wo Schiffe und Boote fahren.
  • Nur ins Wasser springen, wenn das Gewässer bekannt ist und wenn keine Zweifel bestehen, dass das Wasser frei und tief genug ist.

"Wir raten dringend davon ab, in unbewachten Binnengewässern, also in Seen oder Flüssen zu schwimmen", sagt Wiese. Die Gefahr sei zu groß.

Wer trotzdem dort schwimmen möchte, sollte sich eine Stelle suchen, an der sich andere Menschen aufhalten, damit Sie sich früh genug bemerkbar machen können, wenn Sie Hilfe brauchen.

7. Diese Gefahren lauern in offenen Gewässern

Bevor Sie in offenen Gewässern schwimmen, sollten Sie bedenken:

  • Es können plötzlich steile Abhänge und Untiefen auftauchen, die vorher nicht sichtbar waren. Das kann für schlechte Schwimmer oder Nichtschwimmer, die Bodenkontakt brauchen, gefährlich werden.
  • Starke Strömungen können Schwimmer wegziehen. Die Ränder von Flüssen wirken meist ruhiger - oft eine trügerische Sicherheit.
  • Flüsse sind oft Verkehrsstraßen. Dort fahrende Schiffe können einen starken Sog oder Wellenschlag verursachen.
  • Unterschiedliche und plötzlich wechselnde Temperaturschichten können Krämpfe in den Beinen oder Kreislaufprobleme auslösen.
  • Überraschend auftauchende Pflanzen und Tiere können Schwimmer in Angst versetzen. An Felsen und Bäumen im Wasser und am Uferrand können Schwimmer sich verletzen.

Tipp: Schlechte Schwimmer sollten andere zunächst vom Ufer aus beobachten. So sehen sie, an welcher Stelle die Badenden noch stehen und wo das Gewässer so tief wird, dass man schwimmen muss.

8. Diese Hilfsmittel erhöhen die Sicherheit

Für das Schwimmen insbesondere in offenen Gewässern gibt es Hilfen, die die Sicherheit erhöhen können. Beispiele:

  • Bojen: In offenen Gewässern haben sich zum Beispiel aufblasbare Bojen in Neonfarben bewährt. Sie werden in einer kleinen Tasche und an einem Gurt befestigt am Körper getragen. In einem Notfall bläst sich die Boje von allein auf und kann eine erste Hilfe sein.

Es gibt auch Bojen, die Sie schon aufgeblasen mit ins Wasser nehmen können. Sie sind an einem Gurt befestigt und treiben neben Ihnen her. Meist sind diese Bojen neonfarben und vom Ufer aus gut sichtbar.

  • Pfeifen: Für Outdoor-Aktivitäten gibt es Trillerpfeifen aus Plastik. Die können Sie um dem Hals tragen und damit im Notfall die Aufmerksamkeit auf sich lenken.

Tipp: Wenn Sie in Begleitung ins Wasser gehen, sollten Sie den anderen Schwimmern von der Pfeife erzählen und ein Signal verabreden.

Gut zu wissen: Wer in einem offenen Gewässer Sport treiben und lange Distanzen schwimmen will, sollte sich im Klaren darüber sein, dass Entfernungen vom Ufer aus immer kürzer aussehen, als sie sind.

"In einem See kann man auch parallel zum Ufer schwimmen, wenn man Strecke schwimmen möchte", rät Achim Wiese.

9. Wie Eltern ihre Kinder vor Verkühlung schützen

Temperaturen spielen beim Schwimmen eine wichtige Rolle.

Da ein See oft deutlich kälter als das Wasser im Schwimmbad ist, sollten Sie Ihren Körper beim Duschen erst abkühlen, empfiehlt Franziska Schalm vom Deutschen Schwimmlehrerverband. Das ist wichtig, um beim Sprung ins Wasser keine Kreislaufprobleme bekommen.

Wenn das Baden großen Spaß macht, vergessen Kinder manchmal die Zeit. Doch bei blauen Lippen und Kältezittern sollten sie sofort raus aus dem Wasser. Sonst droht Unterkühlung.

Kinder haben einen stärkeren Stoffwechsel und dadurch eine stärkere "innere Heizung", erklärt Singer. Deshalb nehmen sie Kälte oft weniger wahr als Erwachsene. Auch ihre geringe Körpergröße spielt dabei eine Rolle. Bei Kälte sind sie aber ebenso gefährdet wie Erwachsene.

An Land sollten Kinder die nassen Schwimmsachen unbedingt ausziehen, rät Schalm. So können sie Wärme tanken und verkühlen sich nicht.



  Newsletter abonnieren

Euer News-Tipp an die Redaktion