Lange Hosen, dicke Pullis und warme Socken gehören im Sommer in die unterste Schublade. Denn sobald es warm wird, kommt endlich wieder Luft an die Haut. Das fühlt sich nicht nur angenehm an, sondern fördert auch die Gesundheit.
Welche Materialien eigenen sich bei hohen Temperaturen besonders gut? Welche Schnitte und Farben kühlen bei Hitze? Und welche Wohlfühl-Kleidung erfüllt auch eine strengere Kleiderordnung, wie sie in manchen Büros vorgeschrieben ist?
Styling- und Textil-Experten geben Tipps.
Tipp 1: Das Material ist am besten locker, leicht und luftig
Das Bedürfnis, sich bei heißen Temperaturen die Kleider vom Leib reißen zu wollen, ist gut begründet: Unter zu dicken oder zu engen Kleidungsstücken staut sich die Wärme.
"Lockere Kleidung lässt die Luft viel besser zirkulieren als eng anliegende", erklärt Stilexperte Andreas Rose. "Außerdem sind natürliche Materialien am besten."
Rose nennt Stoffe, die kühlend wirken:
- leichte Baumwolle
- Seide
- Leinen
Auch Viskose, die sogenannte Kunstseide, trägt sich bei Wärme angenehm auf der Haut.
Warum sind diese Materialien besonders gut?
Dazu eine kleine Stoffkunde mit Erläuterungen von Stefan Thumm. Er leitet beim Verband der Bayerischen Textil- und Bekleidungsindustrie das Referat Technik, Umwelt und Innovation.
- Baumwolle ist die wohl älteste aller Naturfasern, ein seit Jahrtausenden verwendetes Material. Zum Textil verarbeitet, ist es als leichter, atmungsaktiver und saugstarker Stoff im Sommer sehr beliebt.
In Baumwolle bleibe Feuchtigkeit allerdings auch länger gespeichert, erklärt Thumm. "Sie kann wie andere Cellulosefasern auch am Körper kleben bleiben, wenn man viel schwitzt." Für sportliche Aktivitäten bei warmen Temperaturen sei sie daher weniger zu empfehlen.
- Seide fühlt sich gut auf der Haut an und ist mittlerweile auch bezahlbar. Wer aber Wert auf Tierschutz legt, sollte von Seide Abstand nehmen. Denn sie wird von den Raupen des Seiden- oder Maulbeerspinners gewonnen. Die Larven spinnen beim Verpuppen den Kokon. Um Seide aus dem Kokon zu gewinnen, werden die Larven getötet.
- Leinen gehört ebenfalls zu den beliebtesten und in unseren Breiten ältesten Naturfasern. Sogar Mumien im Alten Ägypten wurden darin schon eingewickelt. Gewonnen wird Leinen aus der Flachspflanze. Textilien aus Leinen sind atmungsaktiv - vergleichbar mit Baumwolle, dabei aber deutlich fester und strapazierfähiger.
"Leinen ist ja eher ein bisschen bockig und daher zum Beispiel als Textil auch schwieriger zu bügeln", sagt Thumm. "Bei Hitze wird diese Eigenschaft zu einem Vorteil: Es klebt weniger auf der Haut und bleibt körperdistanzierter."
- Viskose, Lyocell, Modal: Diese drei Stoffe bestehen wie Baumwolle und Leinen aus Cellulose, dem Hauptbestandteil pflanzlicher Zellwände. Sie werden aus dem nachwachsenden Rohstoff Holz gewonnen, meistens aus Buche oder Eukalyptus.
"Sie sind somit zwar komplett biologisch abbaubar, zählen aber dennoch zu den Chemiefasern, da sie industriell hergestellt werden", erklärt Thumm. "Denn die Cellulose wird in einem speziellen Verfahren herausgelöst und wieder versponnen."
Gut zu wissen: Die Herstellung von Viskose erfordert einen massiven Chemikalieneinsatz, bemängelt Greenpeace. Das trägt zur Verschmutzung der Umwelt bei und belastet die Gesundheit der Arbeiterinnen in den Textilfabriken, die sich häufig in Asien befinden.
Die drei Materialien unterscheiden sich in ihrer Struktur.
- Modal: Das Material wird gerne als Beimischung zu Baumwolle eingesetzt, beispielsweise bei Unterwäsche. Dadurch wird das Textil weich, anschmiegsam und besonders hautverträglich. Es handelt sich um eine Variante der Viskose, da sich die beiden Fasern lediglich durch verschiedene Substanzen im sogenannten Spinnbad unterscheiden.
- Lyocell: Das Material gibt es seit gut 25 Jahren. "Für Lyocell wurde das Viskose-Herstellungsverfahren durch einen wirklichen Löseprozess ersetzt. Das ist noch etwas umweltfreundlicher als eine verantwortungsvolle Produktion von Viskose und Modal und daher das nachhaltigste Material", sagt Thumm.
Tipp 2: Auf Kleidung aus Kunstfasern verzichten
"Auf Polyester, Nylon und Acryl sollten wir im Hochsommer lieber verzichten, weil die Haut unter diesen Stoffen nicht atmen kann", erklärt Stilberater Andreas Rose.
Doch diese Materialien haben auch Vorteile, wie Stephan Thumm erklärt. Sie könnten Feuchtigkeit gut ableiten. "Beim Sport würde ich ein Polyestershirt wählen, das ich nach zwei, drei Stunden aber wieder ausziehe und in die Wäsche gebe", rät er.
Der Grund: In den Kunstfasern fühlen sich Bakterien deutlich wohler als zum Beispiel in Baumwolle, weil diese die Körperfeuchtigkeit im Inneren der Fasern speichert. Das verlangsamt das Bakterienwachstum und die Geruchsentwicklung.
Die Folge: Der Schweißgeruch, den die Bakterien erzeugen, entsteht bei Kunstfasern schneller als bei Baumwolle, weil die Feuchtigkeit an der Faseroberfläche hängt.
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Schweißgeruch entsteht bei Kunstfasern schneller. Foto: Wolfgang Kumm/dpa/dpa-tmn
Tipp 3: Auf den UV-Schutz achten
Beim UV-Schutz ist vor allem die Grundstruktur des Materials entscheidend, unabhängig von der Faserart. Ein Extrembeispiel: "Netz-Shirts, wie man sie bevorzugt in den 80er-Jahren getragen hat, bieten sicher keinen guten Sonnenschutz", sagt Thumm.
"Das Wichtigste ist, dass das Material von der Struktur her über eine gewisse Dichte verfügt", erklärt der Textil-Ingenieur. In der Regel lassen sich Kunstfasern feiner weben als beispielsweise Baumwolle.
Doch auch die Farbe spielt bei der Schutzwirkung eine Rolle. Dunkle Textilien absorbieren meist mehr UV-Licht als weiße Textilien.
Allerdings können weiße Polyester-Textilien durchaus einen hohen Sonnenschutz bieten. Synthesefasern wie Polyester sind meist mit dem Pigment Titandioxid versetzt, damit der Stoff nicht so glänzt. "Dieses Pigment ist auch in Sonnencreme enthalten", sagt Thumm.
Cellulose-Fasern sind zwar nicht pigmentiert, bieten aber von Natur aus einen gewissen UV-Schutz.
Übrigens: Die Internationale Prüfgemeinschaft für Angewandten UV-Schutz gibt für spezielle UV-Schutzbekleidung einen Sun Protection Factor (SPF) oder Lichtschutzfaktor (LSF) von 20 bis 80 an. Bei sehr leichter Baumwollkleidung liegt er etwa bei 10.
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Weiße Kleidung aus Polyester kann einen hohen UV-Schutz bieten. Foto: Christin Klose/dpa-tmn
Tipp 4: Die richtigen Farben wählen
Nicht nur für den UV-Schutz der Kleidung spielt die Farbe eine Rolle. Sondern auch dabei, wie stark Textilien Wärme aufnehmen und speichern. An dieser Stelle wird es physikalisch: Schwarz verschluckt Licht und wandelt es in Wärme um. Weiß reflektiert Licht.
Ein schwarzer Gegenstand wird in der Sonne im Normalfall wärmer als ein weißer. Schwarz lade sich praktisch mit der Energie auf, die von außen komme, erklärt Thumm.
Tipp 1: An heißen Tagen zu Weiß, Pastellfarben und Sandtönen greifen.
Unter dunklen Textilien, die sich stärker mit Wärme aufladen, wird es zusammen mit der abgegebenen Körperwärme meist mollig warm. "Jedes Textil isoliert ja die Körperwärme. Wie stark, das hängt davon ab, wie dick der Stoff ist", sagt Thumm.
Tipp 2: Luftige Kleidung tragen, damit die Luft zirkuliert und die Hitze sich nicht staut.
Stilcoach Andreas Rose gibt bezüglich der Farbauswahl noch etwas zu bedenken: "Menschen, die helle Kleidung tragen, werden eher seltener von Insekten gestochen als Menschen in dunklen Sachen."
Erklärung: "Dunkle Kleidung speichert mehr Wärme, man schwitzt mehr, und dieser Geruch kann Insekten - speziell Mücken - anlocken", erklärt Rose. Mücken auf heller Kleidung entdeckt man auch schneller.
Fazit: Dunkle Kleidung heizt sich mehr auf, schluckt aber auch mehr UV-Strahlung. Helle Kleidung ist an heißen Tagen angenehmer. Die Farbwahl ist also Abwägungssache: Will man sich eher vor UV-Strahlung oder Wärme schützen?
Tipp 5: Der richtige Dresscode bei Hitze im Büro
Mittlerweile sind viele Arbeitgeber kulanter, wenn es um die Kleiderordnung an Sommertagen geht. "Diesbezüglich darf man gerne mit der Führungsebene ins Gespräch treten und zum Beispiel einen Krawattenzwang an heißen Tagen hinterfragen", rät Jörg Feldmann von der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin (BAuA).
Vielleicht ist dann das Polohemd eine Alternative zum zugeknöpften Oberhemd. "Grundsätzlich gilt: Die Kleidung des Chefs oder der Chefin zeigt in der Regel, welche Erwartungen an die Kleidung der Mitarbeiter bestehen", erklärt Andreas Rose.
Grundsätzlich gilt: Während Frauen durchaus Bein zeigen dürfen, ist das bei Männern längst nicht selbstverständlich.
Männer können an heißen Tagen häufig einen Casual-Style mit lässigen Chinos und zugeknöpften Poloshirts tragen.
Andreas Rose empfiehlt aber auch bei hohen Temperaturen einige Stilregeln einzuhalten:
- T-Shirt unter dem Oberhemd: "Ein Unterziehhemd mit tiefem V-Ausschnitt ist gerade bei hochsommerlichen Temperaturen Pflicht, um Schweißflecken zu vermeiden. Der Schnitt sollte tailliert und körpernah sein, damit sich unter dem Oberhemd keine unschönen Falten bilden", rät er. Das T-Shirt sollte auf keinen Fall sichtbar sein.
- Weiße Oberhemden: Besser keine Hemden in Hellblau oder Grau tragen. Da sind Schweißflecken sichtbarer als bei weißen Stoffen. Abgesehen davon: Bei klassischen Oberhemden liegt man mit Weiß immer noch absolut richtig. Nichts ist so edel und gleichzeitig lässig wie ein weißes Hemd.
- Qualität: Wer von sich und anderen hochwertige Arbeit erwartet, sollte diesen Anspruch auch durch die Wahl seiner Kleidung vermitteln - unabhängig vom jeweiligen Kleidungsstil und Kleidungsstück. Auch T-Shirts gibt es in hoher Qualität, erkennbar am Material und Schnitt. Und nicht zuletzt daran, wie gut ein Kleidungsstück sitzt.
- Passform: Ist ein Hemd zu weit oder zu eng, kann das den Auftritt ruinieren. Je öfter eine Garderobe getragen wird, desto höher sollte die Qualität sein.
Hier kommen Kleidungstipps für Frauen bei Hitze im Büro:
Wenn es heiß ist, sind Kleider und Röcke mit Abstand die luftigsten Kleidungsstücke, die Frauen tragen können. Vor allem Hemdblusenkleider und Wickelkleider in Midi-Länge sind perfekt fürs Büro. Slim Fit wird im Sommer abgelöst von lockereren, weiteren Modellen. Auch Maxikleider sind immer eine elegante Wahl.
Je länger das Outfit, zum Beispiel ein Kleid, desto besser ist die Haut vor Sonneneinstrahlung geschützt.
Das Make-up und die Frisur anpassen
Im Sommer lautet die Devise: Weniger ist mehr. Dicke Schichten Make-up auf der Gesichtshaut sind bei Hitze eher unangenehm. Es besteht die Gefahr, dass sie verlaufen, erklärt Style-Experte Rose. Getönte Tagescremes sind leichter und spenden Feuchtigkeit.
Sonnenlicht kann zu leichter Gesichtsbräune, aber auch zu einem Sonnenbrand führen. Tragen Sie deshalb erst einen Sonnenschutz auf und lassen Sie diesen einziehen, bevor Sie sich schminken.
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Mehr Luft im Nacken: Im Sommer ist eine Hochsteckfrisur angenehmer. Foto: Christin Klose/dpa-tmn
Tipp: Als Augen-Make-up empfiehlt Andreas Rose bei Hitze wasserfeste Produkte. Diese verlaufen normalerweise auch auf verschwitzter Haut nicht.
Tages- oder Augencreme sollte vor dem Schminken gut eingezogen sein. Die Lider sollten trocken sein. Andernfalls können selbst wasserfeste Produkte womöglich nachgeben und - vermischt mit Ölen und Fetten - schließlich doch verlaufen.
Bei Hitze im Büro können Frauen außerdem ihre Haare hochstecken. Rose rät zu Pferdeschwanz oder Flechtfrisur. Dadurch bekommt der Nacken mehr Luft.
Exkurs zu Lyocell: So funktioniert der Löseprozess
Der Textil-Ingenieur Stefan Thumm vom Verband der Bayerischen Textil- und Bekleidungsindustrie erklärt das Verfahren des "wirklichen Lösungsprozesses" so: In der Faserfabrik kocht man zunächst mindestens 500 Tonnen Holzchips zusammen mit einer Natronlauge und weiteren Zusätzen in einer Art riesigem Kochtopf.
Dabei wird das Holz in seine zentralen Bestandteile Cellulose und Lignin zerlegt. Diese werden voneinander getrennt.
Die aus Holz gewonnene Cellulose, die an sich nicht wasserlöslich ist, wird in einem speziellen Lösemittel gelöst und dann in einem wässrigen Bad zu Fasern ausgesponnen.
Das für dieses Verfahren verwendete Lösungsmittel kann wiedergewonnen und in den Produktionskreislauf zurückgeführt werden. "Das macht die Lyocell-Produktion nochmals nachhaltiger und umweltfreundlicher als die Viskose- und Modalherstellung. Wobei auch diese eigentlich gar kein Problem mehr darstellt, wenn man die Abwässer entsprechend entsorgt - so wie hier bei uns in Europa", fügt der Experte hinzu.
Entscheidend ist also, dass der Produktionsstandort in der Europäischen Union liegt. "Weltweit betrachtet werden in der EU jedoch nur noch fünf Prozent der Bekleidung hergestellt, der Großteil kommt aus Asien. Dort sind im Vergleich zu Europa die Umweltauflagen meistens deutlich geringer, was sehr bedauerlich ist", so Thumm.
Ein weiterer Vorteil von Lyocell besteht in der hohen Reißfestigkeit des Stoffes. Abseits von Kleidung liegt der Hauptverwendungsbereich für Viskose und Lyocell bei Hygieneartikeln - sie werden zu feuchten Tüchern, Verbandsmaterial und Damenhygiene-Produkte verarbeitet.
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