Motorsport-Historie. Heute feiert einer der erfolgreichsten Rennfahrer aller Zeiten, der Schweizer Rolf Biland, sein 70. Wiegenfest. Wenngleich der mit sieben Weltmeistertiteln zweiterfolgreichste Gespann-Pilot hinter dem Briten Steve Webster (10 bzw. 6 + 4 x World Cup) in unseren Breiten kein einziges Rennen bestritt, ist er auf Grund seiner zahlreichen, teils dramatischen Rennen im tschechischen Brno in den 1970er-, 1980er- und 1990er-Jahren hier bestens bekannt. Nachdem ab 1973 auf dem Sachsenring keine Weltmeisterschaftsläufe mehr ausgetragen wurden, pilgerten alljährlich abertausende sächsische Fans zu den WM-Rennen in die zweitgrößte Stadt Tschechiens, wo die Seitenwagen regelmäßig im Programm waren.
Vom Beiwagen auf den Fahrersitz
Geboren wurde Rolf Walter Biland also am 1. April 1951 im schweizerischen Kanton Aargau. Mit gerade einmal 19 Jahren stieg der gelernte Automechaniker, der als solcher anfangs in der Werkstatt seines Vaters arbeitete, als Beifahrer bei Fritz Hänzi in den Gespannrennsport ein. 1972 wechselte er auf den Fahrersitz und im Winter 1972/1973 arbeitete der Hobby-Boxer bei seinem Landsmann Rudolf "Ruedi" Kurth. Der war nicht nur ebenfalls Gespannfahrer, sondern auch ein guter Techniker und Gespannbauer war. Von ihm kaufte Rolf Biland ein CAT-Gespann mit Dreizylinder-Crescent-Bootsmotor und gewann damit mit Jürg Stauffer im Boot die Schweizer Meisterschaft.
Im April 1974 reiste er, nun mit Fredy Freiburghaus als Beifahrer, in seinem klapprigem Ford Transit, in den er einem Motor vom Ford Capri eingebaut hatte, sodass er immerhin 160 km/h lief, zu seinem ersten WM-Rennen ins französische Clermont Ferrand.
Bereits beim dritten Saisonrennen auf dem Salzburgring fuhren sie als Achte erstmals in die WM-Punkte. Beim darauffolgenden Rennen im italienischen Imola feierten sie als Zweite hinter den Deutschen Klaus Enders/Ralf Engelhardt ihren ersten Podestplatz. Mit diesen beiden Ergebnissen wurden sie am Jahresende als WM-Neunte geführt.
1975 wechselten Biland/Freiburghaus auf eine Seymaz-Yamaha des Schweizers Eric Vuagnat und feierten nach Platz acht auf dem Salzburgring beim wiederum dritten Saisonrennen, diesmal in Hockenheim, ihren ersten Grand-Prix-Sieg. Später im niederländischen Assen ersetzte der Deutsche Bernd Grube Fredy Freiburghaus im Boot von Rolf Biland, mit dem er Zweiter wurde. Das waren die drei einzigen Platzierungen von Rolf Biland in den Punkten, mit denen er immerhin WM-Dritter wurde.
1976 holte Rolf Biland den Briten Kenny Williams zu sich ins Boot, mit dem er gleich den Saisonauftakt in Le Mans in Frankreich gewann. Allzu viel lief danach für die beiden nicht mehr zusammen, sodass man nur den vierten WM-Schlussrang belegen konnte.
Im darauffolgenden Jahr gewannen sie drei von sieben WM-Läufen und mussten sich dennoch mit dem Vize-WM-Titel begnügen. Zwar ohne Sieg, dafür mit großer Konstanz, holte sich der Brite George O'dell die Goldmedaille. In dessen Boot kamen seine Landsleute Kenny Arthur und Clifford Holland zum Einsatz.
Erster WM-Titel mit Ken Williams
1978 sollte nun aber endlich Rolf Bilands großes Jahr werden. Wiederum mit Kenny Williams an seiner Seite, gewann er die ersten drei der acht Grand Prix und fuhr drei weitere Male aufs Podest. Damit hatte sich sein Traum vom Weltmeistertitel ein erstes Mal erfüllt.
Interessant ist diese Saison auch insofern, weil Rolf Biland das noch ziemlich löchrige Reglement gnadenlos ausnutzte und abwechselnd, je nach Streckencharakteristik, seine herkömmliche TTM-Yamaha oder seine revolutionäre BEO-Yamaha einsetzte. Bei der BEO handelte es sich um ein dreirädriges Fahrzeug, bei dem der Motor weit hinten in der Mitte platziert war und der Versatz des mit angetriebenen Seitenwagenrades zum eigentlichen Hinterrad nur marginal war. Durch die so erreichte autoähnliche Straßenlage war der Beifahrer nebendran sitzend nur noch untätiger Passagier. Das rief natürlich die Verfechter der konventionellen Gespanne auf den Plan. Geläutert bezeichnete Rolf Biland die BEO und später rückblickend betrachtet als "... Fehler, weil Gespannsport Teamsport bleiben sollte."
Nach vielen Diskussionen wurde daraufhin die WM 1979 in den zwei Klassen "B2A" der herkömmlichen Gespanne mit einer Gabel vorn und einer Schwinge hinten sowie "B2B" der extrem innovativen Gespanne bzw. allen, die nicht in die "B2A" gepasst haben, ausgeschrieben.
Die BEO war dabei weiter am Start, doch die schnellsten Gespanne trugen nun den Namen LCR - Louis Christen Racing. Der Ex-Autorennfahrer Louis Christen baute seit 1971 Rennwagen für die Formel V mit Monocoque-Chassis mit genietetem Alu-Blech. Mit der gleichen Bauweise stieg der Schweizer 1976 in den Gespannsport ein. Louis Christen verfolgte in Anlehnung an den Formel-Rennsport jedoch weitergehende Ziele. So entwickelte er die Querlenkeraufhängung und Spurstangenlenkung für seinen ersten Seitenwagen. 1977 führte er das mitlenkende Seitenwagenrad ein. 1978 errangen seine Landsleute Bruno Holzer/Karl Meierhans im belgischen Spa-Francorchamps den ersten Grand-Prix-Sieg mit einem LCR-Gespann.
Zwei-Klassen-Gesellschaft
Neben Louis Christens Steigbügelhalter Holzer/Meierhans setzte auch Rolf Biland 1979 in der Klasse B2B auf ein LCR-Gespann. In diesen "turnte" der Beifahrer nun wieder, dafür saß der Fahrer wie in einem Kart. Während die "Konventionellen" damals traditionsgerecht alle ihre sieben Saisonrennen im Rahmen der regulären Motorrad-Weltmeisterschaft austrugen, waren die "B2Bs" nur zwei Mal im WM-Programm. Für die restlichen vier Läufe wurden sie an andere Veranstaltungen angehangen.
Der Saisonauftakt erfolgte für beide Kategorien in getrennten Rennen auf dem Salzburgring. Hier gingen Rolf Biland und sein neuer Beifahrer Kurt Waltisperg auf ihrer LCR-Yamaha als erste Sieger eines B2B-Rennens in die Geschichte ein. Im weiteren Verlauf gewannen sie drei weitere Rennen. Der Franzose Alain Michel und sein deutscher Co-Pilot Michael Burkhard gewannen auf einer Seymaz-Yamaha die anderen beiden Rennen. Weil sich Rolf Biland beim finalen B2B-Rennen im niederländischen Assen im Training einen Handbruch zugezogen hatte, wurden allerdings Bruno Holzer/Karl Meierhans die ersten und einzigen B2B-Weltmeister. Sie kamen bei allen sechs Rennen als Zweite ins Ziel. Biland/Waltisperg mussten sich mit dem Vize-WM-Titel begnügen, weil der notorische Technikverbesserer Rolf Biland seine LCR-Yamaha weiter optimierte und zum Beispiel bei Gewichtersparnis extreme Wege beschritt. Die Quittung war ein gebrochener Aufhängungsbolzen im Training in Assen, weshalb der B2B-Titel futsch war.
Unplanmäßiger WM-Titel
Sein guter Freund Louis Christen sagte viele Jahre später einmal über Rolf Biland: "Der Biland hat technisch viele Spielereien gemacht, weil er so ein Technikfreak ist. Da war allerdings auch der eine oder andere Blödsinn dabei. Manche Sachen waren technisch einfach nicht ausgereift. Technische Schwächen musste er mit seinen fahrerischen Qualitäten wett machen. Aber genau das konnte der Biland. Den Biland konnte man nicht bremsen. Wenn der eine Wahnsinns-Idee hatte, konnte man ihm diese nicht so einfach ausreden. Aber er war immer korrekt und ehrlich. Es gibt wahrscheinlich niemanden, der ihm irgendetwas vorhalten könnte. Er ist ein sehr, sehr positiver Mensch. Aber auch ein bisschen ein Wahnsinniger."
Obwohl sie sich nur auf Druck ihrer Sponsoren mit einer Schmid-Yamaha auch an der Klasse B2A beteiligten und zwischenzeitlich in der Gesamtwertung schon weit zurück lagen, wurden sie hier interessanterweise Weltmeister. Sie gewannen drei Rennen und standen zudem zwei weitere Male auf dem Podest.
Back to the Roots
Nach dieser Saison wurde das Reglement angepasst und die "Zwei-Klassen-Gesellschaft" war Geschichte. Nach einem technischen Übergangjahr, in dem Jock Taylor/Bengt Johansson aus Großbritannien bzw. Schweden vor Biland/Waltisperg Weltmeister wurden, strickte man für 1981 ein zukunftsfähiges Reglement. In jenem Jahr gewannen Biland/Waltisperg sieben der zehn ausgeschriebenen Grand Prix und wurden erneut Weltmeister.
1982 gewannen sie sechs von neun Rennen und mussten in der WM-Endabrechnung dennoch den Deutschen Werner Schwärzel/Andreas Huber, die kein Rennen gewannen, den Vortritt lassen.
Im darauffolgenden Jahr führte dann nach sechs von acht möglichen Grand-Prix-Siegen wieder kein Weg an Biland/Waltisperg vorbei. Ebenfalls 1983 ging Rolf Biland seiner zweiten großen Motorsport-Leidenschaft nach und fuhr parallel ein paar Rennen zur Formel-2-Europameisterschaft. Man sagt, dass er es auch dabei hätte ziemlich weit bringen können, doch war hier ungleich mehr Geld im Spiel.
Nach einer kleinen Durststrecke und den WM-Endplatzierungen vier, drei, acht und drei, trotz weiterer Siege, wäre 1988 der nächste WM-Titel fällig gewesen. Die ersten sechs der neun Saisonrennen gewannen Rolf Biland und Kurt Waltisperg, danach ließen sie zwei Mal den Briten Steve Webster/Tony Hewitt den Vortritt. Die WM schien trotzdem gelaufen, denn beim Saisonfinale der Seitenwagen im damals noch tschechoslowakischen Brno hätte den Eidgenossen ein 14. Platz! zum Titelgewinn gereicht. Rundenlang auf Platz zwei liegend hatte man beim "Schaulaufen" alles unter Kontrolle, bis ein Getriebeschaden alles zunichtemachte.
Schlussspurt
1992, 1993 und 1994 feierte Rolf Biland mit Kurt Waltisperg seine WM-Titel fünf, sechs und sieben sowie beim Saisonfinale der Seitenwagen 1996 in Barcelona seinen 81. und damit letzten Grand-Prix-Sieg. Damit rangiert er in der aktuellen ewigen Bestenliste hinter den Italienern Giacomo Agostini (122) und Valentino Rossi (115) sowie den Spaniern Angel Nieto (90) und Marc Marquez (82) auf Platz fünf, noch vor dem Briten Mike Hailwood (76). Zu seiner Erfolgsbilanz kommen noch acht Vize-Titel sowie drei dritte WM-Endränge. Damit beendete er die Meisterschaft in seinen 24 plus 1 WM-Jahren (1979 zwei Klassen) 18 Mal unter den ersten drei.
Inzwischen zeichnete die spanische Vermarktungsagentur DORNA für die Geschicke der Motorrad-Weltmeisterschaft verantwortlich, doch denen waren die Sidecars ein Dorn im Auge. Folglich flogen sie ab 1997 aus dem Kalender der klassischen Grand-Prix-Szene und klinkten sich fortan bei anderen Rennveranstaltungen ein. Des Weiteren hatten sie vorübergehend den offiziellen WM-Status verloren und kürten von 1997 bis 2000 lediglich ihren Weltcup-Sieger. Daran fand Rolf Biland keinen Gefallen mehr, sodass er Ende 1997 den Helm an den Nagel hängte.
Typisch Biland
Neben seinen vielen Erfolgen sind aber auch einige spezielle Storys von und über ihn geblieben. So soll er einst zu Zeiten des Eisernen Vorhangs (vor 1989) einmal einen Ostdeutschen in den Westen geschmuggelt haben.
Beim Rennen 1980 im belgischen Zolder fuhr er mit neuen Stiefeln, in denen ihm während des Rennens der rechte Fuß (Bremsfuß) einschlief. Kurzerhand fuhr er an die Box, zog die Stiefel aus und fuhr ohne weiter. Allerdings verbrannte er sich die Füße an den Auspuffrohren, was ihn nicht daran hinderte, die LCR-Yamaha auf Rang drei ins Ziel zu bringen.
Die krasseste Geschichte datiert aber auf das Jahr 1982. Geringfügig übermütig wollte er im italienischen Mugello die schnellste Rundenzeit der (Solo-)Königsklasse bis 500 ccm knacken, wozu Biland/Waltisperg bei Testfahrten an gleicher Stelle schon gute Ansätze gezeigt hatten. Allerdings flogen sie schon im inoffiziellen Donnerstagtraining ab, wobei sich Rolf Biland das Schlüsselbein brach. Auf diese und ähnliche Weisen verschenkte er sogar den einen oder anderen weiteren Weltmeistertitel.
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