Ich bin bekennender True Crime-Fan. Jeden Abend zum Einschlafen nehme ich mir meine Kopfhörer, öffne Spotify und mache mir einen True Crime-Podcast, wie Mordlust, Mord auf Ex, Eyes in the Dark oder Überdosis Crime an. Die Geschichten rund um die grausamsten, erschreckensten und spannensten Morde in Deutschland und der Welt üben eine Faszination auf mich aus, die ich nicht beschreiben kann. Und weil mich solche Kriminalfälle so interessieren, möchte ich auch euch auf den Geschmack des True Crime bringen.
Nach einigen Stunden der Recherche bin ich auf einen Fall gestoßen, der in Chemnitz und Umland für eine Menge Aufsehen sorgte. Der Fall des "Kannnibalen vom Sonnenberg".
Die Bestie vom Sonnenberg
Zyankali in der Suppe
Die Nachkriegszeiten waren schwer für die Chemnitzerinnen und Chemnitzer. Die Stadt war vom Krieg gezeichnet. Viele Flüchtlinge und Vertriebene suchten hier nach Schutz. Die Trümmerberge, die Überbleibsel der vergangenen Jahre, mussten weggeschafft werden und die Lebensmittelmarken, die verteilt wurden, reichten lange nicht für eine vollwertige Ernährung, sodass die Einwohner Hunger leiden mussten. So auch Bernhard Oehme und seine Frau Liddy.
Um dem schrecklichen Gefühl eines leeren Magens zu entkommen, fing Bernhard an, Lebensmittelmarken zu fälschen, um mehr einkaufen zu können. Liddy fand die Idee alles andere als gut, schließlich war ihr Mann schon öfter wegen Geld- und Urkundenfälschung im Zuchthaus. Doch er hatte kein schlechtes Gewissen. "Wir sind sicher nicht die Einzigen, die die Marken fälschen. Willst du dich weiterhin nur von Mehlsuppe ernähren?" Liddy knickte aber nicht ein: "Lieber esse ich zu jeder Mahlzeit diese Suppe, als dich wieder an das Zuchthaus zu verlieren!"
Dann kam der 2. September 1947. Liddy wurde von ihrem Ehemann Bernhard in die Küche zum Mittagessen gerufen. "Die Suppe riecht aber komisch Bernhard" wunderte Liddy Oehme sich. Nachdem auch er an der Mahlzeit roch, sagte Bernhard ihr: "Du hast aber eine Hundsnase, meine Liebste." Liddy beäugte kritisch die Flüssigkeit, die dort in dem Topf vor sich hin köchelte. Sie wurde misstrauisch, packte etwas von der Suppe in ein Glas und brachte es zur Polizei.
"Mein Mann hat versucht mich zu vergiften." Mit diesen Worten begrüßte Liddy die Beamten der Chemnitzer Polizei und knallte ihnen das Glas mit der Suppenprobe auf den Tisch. Und mit dieser Anschuldigung sollte sie recht behalten. Die Laborergebnisse zeigten, dass in der Suppe Zyankali enthalten war und zwar in einer so hohen Dosis, dass schon ein paar Löffel der Suppe gereicht hätten, um einen Menschen zu töten. Kurz nach dem Besuch von Liddy, kam auch Bernhard zur Polizei und sagte: "Meine Frau wollte mich vergiften". Die Polizei wurde misstrauisch und steckte Bernhard in Untersuchungshaft.
Die Verhandlung vor dem Schwurgericht am 11. Dezember 1947 blieb ohne Erfolg für Liddy, denn aufgrund des Beweismangels und der Situation, dass sowohl sie als auch Bernhard ausgesagt haben, dass sie vom jeweils anderen fast vergiftet wurden, wurde Bernhard wieder freigesprochen. Kurz darauf trennte sich Liddy von ihrem Mann. Sie könne es mit ihm nicht mehr unter einem Dach aushalten und habe Angst vor weiteren Mordversuchen.
Bernhards Schwester hatte Mitleid mit ihm
Bernhard, der nun obdachlos war, suchte Unterschlupf bei seiner Schwester Ida Oehme, die in der Uhlandstraße 25 einen Kurzwarenladen betrieb. Seine Schwester hatte Mitleid mit ihm und nahm Bernhard auf. Doch das würde sie nur wenig später bereuen. Ihren Freundinnen erzählte Ida, dass sie Bernhard so schnell wie möglich wieder loswerden wollte. Schließlich sei er grob und würde ihr alles wegessen.
Als sich im Januar 1948 Kunden in dem Kurzwarenladen umschauen wollten, entdeckten sie, dass die Rollläden heruntergefahren waren und an der Tür ein handschriftlicher Zettel mit der Aufschrift "Vorübergehend wegen Krankheit geschlossen" klebte. Auch einige Tage später änderte sich nichts an der Situation des Geschäfts. Die Nachbarn sahen Ida nirgends und fingen an, an der Krankheit der Frau zu zweifeln, schließlich sei Ida noch nie so lange krank gewesen. Als sie Bernhard auf der Straße erblickten, fragten die Nachbarn, was denn mit Ida und dem Geschäft los sei. "Ida ist in Berlin und kauft sich einen Hamster", antwortete Bernhard schroff, drängelte sich an ihnen vorbei und ließ die verdutzten Leute stehen. Doch Bernhard machte auf die Nachbarn einen verdächtigen Eindruck. Sie konnten sich nicht vorstellen, dass Ida einen so weiten Weg in ihrem hohen Alter zurücklegt, nur um sich einen Hamster zu kaufen. Und warum scherte sich Bernhard gar nicht um seine Schwester? Wieso hat er sie alleine fahren lassen?
Fleisch und Hautlappen in Schüsseln und Töpfen
"Meine Schwester ist verschwunden. Sie müssen eine Vermisstenanzeige aufgeben!" Bernhard Oheme trat einige Tage, nachdem den Nachbarn das Verschwinden von Ida aufgefallen war, in das Polizeirevier und beschrieb den Beamten, dass er Ida schon eine Weile nicht gesehen und auch keine Nachricht von ihr bekommen habe. Die Polizisten waren alarmiert und fanden in den Akten des Kriminalamtes Chemnitz die Akten zu Bernhard Oehme und seiner langen kriminellen Vorgeschichte. Hat dieser Mann auch etwas mit dem Verschwinden seiner Schwester zu tun? Die Beamten nahmen ihn fest und fuhren zur Überprüfung zur Uhlandsraße 25. Doch was sie dort fanden, würden sie niemals vergessen.
Bei der Durchsuchung des Geschäfts und der Wohnung fanden sie im Keller und der Küche die Überreste von Ida. Die Fleischklumpen und Hautlappen wurden teils gekocht, teils ungekocht in Eimern, Töpfen und Schüsseln gelagert. Einige Teile des Körpers lagen auch eingekocht in Einmachgläsern oder wurden gepökelt und so haltbar gemacht. Zudem fanden die Beamten den Kopf, die Hände und Füße. Doch große Teile der Leiche fehlten.
"Wenn es dem Hund schmeckt, dann auch mir."
Durch die Entdeckungen galt Bernhard Oehme nun als dringend tatverdächtig, seine Schwester getötet und zerstückelt zu haben. Bei der ersten Befragung stritt er alles ab. Er habe Ida tot in der Wohnung gefunden. Damit die Gesellschaft Ida nicht als Selbstmörderin sähe, habe er mit dem Hammer auf den Kopf der toten Frau gehauen und sie zerstückelt, damit die Leiche nicht gefunden würde und er als Mörder in Frage käme. Doch die Gerichtsmedizin fand heraus, dass Ida noch gelebt haben musste, als Bernhard mit dem Hammer auf sie einschlug.
Zudem erzählte er der Polizei, dass der Hund am Blut, dass überall in der Wohnung zu finden war, geleckt habe und Bernhard sich daraufhin gedacht habe: "Wenn es dem Hund schmeckt, dann schmeckt es mir bestimmt auch." Insgesamt verspeiste Bernhard gemeinsam mit seinem Hund fast drei Kilogramm Rippenfleisch, sowie das Herz und die Nieren seiner Schwester. Einen Großteil des Körpers schnitt er zurecht und verkaufte es als tierisches Fleisch an die Nachbarschaft in der Uhlandstraße. Aus den Händen und Füßen von Ida wollte er zudem Seife herstellen.
Selbst im Gefängnis bat Bernhard Oehme die Wärter noch, ihm etwas von dem Fleisch seiner Schwester zu bringen. "Es muss nicht gekocht und warm sein. Ich esse es auch so."
Er wurde nie wieder gesehen
Bernhard kam vor das Chemnitzer Gericht und wurde zu zehn Jahren Haft verurteilt. Die geringe Strafe entsetzte die Chemnitzerinnen und Chemnitzer. Denn auch schon damals sei Mord mit einer lebenslangen Haft bestraft worden. Die sowjetische Besatzungsmacht ließ Bernhard anschließend in ein sowjetisches Gefangenenlager bringen und er tauchte nie wieder auf. Es wird vermutet, dass bei Bernhard unter einer Geisteskrankheit und einem Schizophrenieanfall litt. Bemerkenswert ist, dass bei ihm kein sexuelles Motiv vorgelegen habe, als er seine Schwester aß, so wie es bei vielen anderen Kannibalenmorden der Fall ist.