Pro und Contra zum sozialen Pflichtdienst

Vorschlag Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier spricht sich für "Dienst an der Gesellschaft" aus

Nach Angaben der Bundesregierung engagieren sich derzeit zudem rund 100.000 junge Menschen bei einem Jugend- und Freiwilligendienst, beispielsweise im Bundesfreiwilligendienst oder dem Freiwilligen Sozialen Jahr (FSJ).

Für Frank-Walter Steinmeier offensichtlich zu wenig, denn der Bundespräsident regte jüngst die Einführung eines sozialen Pflichtdiensts für junge Menschen in Deutschland an. "Es geht um die Frage, ob es unserem Land nicht gut tun würde, wenn sich Frauen und Männer für einen gewissen Zeitraum in den Dienst der Gesellschaft stellen", sagte Steinmeier der "Bild am Sonntag". Der Vorschlag stieß gleichermaßen auf Befürworter und Kritiker.

Darum geht es beim sozialen Pflichtdienst

"Gerade jetzt, in einer Zeit, in der das Verständnis für andere Lebensentwürfe und Meinungen abnimmt, kann eine soziale Pflichtzeit besonders wertvoll sein. Man kommt raus aus der eigenen Blase, trifft ganz andere Menschen, hilft Bürgern in Notlagen." Das baue Vorurteile ab und stärke den Gemeinsinn, ist Steinmeier überzeugt.

Wichtig sei, den eigenen Horizont zu erweitern und verschiedene Sichtweisen kennenzulernen. Die soziale Pflichtzeit, für die es allerdings noch keine genaue Zeitspanne gibt, könne bei der Betreuung von Senioren, in Behinderteneinrichtungen oder in Obdachlosenunterkünften geleistet werden.

 

Pro: Gesellschaft wieder zusammenbringen

Rückenwind für den Vorschlag kommt von der CDU: Der stellvertretende CDU-Bundesvorsitzende, Carsten Linnemann, sagte den Zeitungen der Funke Mediengruppe: "Die Gesellschaft wird immer pluralistischer, gleichzeitig begegnen sich viele soziale und ethnische Milieus nicht mehr."

Mit einem "verpflichtenden Gesellschaftsjahr" könne man dem entgegentreten. Aus Sicht des Pflegerats könnte eine soziale Pflichtzeit dazu beitragen, junge Menschen "mit Pflege und Gesundheitsversorgung und damit mit einer gesamtgesellschaftlichen Aufgabe in Berührung zu bringen", sagte Präsidentin Christine Vogler. Es müsse jedoch verhindert werden, dass junge Menschen auf diesem Weg als preiswerte Pflegeeratzkräfte eingesetzt werden. "Das würde weder den jungen Leuten noch den zu Pflegenden gerecht werden", so Vogler.

Auch die Junge Union kann einer allgemeinen Dienstpflicht etwas abgewinnen, schlägt jedoch vor, per Online-Umfrage zu klären, wie es um die Bereitschaft der 14- bis 21-Jährigen stehe. "So geben wir denjenigen eine Stimme, über die hier gesprochen wird und hören, was sie eigentlich wollen", sagte Tilman Kuban, Chef der Jungen Union dem Redaktionsnetzwerk Deutschland. Jugendorganisationen anderer Parteien - darunter die Jusos, die Jungen Liberalen und die Grüne Jugend - hatten Steinmeiers Vorschlag am Montag zurückgewiesen.

 

Contra: Bestehende Freiwilligendienste aufwerten

Ver.di-Chef Frank Werneke sagte dem Redaktionsnetzwerk Deutschland, seine Gewerkschaft lehne einen Pflichtdienst ab. Begründet wurde die Ablehnung damit, dass "in unzulässiger Weise in die Lebensplanung von jungen Menschen eingegriffen wird." Außerdem betonte Werneke, dass alle anstehenden staatlichen Aufgaben grundsätzlich im Rahmen der öffentlichen Daseinsvorsorge erledigt werden müssten: "Diese Aufgaben können nicht von Freiwilligendiensten übernommen werden."

Vonseiten des Paritätischen Gesamtverbandes hieß es: Hier müssen engagierte Freiwillige mit Motivation und Profis mit der richtigen Ausbildung ran. "Statt jetzt Menschen in Pflege- und Altenheime zu schicken, die etwas ganz anderes arbeiten können und wollen, müssen Angebote für Freiwilligendienste gestärkt und die Arbeit in diesem Bereich aufgewertet werden", sagte Hauptgeschäftsführer Ulrich Schneider dem Redaktionsnetzwerk. Steinmeiers Vorschlag bezeichnete er als "Klassiker aus dem Sommerloch": "Seit der Abschaffung der Wehrpflicht verfolgt uns diese Forderung, diesmal sogar von höchster Stelle durch den Bundespräsidenten."

 

 



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