Als Alexander Zverev auf dem Tennisplatz noch einmal an seiner Vorhand und seinem Rhythmus schuftete, sammelten auf den Tribünen Arbeitskräfte bereits den Müll auf. Den ersten Sieg bei den ATP Finals hatte der deutsche Hoffnungsträger zuvor überzeugend eingetütet, die rund 13.000 Zuschauer hatten die Turiner Mehrzweckhalle verlassen. Da zog es ihn am sehr späten Abend noch einmal zurück auf den Platz.
Dass Zverev nach einem Match trainiert, ist nicht ungewöhnlich. Dass er es aber auch am Ende einer von gesundheitlichen Problemen geprägten, kräftezehrenden Saison und mit der Sehnsucht nach dem Malediven-Urlaub nicht sein lässt, unterstreicht seine Ambitionen.
So deutete er nach dem gelungenen Auftakt zumindest an, dass er sich mehr wünscht, als das, was er bisher erreicht hat. Boris Becker hatte zuvor Italiens Tennisstar Jannik Sinner als Nummer eins der Welt zum Jahresende ausgezeichnet. Darauf angesprochen, antwortete Zverev: "Wir werden sehen, wer die Trophäe nächstes Jahr erhalten wird."
Seinen angestrebten Weg zu einem versöhnlichen Jahresabschluss begann der Weltranglisten-Zweite mit einem souveränen 6:4, 6:4 gegen den Russen Andrej Rubljow. Nein, ein perfektes Match sei das noch nicht gewesen, beschwichtigte Zverev. Er hoffe, sich im zweiten Gruppenspiel gegen den Norweger Casper Ruud zu steigern. Mit einem Erfolg am Mittwoch (20.30 Uhr/Sky) wäre sein Halbfinaleinzug womöglich bereits sicher.
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Zverevs kommender Gegner Casper Ruud überraschte mit einem Sieg gegen Carlos Alcaraz. Foto: Antonio Calanni/AP
Zverev: "Immer noch ein bisschen schneller müde"
Seine Lungenprobleme der vergangenen Monate sollen ihn dabei nicht aufhalten. "Ich fühle mich besser auf jeden Fall. Ich fühle mich gesünder, ich fühle mich fitter auf dem Platz", sagte der 27-Jährige. Ein wenig bemerkbar mache sich die Problematik aber doch noch. "Ich werde vielleicht immer noch ein bisschen schneller müde", berichtete er, "aber ich fühle mich okay. Was aber nicht heißt, dass meine Lunge bei 100 Prozent ist."
Auch in einem seiner Interviews musste sich der zweimalige Grand-Slam-Finalist noch einmal wegdrehen, um zu husten. Aber er hustet nicht mehr "wie ein Wahnsinniger" wie in den Monaten im Sommer, als niemand wusste, was mit ihm los war. Erst nach dem Laver Cup in Berlin Ende September hatte Zverev erklärt, an einer Lungenentzündung zu leiden.
Beim Laver Cup sei bei einer eingehenden Untersuchung festgestellt worden, dass "25 Prozent" seiner Lunge nicht funktioniert hätten. "Ich bin im Krankenhaus gelandet vor dem Laver Cup, als ich drei Tage am Stück 40 Grad Fieber gehabt habe und dann irgendwann das Gefühl hatte, ich kann nicht mehr atmen", schilderte Zverev.
Gegen Rubljow wirkte es nicht so, als würden ihn die Probleme noch groß einschränken. Es war sein 67. Sieg in diesem Jahr - keiner seiner Kontrahenten hat mehr. Die Zahl sei "schon was wert", urteilte Zverev, "weil man hat das Gefühl, man hat eine solide Saison gespielt mit vielen Siegen. Aber klar, eines Tages schaut man auf Titel zurück".
Boris Becker: Zverev "nah dran" an Nummer eins
Dass er die Masters-1000-Events in Rom und Paris-Bercy in diesem Jahr gewonnen habe, sei "wunderschön". Mehr noch als diese Zahl bleiben ihm bei der Bilanz aber bestimmte Matches im Kopf. Das French-Open-Finale, der Sturz in Wimbledon, der ihm die Titelchance nahm. Das Australian-Open-Halbfinale. Es waren Niederlagen, auf die er blickte.
Ein dritter Titel bei den ATP Finals nun wäre ein Mutmacher für die Jagd nach dem ersten Grand-Slam-Titel. Im Januar möchte Zverev gesundheitlich bei 100 Prozent sein. Becker findet, Zverev hätte es auch verdient, in den Kreis der Weltranglisten-Ersten aufgenommen zu werden. Er sei "nah dran", sagte der 56-Jährige bei Sky. Auch dafür trainiert Zverev zu später Stunde, auch wenn er gerade gewonnen hat.
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