Linn Schütze und Leonie Bartsch machten ihr Hobby zum Beruf und zählen heute zu den erfolgreichsten Podcasterinnen Deutschlands. Die beiden beschäftigen sich mit True Crime - also Kriminalfällen, die genau so, wie sie erzählt werden, im realen Leben auch passiert sind. Mit ihrem Podcast "Mord auf Ex" erreichen die zwei Frauen im Wochentakt viele Zuhörer. Jeden Montag ist eine weitere Folge auf Audio-Streamingplattformen wie Spotify verfügbar. Jetzt ermöglichen Linn und Leonie im Interview einen BLICK hinter das Phänomen True Crime und erzählen von ihrem spannenden Job.
Linn von "Mord auf Ex": "Am meisten beschäftigt es uns, wenn wir von Beteiligten oder Angehörigen kontaktiert werden"
BLICK.de: Ihr brennt für Kriminalfälle und True Crime: Wann stand für euch fest, dass ihr euch beruflich voll und ganz darauf fokussieren möchtet? Wie kam es dann dazu?
Leonie: Wir haben uns im Volontariat bei einem Fernsehsender kennengelernt und waren beide große Fans vom Medium Podcast. Ich hab alles gehört, was es da gibt. Außerdem hab ich mich in meinen Redaktionsjobs davor schon am liebsten mit Storytelling beschäftigt. Und in keinem Medium geht das so gut wie bei Podcasts. Dass das ganze mal zu unserem Hauptberuf wird, hätte ich aber nie erwartet und das ist ein riesengroßes Privileg. Der Start von "Mord auf Ex" war eher spontan, weil wir Lust darauf hatten, und wir haben nur mit ein paar Hörer*innen gerechnet, die hauptsächlich mit uns verwandt sind (lacht). Aber das Feedback war unglaublich. Mittlerweile haben wir eine Produktionsfirma mit mehreren Mitarbeiter*innen und arbeiten konstant an Skripten, Recherchen und Formaten.
Linn: Ich habe die ganze Zeit nach neuen True-Crime-Podcasts gesucht, aber es kam nichts Neues heraus. Dann dachte ich: Warum nicht selbst einen starten? True Crime hat die Menschen schon immer fasziniert, dieser Einblick in die dunklen Seiten der menschlichen Natur. Es zeigt, zu welchen Extremen Menschen fähig sind. Was bringt jemanden dazu, eine extreme Entscheidung zu treffen oder ein schreckliches Verbrechen zu begehen? Wir wollen verstehen, was sich im Inneren eines Täters abspielt, welche psychologischen und sozialen Faktoren eine Rolle spielen.
Leonie: Wir erzählen die Geschichten oft aus der Sicht von Betroffenen, z.B. von Angehörigen, die uns in einigen Fällen sogar kontaktiert haben, um ihre Geschichten zu erzählen. Es geht darum, ihre Perspektiven zu hören und ihnen damit eine Stimme zu geben. Gerade in unserer aktuellen Zeit, in der Nachrichten oft nur flüchtige Momentaufnahmen sind, gibt das Medium Podcast den Betroffenen so viel mehr Raum.
BLICK.de: Ihr seid bei "Mord auf Ex" schon auf viele Kriminalfälle eingegangen. Eine Antwort hierauf zu finden, fällt euch sicherlich nicht leicht, aber: Welche zwei bis drei Fälle sind euch besonders in Erinnerung geblieben? Welche Fälle bringen euch bis heute ins Grübeln?
Linn: Am meisten beschäftigt es uns, wenn wir von direkt Beteiligten oder deren Angehörigen kontaktiert werden, um ungeklärten Fällen oder vermeintlichen Ungerechtigkeiten nachzugehen. Wir betreiben dann mit unserem Team eigene Recherchen, die wir in mehreren Podcastfolgen oder einer Serie vorstellen, wie z.B. "Die Nachbarn" über einen Doppelmord in Hessen, oder die Geschichte von Lisa, die den Mord an ihrem Bruder aufklären will ("Tiefe Spuren").
Leonie: Einer der gruseligsten Kriminalfälle ist der Fall "BTK", ein Serienmörder, der sich zuhause bei seinen Opfern im Kleiderschrank versteckt hat und dabei Puppenmasken trug. Ein mysteriöser Cold Case ist natürlich auch der Zodiac-Fall. Hier haben wir uns verschiedene Theorien angeschaut, aber bis heute ist ja unklar, wer wirklich der Täter ist. Kürzlich haben wir auch die Geschichte eines Ex-Neonazis erzählt, der mit uns über seine Vergangenheit und seinen Ausstieg gesprochen hat. Darüber denke ich noch oft nach, wenn ich mir die aktuelle politische Entwicklung ansehe.
Leonie von "Mord auf Ex": Podcast verfolgt sie bis auf die Zahnarztliege
BLICK.de: Gab es für euch einen bestimmten Schlüsselmoment, ab dem ihr gemerkt habt: "Wow, mit unserem Podcast haben wir echt was gerissen"? Wie ist es für einen selbst, zu realisieren, dass man zu den erfolgreichsten Podcasterinnen Deutschlands gehört?
Leonie: So richtig haben wir das eigentlich immer noch nicht realisiert und es fühlt sich für uns sehr unwirklich an. Ungefähr ein Monat, nachdem wir gestartet haben, kam der ProSieben-Podcastchef zu uns und meinte: "Wir müssen reden." Dann hat er seinen Laptop aufgeklappt und uns die Zahlen gezeigt. Den Moment werden wir nie vergessen.
Linn: Dann hatten wir unsere allererste Live-Tour, plötzlich haben wir unsere "Exis" (die Fans) mit eigenen Augen gesehen. Obwohl es viel weniger waren als unseren Podcast insgesamt gehört haben, konnten wir es kaum glauben, dass so viele Menschen uns auf der Bühne sehen wollten.
Leonie: Ich hab aber auch immer noch neue Schlüsselmomente. Letzte Woche saß ich beim Zahnarzt, als mir mitgeteilt wurde, dass nicht nur er und seine Tochter regelmäßig "Mord auf Ex" hören, sondern auch die ganze Praxis. Während der Behandlung, zumindest in dem Teil, wo ich reden konnte, haben wir dann über die neueste Folge gesprochen.
Leonie von "Mord auf Ex": "Am Anfang hatten wir ein mulmiges Gefühl"
BLICK.de: Euer beruflicher Fokus liegt hauptsächlich auf euren Podcasts. Sich beruflich auf sein eigenes Projekt zu stützen, ist gerade anfangs immer mit viel Risiko verbunden - wenn man noch nicht weiß, ob wirklich alles so läuft, wie man es sich erhofft. Hattet ihr in Bezug darauf zu Beginn Sorgen und Ängste?
Leonie: Klar, am Anfang hatten wir ein mulmiges Gefühl, besonders, als wir den Podcast parallel zu unseren Hauptjobs als Redakteurinnen gestartet haben. Der Schritt, sich mit dem eigenen Projekt in die Öffentlichkeit zu wagen, ist nicht ohne. Plötzlich steht man da und sagt: "Das hier ist meine Arbeit" und das wird dann von Menschen bewertet, die man sonst vielleicht nicht unbedingt fragen würde. Ich habe mir aber auch immer wieder gesagt: "Wenn es nicht klappt, mache ich eben mit meinem alten Job weiter", den ich auch sehr gerne mochte. Aber das Risiko war es wert. Ich würde jedem raten, der wirklich an eine Idee glaubt: Versuch es unbedingt. Der größte Grund, warum wir oft unsere Ideen nicht umsetzen, ist die Angst vor dem Unbekannten. Es fühlt sich vielleicht wie ein Sprung ins kalte Wasser an, aber man schwimmt sich dann schon warm.
Linn: Mit zunehmendem Erfolg wächst natürlich auch der Erwartungsdruck. Damit umzugehen, mussten wir auch erstmal lernen. Wobei wir uns selbst meist den größten Druck machen (lacht).
BLICK.de: Was unterscheidet "Mord auf Ex" von den zahlreichen anderen True-Crime-Podcasts? Was macht "Mord auf Ex" eurer Meinung nach besonders?
Linn: Die wichtigste Sache: Wir arbeiten als beste Freundinnen zusammen. Wir bekommen in der Medienbranche oft mit, dass Menschen "zusammengecastet" werden, weil sie vielleicht schon vorher eine große Reichweite hatten, oder Managements das vorschlagen. Bei uns ist das anders. Dieses familiäre Gefühl spüren wir jeden Tag in den Projekten und das transportiert sich hoffentlich auch in den Folgen. Wenn wir unsere Recherchen erzählen, kommt es auch mal vor, dass wir emotional werden und das auch so kommentieren.
Leonie: Wir versuchen, seriösen Journalismus mit Emotionalität und Unterhaltung zu verbinden. Das ist ein schmaler Grat und nicht immer einfach, aber unsere Hörer*innen spiegeln uns immer wieder, dass sie genau das an uns schätzen - vielleicht gerade, weil die Themen sonst schwer zu ertragen sind.
Linn von "Mord auf Ex": "Man braucht schon eine dicke Haut für diesen Job"
BLICK.de: Es gibt mittlerweile schon viele True-Crime-Podcasts und nach wie vor wollen viele Nachwuchs-Podcaster auf den Zug aufspringen. Denkt ihr, dass der Zug für Neulinge abgefahren ist? Ob ja oder nein - inwiefern?
Leonie: Es ist heute grundsätzlich viel schwerer, einen neuen Podcast zu etablieren, als noch vor ein paar Jahren. Aber wie in allen Medienbereichen werden gut gemachte und originelle Formate immer ihren Platz finden. Wir arbeiten an unseren Fällen mindestens mehrere Wochen, an den größten Projekten aber auch deutlich länger, manchmal über ein Jahr. Gute Recherchen benötigen viel Zeit und viel Arbeit. Bei True Crime gehört das einfach dazu, dessen muss man sich bewusst sein. Ich glaube aber, speziell in seriellen Narrativ-Formaten und Reportagen-Podcasts ist in Deutschland noch viel Raum für Neues, da habe ich echt schon alles weggehört und warte sehnsüchtig auf Nachschub.
BLICK.de: Generell gefragt: Wie bleibt man bei einem positiven Denken/verliert man nicht den Glauben an die Menschheit, wenn man sich tagtäglich mit den grauenvollsten Taten von Menschen beschäftigt?
Leonie: Indem wir auch oft über positive Geschichten oder Aspekte in den Fällen sprechen. Über die unerbittliche Suche nach der Wahrheit einiger Ermittler*innen. Über starke Betroffene, die für ihre Angehörigen kämpfen. Oder über die psychologischen Hintergründe, die erklären, warum man eine Tat überhaupt begeht und es ermöglichen, ebensolche Taten zu verhindern. Natürlich gibt es unzählige Verbrechen, aber noch viel mehr Menschen, die etwas dagegen tun. Helden, die sich für die Opfer einsetzen oder das Rechtssystem verbessern möchten. Deshalb glauben wir nach wie vor an das Gute im Menschen!
BLICK.de: Ihr berichtet über Extremfälle, die so im Alltag der meisten Menschen (gottseidank) nicht vorkommen. Habt ihr durch euren Beruf trotzdem vermehrt Angst, dass euch selbst oder geliebten Menschen in eurem Umkreis ähnliche Dinge zustoßen könnten wie jenen, deren Geschichten ihr im Podcast erzählt?
Linn: Ein bisschen sensibilisiert sind wir dadurch schon (lacht), aber wir können das schon sehr gut von unserem Privatleben trennen. Anders würde es auch gar nicht funktionieren. Aber klar, man braucht schon eine dicke Haut für diesen Job.
Leonie von "Mord auf Ex": "Wenn man sich die Lage der Welt anschaut, wird es einem manchmal ganz schön kalt ums Herz"
BLICK.de: Ihr habt einen zweiten Podcast namens "True Love", welcher sich inhaltlich deutlich von "Mord auf Ex" unterscheidet. Wie kam die Idee zum zweiten Podcast? Wolltet ihr als Ausgleich zu den oft sehr harten Geschichten bei "Mord auf Ex" ein Projekt, welches sich um "leichtere Kost" dreht?
Linn: Manchmal sind wir auf Geschichten gestoßen, die nicht zu einem True-Crime-Podcast passen, die es aber trotzdem verdient haben, erzählt zu werden. Weil sie uns sehr bewegt haben, und genauso spannend sind, genauso emotional, dramatisch wie ein Kriminalfall. Und es ist auch ganz schön, sich nach vielen düsteren Kriminal-Recherchen zur Abwechslung mal mit den schönen Seiten des Lebens zu beschäftigen. Am besten sind doch eh die Filme, wo dann steht: "Nach einer wahren Begebenheit". So Geschichten, die man sich eigentlich gar nicht ausdenken kann. Und das gibt's jetzt als Podcast.
Leonie: Wenn man sich die aktuellen Nachrichten, die Lage der Welt anschaut, wird es einem manchmal ganz schön kalt ums Herz. Wir wollen mit "True Love" ein paar warme Stunden schaffen, eine Abwechslung, einen "Safe Space", in dem wir unsere Hörer:innen inspirieren und ihnen Hoffnung machen. Wir wollen mehr "Happy Endings".
BLICK.de: Im Rahmen eurer äußerst erfolgreichen Projekte seid ihr beruflich sehr eingespannt: Unter anderem steht auch eine Live-Tour in nächster Zeit auf dem Programm. In eigenen Worten: Was erwartet eure Fans bei der Tour?
Linn: Es ist bereits unsere dritte Live-Tour und wir freuen uns extrem darauf. Zumal wir zum ersten Mal in Arenen auftreten, was für uns noch komplett surreal ist. Wie bei unserer letzten Tour werden wir auch dieses Mal einen ganz besonderen Fall präsentieren, den wir vor Ort recherchiert und dabei viel gefilmt haben. Es ist also nicht nur ein Live-Podcast, sondern eine Art Multimedia-Show. Es gibt auch Unterhaltungselemente und Gäste, wobei wir immer sehr viel Wert darauf legen, alle Opfer und Beteiligten mit höchstem Respekt zu behandeln. Viele von ihnen werden selbst zu Wort kommen in der Live-Show.
BLICK.de bedankt sich bei Linn und Leonie von "Mord auf Ex" für das spannende Interview!
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Im Podcast berichten die zwei Damen im Wochentakt über schlimme Kriminalfälle aus aller Welt. Foto: Christoph Köstlin