Wenn ich an Urlaub denke, denke ich in erster Linie eigentlich an Entspannung und Erholung. In meinen Sommerurlauben lag ich bisher eigentlich die meiste Zeit mehr am Strand, als mich zu bewegen. Und dennoch hat mich die Idee meiner beiden Freunde irgendwie gereizt, dieses Jahr doch mal eine amtliche Wanderung durch ein Gebirge zu unternehmen. Endlich mal was anderes als sonst und ein bisschen Natur erleben. Dachte ich. Dachten wir alle. Das es der härteste Trip unseren Lebens wird und wir eine absolute Grenzerfahrung machen würden, hat bei der Planung noch niemand für möglich gehalten.
Andorra als Naturparadies
So sind wir also vor zirka zwei Monaten in ein Buchgeschäft gegangen und haben uns das Buch "Legendäre Wanderrouten Europa: 50 aufregende Touren zwischen Ägäis und Polarkreis" gekauft. (Ja, meine Generation kauft noch echte Bücher.) Nach dem Durchblättern sind wir dann schnell auf einen gemeinsamen Favoriten gestoßen. Der "Coronallacs" führt als Rundweg praktisch einmal um Andorra rum. Für fünf Tage und vier Nächte steuern wir jeweils immer die nächste Unterkunft, dort "Refugi" genannt, an. Die Wahl fiel auch auf Andorra, da wir nach der Wanderung noch ein paar Tage Strand- und Partyurlaub machen wollten und Lloret del Mar an der spanischen Ostküste gut von Andorra aus mit dem Auto zu erreichen war. Spoiler: Viel Party gab es nicht für uns.
Aufgrund von Terminen konnten wir erst an einem Sonntagnachmittag aufbrechen. Zu dritt konnte man sich beim fahren jedoch relativ entspannt abwechseln, sodass wir nach 18 Stunden Fahrt dann die Hauptstadt Andorra la Vella erreichten. Die erste Überraschung: Andorra gehört nicht zur EU, was sie zwar nicht davon abhält den Euro zu haben, nicht jedoch mobiles Internet. Aber gut, auch das sollte die Euphorie über das anstehende Abenteuer nicht bremsen. Am Dienstagmorgen ging es dann los, nachdem wir nochmal 100 Euro für einen halbwegs sicher aussehenden Parkplatz hingeblättert haben. Aber auch das war schnell vergessen, die ersten Kilometer waren sehr entspannt und führten an einem Fluss entlang. Das dies die letzten entspannten Meter für die nächsten vier Tage werden sollten, konnte keiner ahnen.
Andorra als Hölle
Doch dann kam auch schon der erste Anstieg. Wir wussten, das besonders die erste Etappe fast nur nach oben führt. Aber so steil, lang und hart haben wir uns es bei bestem Willen nicht vorstellen können. Laut Karte benötigt man für diese Route eigentlich "nur" neun Stunden. Letztendlich erreichten wir nach zwölf die erlösende Refugi del Comapedrosa. Die Natur mit Wildpferden, Murmeltieren und tollen Landschaften konnten wir nur am Rande genießen. Aber im Glauben, die härteste Etappe geschafft zu haben, haben wir den Abend noch relativ entspannt und optimistisch enden lassen, selbst nach der Nachricht, dass es in der Unterkunft keine Dusche gäbe.
Am nächsten Morgen ging es weiter, erst einmal nur bergab. Doch dass es auf dem Weg nach unten leichter ist, ist leider auch nur eine Wunschvorstellung. Durch den nicht gerade leichten Rucksack auf den Rücken und die steilen und steinigen Abgänge musste jeder Schritt wohl überlegt sein und kostete jedes mal wieder Kraft. Kraft, welche bei zehnstündigen Wanderungen trotz einiger Pausen irgendwann auch begrenzt ist. Die entspanntesten Meter waren immer die, wo es weder hoch noch runter, sondern geradeaus ging. Leider ist Andorra nicht für diese Passagen bekannt, dass längste horizontale Stück ging vielleicht zehn Meter, danach kam wieder irgendein An- oder Abstieg. Das rüttelt irgendwann auch an der Psyche und Motivation. Nach weiteren zehn Stunden und weit über 1.000 Höhenmeter kamen wir wieder einmal zu spät an der nächsten Refugi an. Diesmal waren wir alle deutlich erschöpfter als am Vorabend, wahrscheinlich auch weil es zu regnen begonnen hatte. Doch der härteste Tag stand noch bevor.
Gewitter auf dem Berg
Nachdem wir teilweise echt schlecht geschlafen haben ging es schon ziemlich ermüdet auf die dritte Etappe. Dabei standen zwei Gipfel auf dem Programm, zweitausend Meter ging es insgesamt nach oben. Völlig zerstört auf dem zweiten Gipfel angelangt, haben wir eine größere Pause gemacht. Aus der Ferne hat man dunkle Wolken und ein Gewitter beobachten können, was uns in diesem Moment tatsächlich noch recht egal war. Dies änderte sich jedoch schlagartig, als wir gerade mit dem Abstieg begonnen haben und plötzlich sehr nah neben uns ein Blitz eingeschlagen ist. Und eine der wenigen Dinge, die ich aus meiner Grundschulzeit noch weiß, ist das ein Berg kein guter Ort ist, auf dem man sich während eines Gewitters aufhalten sollte. Die nächsten 400 Höhenmeter sind wir praktisch gerannt, kaum überraschend waren diese laut Tracking auch die schnellsten Meter des Tages. Aber eben auch der höchste Puls. Eine erlösende kleine Hütte war eines der schönsten Dinge, die ich in dem Urlaub gesehen habe.
Laut Karte hätten es von da aus nur noch etwa eine Stunde bis zur Refugi sein sollen. Doch der nächste Wegweiser tat nochmal weh. Laut ihm hatten wir nochmals 2,5 Stunden vor uns, größtenteils bergauf. Das war der Punkt, der uns gebrochen hat. Einstimmig und ohne Diskussion kamen wir zu dem Entschluss, dass der Coronallacs siegte und wir am nächsten Tag bereits zurück in die Hauptstadt reisen würden, also einen Tag eher als geplant. Zu müde waren einfach unsere Muskeln, Knochen, Füße und unsere Motivation.
Ab wann ist man gescheitert?
Die völlige Erschöpfung und das Wissen, dass man noch zwei solcher Etappen vor sich hat, ließen nicht wirklich eine andere Entscheidung zu. Natürlich haben wir uns das ganz anders vorgestellt, und irgendwo tat es auch ein wenig weh, aufgeben zu müssen. Aber der körperliche Schmerz, allen voran die Ermüdung, ließen uns nicht wirklich trauern. Auch wenn man den ganzen Weg nicht geschafft hat, man ist an seine körperlichen Grenzen gegangen. Und das zählt auch eine Menge. Von daher kann man gerne sagen, dass wir gescheitert sind. So anfühlen tut es sich allerdings nicht.