Viel Verantwortung, große Herausforderungen, zu wenig Zeit: Stress im Job betrifft viele Menschen. Grundsätzlich ist Stress nichts Schlechtes. Der Alarmzustand ermöglicht es, bei der Arbeit abzuliefern.
Wer aber dauernd unter Strom steht, riskiert seine Gesundheit und bringt irgendwann weniger Leistung. Um den Stress zu bewältigen, ist es wichtig, ihn zu verstehen - und seine Ursachen zu kennen.
Wie viele Menschen sind im Beruf gestresst?
Zu dieser Frage werden immer wieder Umfragen und Erhebungen gemacht.
Laut einer Forsa-Studie im Auftrag der Techniker Krankenkasse von 2021 ist die Arbeit der Stressfaktor Nummer eins: 47 Prozent der Befragten, die sich gestresst fühlen, nannten den Job als Ursache.
Für Männer scheint der Beruf stressiger zu sein als für Frauen:
- 49 Prozent der männlichen Befragten nannten den Job als Grund.
- Unter den Frauen waren es 45 Prozent.
Einer Yougov-Umfrage im Auftrag des Versicherungsunternehmens Swisslife zufolge empfinden 51 Prozent der Berufstätigen in Deutschland ihr Stresslevel im Job als hoch oder eher hoch.
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Wenn sich Akten stapeln: Zu viel Arbeit kann uns stressen. Foto: Christin Klose/dpa-tmn
Wie äußert sich Stress im Job?
Typische Stressfaktoren im Job kennt Utz Niklas Walter. Er leitet das Institut für Betriebliche Gesundheitsberatung (IFBG), das seit 2013 regelmäßig Beschäftigte dazu befragt.
Die Gründe für Stress sind vielfältig:
- Termin- und Leistungsdruck verspüren 48 Prozent der Befragten. Unter den Menschen mit Führungsverantwortung sind es sogar 58 Prozent, bei den übrigen Beschäftigten 44 Prozent.
- 51 Prozent der Beschäftigten arbeiten oft oder den ganzen Tag lang unter hohem Tempo.
- Verschiedene Aufgaben gleichzeitig erledigen zu müssen, stresst 60 Prozent aller Befragten.
- Unterbrechungen bei der Arbeit geben 46 Prozent der Befragten als Stressfaktor an.
- 23 Prozent kommen oft oder immer mit ihrer Arbeit in Rückstand.
Auch äußere Faktoren können stressen. Beispiele:
- Klimatische Bedingungen: "Arbeitet jemand zum Beispiel im Kühlhaus, stellt der ständige Temperaturwechsel eine Belastung für den Körper dar", so Annette Wahl-Wachendorf, Arbeitsmedizinerin und frühere Vizepräsidentin des Verbands der Betriebs- und Werksärzte.
- Lärm: "Man gewöhnt sich zwar subjektiv an den Geräuschpegel, aber der Körper begegnet dem Lärm immer mit Stress", so die Expertin.
Tipp: In einigen Fällen lassen sich Stressoren einfach minimieren, zum Beispiel durch die richtige Kleidung oder einen Gehörschutz.
Neben äußeren Faktoren nennt auch Wahl-Wachendorf einige Stressoren, die jeder unterschiedlich wahrnimmt. Dazu zählen:
- unklare oder sich ständig ändernde Arbeitsaufträge
- ein schlechtes Verhältnis unter Kollegen
- das Verhalten von Vorgesetzten
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"Bitte das auch noch": Zu viele Aufgaben von der Chefin stressen. Foto: Christin Klose/dpa-tmn
Welche Folgen kann Stress im Job haben?
Beispiele für kurzfristige Folgen von Stress:
- Die Herzfrequenz steigt.
- Der Blutdruck steigt.
- Die Muskeln sind angespannt.
Beispiele für langfristige Folgen von Stress:
- Herz-Kreislauf-Erkrankungen
- Verspannungen
- Depression
- Burn-out oder Bore-out
- Ein- und Durchschlafprobleme
- Nervosität
- Reizbarkeit
- Rückzug
7 Experten-Tipps zur Stressbewältigung
"Stress ist nicht per se schlecht. Anti-Stress-Training ist deshalb Quatsch. Wer sich schlecht ernährt, geht ja auch nicht zum Anti-Ernährungstraining", sagt Jacob Drachenberg, ehemaliger Leistungssportler und Psychologe. Er hatte selbst ein stressbedingtes Burn-out und 21 Kilogramm Übergewicht durch Stress-Essen.
Seit sechs Jahren coacht Drachenberg andere Menschen und Unternehmen in Sachen Stressmanagement. "Das Stresslevel ist ein Thermostat für Wichtigkeit. Wir brauchen ein gewisses Level an Druck und Stress."
Wichtig ist die Frage: Wie geht es mir mit dem Stress im Job?
"Es ist nicht der Stress selbst, der uns krank macht, sondern der Umgang damit", sagt Drachenberg.
Der Umgang mit Stress lässt sich trainieren und ist kein Schicksal.
Sieben Tipps vom Coach Drachenberg:
1. Klartext reden
Wer zu viel zu tun hat und zu wenig Zeit dafür, der sollte den Dialog mit der Führungskraft suchen. Das Gespräch mit dem Chef können Sie nutzen, um Prioritäten zu setzen. Sollen Sie nur einige Aufgaben zu 100 Prozent erledigen? Muss wirklich alles fertig werden und reicht dann auch ein 60- oder 70-prozentiges Ergebnis?
2. Tagebuch führen
Im Normalfall überlegen wir nur: Was läuft schlecht? Was fehlt? Wir sollten versuchen, andere Fragen zu stellen:
- Was habe ich geschafft?
- Wofür bin ich dankbar?
Auch diese Dinge sollten wir wahrnehmen - und das wirklich im Sinne von "etwas für wahr nehmen".
Drachenberg empfiehlt, jeden Tag vier Minuten ein Dankbarkeitstagebuch zu führen. Er selbst macht das seit sieben Jahren. Dort trägt er Dinge ein, für die er an diesem Tag dankbar ist, die er geschafft hat.
"Der Alarmmodus Stress ist in unserem Gehirn eine Autobahn, Dankbarkeit nur ein schmaler Trampelpfad. Den Pfad müssen wir ausbauen", erklärt Drachenberg.
3. Regelmäßig reflektieren
Wer seine Gedanken nicht täglich aufschreiben möchte, sollte zumindest einmal im Monat zurückdenken, wie es einem in den letzten vier Wochen ergangen ist.
Vielleicht hat man das Gefühl: "Das war viel zu viel. Oder man erinnert sich nur an die folgenden Zustände:
- Kopfweh
- Rückenschmerzen
- nicht schlafen können
- Grübelei
Diese Anzeichen sollten Sie ernst nehmen und versuchen, etwas zu ändern. Drachenberg empfiehlt, bewusst auf die positiven Dinge des letzten Monats zu schauen und sich zu fragen:
- Was habe ich gelernt?
- Was waren die Highlights?
- Was nehme ich mir für die nächsten vier Wochen vor?
4. Auf dem Boden bleiben
"Unser genetisches Programm passt nicht zur heutigen Zeit", sagt Drachenberg. "Wie leben hier in Deutschland sehr sicher, wir reagieren auf Stress aber immer noch, als ginge es um Leben und Tod. Unser Gehirn übertreibt." In Stresssituation helfe es oft schon, sich genau das vor Augen zu führen.
In unserer Wahrnehmung ist alles wichtig, alles dringend. Unsere Aufgabe sei daher, zu entspannen. "Das spart unglaublich viel Energie."
Dabei kann es auch helfen, sich klarzumachen, dass man seine beste Leistung abliefert, aber ohnehin nicht beeinflussen kann, wie das Ergebnis von anderen bewertet wird. "Oft sind Annahme, proaktive Gelassenheit und Akzeptanz die Lösung - nicht Kampf."
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Wichtiger Anruf im Café? Nicht jede neue Aufgabe ist dringend. Foto: Jens Kalaene/dpa-tmn
5. Fokus auf das Positive
Das Kind an einem stressigen Tag pünktlich aus dem Kindergarten abholen, das Team hält die Deadline nicht ein, Sie müssen ein wichtiges Meeting mit einem Kunden vorbereiten: Solche Dinge machen uns oft Stress. Dass diese Dinge auf der To-Do-Liste stehen, daran lässt sich wohl nichts ändern.
Mit einer einfachen Frage können Sie alles aber anders bewerten: Was habe ich alles geschafft, dass ich diesen Stress haben darf?
Mögliche Antworten:
- Das Kind liebt mich sehr und hat es sich so gewünscht.
- Den Job mit Führungsverantwortung wollte ich schon lange.
- Ich leite nun ein zehnköpfiges Team.
- Dass der Chef mir das Meeting mit so einem wichtigen Kunden überlässt, ist ein Vertrauensbeweis.
Wer seinen Stress mehr von der Haben-Seite aus betrachtet, kann damit anders umgehen. So kommen Sie gedanklich von dem Mangel in die Fülle.
6. Bewusster Ausgleich
Viele Menschen legen sich gestresst auf die Couch oder ins Bett und wundern sich, warum sie nicht zur Ruhe kommen. "Stress programmiert uns für Kampf und Flucht. Das muss man also erstmal simulieren, um Adrenalin und Kortisol abzubauen", so Drachenberg.
Er empfiehlt: "Liegestütze, Joggen - eine halbe Stunde richtig ackern, dann kalt duschen. Danach kann man sich zur Entspannung auf die Couch legen."
7. Perfektionismus abschalten
Sie sollten eine einfache Formel beherzigen: Eins ist größer als null. Das gilt in allen Bereichen:
- 20 Minuten arbeiten ist mehr als gar nichts.
- Nur zehn Minuten Sport treiben ist besser als gar nicht.
So bekommen Sie den Perfektionismus in den Griff. Bestmöglich abliefern anstatt perfekt sein - so lautet die Zauberformel.
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