Wenn heute die ersten Wertungsprüfungen der Rallye Monte Carlo über die Bühne gehen, ist es auf den Tag genau 50 Jahre her, dass an gleicher Stelle der erste Rallye-WM-Lauf der Geschichte überhaupt gestartet wurde. Dank der bahnbrechenden Erfindungen der Herren Nikolaus Otto, Gottlieb Daimler, Carl Benz und Rudolf Diesel hat Deutschland maßgeblichen Anteil an der (Auto-)Mobilisierung der Menschheit. Kaum waren die ersten Motorfahrzeuge erfunden und behutsam auf Räder gestellt, mussten sie auch schon im sportlichen Wettstreit die Grenzen ihrer Belastbarkeit beweisen. Doch im Gegensatz zu vielen anderen Wettkampfarten dienten Autorennen nicht nur der Belustigung. Durch sie wurde ein ständiger Forschungs- und Entwicklungsprozess entfacht. Das vorrangige Ziel der Automobil-Manufakturen war dabei die Produktwerbung. Durch die Vielzahl konkurrierender Hersteller verlief der Fortschritt quasi "fast forward".
Der Weg zum Rallye-Sport
Die ersten Rennen vor mittlerweile weit über einhundert Jahren wiesen aus heutiger Sicht eher groteske Züge auf. Das erste aktenkundige Automobilrennen war die Städtefahrt von Paris nach Rouen des Jahres 1894. Triebfeder war die französische Zeitschrift "Le Petit Journal", die einen Wettbewerb für alle Wagensysteme, die nicht durch Pferdekraft bewegt wurden, ausschrieb. Da sich zu dieser Zeit noch kein pferdeloses Antriebskonzept eindeutig durchgesetzt hatte, kamen neben Verbrennungsmotoren auch dampfbetriebene Gefährte zum Einsatz. Als Siegerwagen, der nicht als Geschwindigkeitswettbewerb ausgeschriebenen Veranstaltung, wurden dann ein Peugeot und ein Panhard-Levassor gekürt. In den Folgejahren war es immer wieder Frankreich, von dem motorsportliche Impulse ausgingen. Und immer wieder war Paris der Startort für die verschiedenen Städtefahrten wie zum Beispiel Paris-Bordeaux-Paris (1895), Paris-Marseille (1896) und Paris-Amsterdam (1897). Diese Ausdauerprüfungen waren den Rallyes, wie wir sie heute kennen nicht ganz unähnlich. Zumindest ähnlicher, als die seit etlichen Jahren hoch in der Gunst der Zuschauer stehenden Rundstreckenrennen. Die erste Formel-1-Weltmeisterschaft wurde 1950 ausgetragen. Doch auch der Rallyesport hat eine fast so lange Tradition, wenngleich nicht als WM.
Erste internationale Prädikate
Angefangen hat alles mit der Europameisterschaft 1953, die vom Österreicher Helmut Polensky und dessen Beifahrer Walter Schlüter auf Porsche 356 gewonnen wurde. Ab 1968 wurde dann zusätzlich eine Konstrukteurs-Europameisterschaft ausgeschrieben, die im Premierenjahr Ford mit dem Escort TC gewann. Die von der FIA mit der Durchführung beauftragte CSI dehnte 1970 die Internationale Rallye Marken-Meisterschaft, wie sie nun hieß, mit der Safari-Rallye in Kenia auf Afrika aus. Sieger wurden Edgar Herrmann/Hans Schuller auf einem Datsun 1600 SSS. Durch die weitere Internationalisierung mit den Rallyes in Marokko (1971) und in den USA (1972) waren die Voraussetzungen für eine Weltmeisterschaft geschaffen, die allerdings ab 1973 zunächst lediglich als Marken-WM ausgeschrieben wurde. Der erste Lauf, bei dem es WM-Punkte gab, war die bereits weltberühmte und prestigeträchtigste aller Rallyes, die Rallye Monte Carlo, die in jenem Jahr vom 19. bis 26. Januar stattfand. Damit wurde ihr, man könnte formulieren angemessen oder standesgemäß, diese besondere Ehre zuteil. Den ersten Titel sicherte sich Renault. Richtig müsste es heißen Alpine-Renault, denn der französische Hersteller beteiligte sich nicht werkseitig. 155 Punkte wurden durch verschiedene Besatzungen, die erfolgreichsten waren die Franzosen Luc Therier/Jacques Jaubert und Bernard Darniche/Alain Mahe, damals eingefahren. Damit lag man deutlich vor Fiat (87) und Ford (76).
Von der Hersteller- zur Fahrer-Weltmeisterschaft
Doch auch der Rallyesport lebt von seinen Stars, den Akteuren am Volant selbst. So war es ein logischer Schritt, die Fahrerweltmeisterschaft einzuführen, was 1979 erstmals geschah. Vorausgegangen waren zwei Jahre, in denen, quasi als Test, der FIA-Rallye Drivers Cup ausgetragen wurde. Der Italiener Sandro Munari (1977) und der Finne Markku Alen (1978) sicherten sich diese Titel. Der erste Rallye-Weltmeister der Geschichte wurde schließlich der Schwede Björn Waldegaard, der in jenem Jahr zusammen mit seinem Co-Pilot und Landsmann Hans Thorszelius mit dem Ford Escort RS zwei Mal gewann und vier weitere Male aufs Podest fuhr. Während der Saison wechselte die Paarung zu Mercedes. Im 450 SLC fuhren Sie beim letzten Lauf des Jahres an der Elfenbeinküste hinter ihren neuen Stallgefährten Hannu Mikkola/Arne Hertz auf den zweiten Platz. Im darauffolgenden Jahr begann die Ära der Gruppe B-Boliden (1980 bis 1986) mit fast unreglementierter Technik, die in allradgetriebenen PS-Monstern mit gewaltigen und sonst nur vom Formel-Rennsport her bekannten Flügelwerken/Spoilern (z. B. beim Audi S1) gipfelte.
Ein deutscher Star am Rallye-Himmel
Dank Walter Röhrl spielte erstmals auch Deutschland eine ganz wichtige Rolle in der Rallye-WM. Der Regensburger, dessen Stern international bei der Olympia-Rallye 1972 von Kiel nach München aufging, hatte bis dahin zwar schon 1974 den EM-Titel, sowie drei WM-Läufe gewonnen, doch ernsthaft hatte den langen Bayer wohl 1980 kaum einer auf der Rechnung. Bei der Monte, der Rallye Portugal, der Argentinien Rallye und bei der San Remo verspritzten Walter Röhrl und sein Co. Christian Geistdörfer den Siegersekt und trugen so maßgeblich zum Gewinn des Marken-WM-Titels von Fiat mit dem Abarth 131 bei. Doch nicht nur das, denn am Ende des Jahres 1980 hießen die neuen Rallye-Weltmeister Walter Röhrl und Christian Geistdörfer. Diesen Erfolg wiederholten sie 1982, allerdings trug sie nun ein Opel Ascona 400 zu zwei Laufsiegen (Monte Carlo und Elfenbeinküste) sowie je drei zweiten und dritten Plätzen. Leider reichte es für die Rüsselsheimer nicht gleichzeitig für den Gewinn der Marken-WM. Den holten sich die Audianer aus Ingolstadt, und damit wiederum Deutsche, mit ihrem allradgetriebenen Audi quattro. Nachdem Walter Röhrl der erste deutsche Automobil-Weltmeister überhaupt war, noch weit vor zum Beispiel Michael Schumacher, wurde es trotz einer starken Autoindustrie in Deutschland wieder deutlich ruhiger um germanische Erfolge im Rallyesport.
Nach Deutschland kam die Rallye-WM 2002 erstmals
Auch der erste Rallye-WM-Lauf auf deutschem Boden ließ lange auf sich warten. Erst 2002 gastierte der Tross der weltbesten Lenkrad-Artisten erstmals zum Kampf um WM-Punkte bei uns. Mit Ausnahme von 2009 war dies bis 2019 der Fall. Nach zuletzt drei Jahren Pause gibt es in diesem Jahr das Comeback, wenngleich in einer stark abgewandelten Form. Mit vereinten Kräften ist sie vom 26. bis 29. Oktober 2023 Bestandteil der neuen Central European Rally. Hierbei handelt es sich um ein Gemeinschaftsprojekt des tschechischen Autoklub Ceská, des österreichischen Motorsport-Verbandes AMF und des ADAC. Das Drei-Länder-Highlight in Tschechien, Österreich und Deutschland führt die weltbesten Rallye-Piloten von Prag über den Bereich Mühlviertel in Oberösterreich in die Landkreise Freyung-Grafenau und Passau, wo auch die Zielankunft sein wird.
Straße der Besten
Finnland könnte man hingegen als das Mutterland des Rallyesports bezeichnen. Das östlichste skandinavische Land brachte bislang sieben Fahrer-Weltmeister hervor, die zusammen 14 WM-Titel sicherstellten. Die erfolgreichsten sind Juha Kankkunen und Tommi Mäkinen mit jeweils vier Weltmeisterschaften. 2004 trat dann der Franzose Sebastien Loeb auf den Plan und gewann ab da neun! Fahrer-WM-Titel en suite. 2103 übernahm dessen Landsmann Sebastien Ogier in einem VW Polo den Staffelstab und war bis einschließlich 2021 acht Mal der Jahresbeste, davon vier Mal in einem Wolfsburger Boliden sowie je zwei Mal in einem Ford bzw. Toyota. Im Vorjahr holte sich der junge Finne Kalle Rovenperä seinen ersten WM-Titel.
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