Atomkraft: Vom "Nein, danke" zum "Ja, bitte"

Energie Kernkraftwerke sind gut fürs Klima - warum diskutieren wir dann eigentlich darüber?

Bundeskanzler Olaf Scholz hat in der Atom-Debatte ein Machtwort gesprochen. Alle drei deutschen Atomkraftwerke laufen noch bis April 2023. Ursprünglich sollte der vor rund zehn Jahren beschlossene Atomausstieg Deutschlands bis Ende dieses Jahres vollzogen worden sein. Aber angestoßen durch die russische Invasion der Ukraine und die dadurch ausgelöste Gaskrise kam der Ausstieg auf den Prüfstand. Doch was ist eigentlich so gefährlich an Atomenergie, dass Deutschland komplett darauf verzichten möchte?

 

Tschernobyl: Sperrzone auch mehr als 35 Jahre danach notwendig

Von weltweit knapp 200 Staaten nutzen 30 die Kernenergie zur Stromerzeugung. Knapp die Hälfte aller in Betrieb befindlichen Reaktoren stehen dabei in drei Staaten: Vereinigte Staaten (94), Frankreich (56) und Japan (33). Warum die restlichen fast 170 Staaten auf diese Energieressource verzichten, zeigt das Beispiel Tschernobyl. 1986 kam es in der heutigen Ukraine zu dem bis jetzt größten Unfall in einem Atomkraftwerk. Auch mehr als 35 Jahre später ist eine 30 Kilometer große Sperrzone notwendig. Wer die Zone dennoch betritt, riskiert schwere gesundheitliche Folgen. Doch warum ist das so? Was ist daran gefährlich? Die Antwort lautet: Radioaktivität.

 

Was ist Radioaktivität?

Alle Stoffe in unserer Natur sind aus verschiedenen chemischen Elementen, wie Eisen, Sauerstoff oder Kohlenstoff, zusammengesetzt. Diese wiederum bestehen aus stabilen Atomen. Doch es gibt auch Elemente, die sich aufgrund von instabilen Atomkernen ständig verändern. Sie zerfallen und setzen dabei Energie frei: Die radioaktive Strahlung, die auch als ionisierende Strahlung bekannt ist. Auch das 1789 entdeckte Uran - benannt nach dem Planeten Uranus - ist ein instabiles, radioaktives Schwermetall. In Kernkraftwerken macht man sich zunutze, dass bei der Spaltung von Uran-Atomkernen ein winziger Teil der Masse in Energie umgewandelt wird. Mit der gewonnenen Energie wird Wasser zu Wasserdampf erhitzt, der wiederum eine Turbine zur Stromgewinnung antreibt. Anders als andere dampfbetriebene Kraftwerke, in denen fossile Energieträger verbrannt werden, finden in Kernkraftwerken aber keine chemischen Reaktionen statt. Deshalb entsteht hier auch kein umweltschädliches Kohlendioxid.

 

Was ist dann das Problem?

Die Kernspaltung in den Atomkraftwerken findet im Reaktor, genauer gesagt in den Brennstäben statt, die aus vielen Uranplatten bestehen. Unfälle hätten hier weitreichende Auswirkungen. Bei einem sogenannten GAU findet innerhalb des Kraftwerks ein Unfall statt, bei dem aber keine Radioaktivität in die Außenwelt gelangt. Bei einem Super-GAU gelangt Radioaktivität in die Umwelt und stellt eine Gefahr für Menschen, Tiere und Umwelt dar. Beide Bezeichnungen beschreiben die mögliche Situation eines sehr großen, unkontrollierbaren Unfalls, der vor allem bei einem Ausfall des Kühlsystems passieren kann: Funktioniert das Kühlsystem nicht mehr, kommt es zur Kernschmelze, weil die Brennstäbe im Reaktor nicht mehr gekühlt werden können. Sie erhitzen sich bis sie schmelzen. Die geschmolzene Masse kann sich dann durch die Schutzhülle des Reaktors "fressen" und gelangt so in die Außenwelt. Zudem entsteht durch die Hitze ein sehr hoher Druck im Reaktor, sodass dieser explodieren kann. In diesem Fall gelangen radioaktiver Dampf und strahlende Partikel nach außen.

 

Verstrahltes Erbgut führt zu Krebsgeschwüren

Menschen, die sich ohne Schutzanzüge dann in der unmittelbaren Nähe des Reaktors aufhalten, sterben innerhalb weniger Tage an der hohen Menge an radioaktiver Strahlung. Bei Menschen aus der weiteren Umgebung steigt die Wahrscheinlichkeit, an Krebs zu erkranken, enorm. Denn durch die Strahlung kann die DNA geschädigt und verändert werden. Wenn Gene kaputtgehen, die die Entstehung von Zellen kontrollieren, kommt es zu unkontrolliertem Wachstum und somit zu Krebsgeschwüren. Die bekannteste Spätfolge bei Menschen, die hoher Strahlung ausgesetzt waren, ist Blutkrebs. Die Verstrahlung geschieht häufig über Lebensmittel, denn nach einem Super-GAU ist die Umwelt verseucht, Boden und Wasser sind radioaktiv verstrahlt. Die Gefahr bleibt über mehrere Jahrzehnte bestehen, da Radioaktivität sehr lange benötigt, bis sie aufhört, gefährlich zu sein. Das passiert erst, wenn der Stoff beim Zerfallen einen Zustand erreicht, der nicht mehr instabil ist.

 

Kernkraft ist terror- und klimaanfällig

Wer sich trotz der Risiken eines Super-Gaus für Kernenergie entscheidet, muss auch bedenken: Atomkraftwerke sind potenzielle Ziele für Terroristen. Die Technik lässt sich nur bedingt sichern. Eine große Gefahr droht mittlerweile vor allem durch Cyberangriffe. Darüber hinaus sind laut Weltklimarat Atomkraftwerke im Vergleich zu Solar- oder Windenergieanlagen anfälliger für Extremwetterereignisse. Kraftwerke mussten in den vergangenen Jahrzehnten bereits häufiger gedrosselt oder vorübergehend ganz abgeschaltet werden, weil das Kühlwasser aufgrund von Dürren und Hitze zu warm oder Mangelware war. Zuletzt war das während der Juli-Hitzewelle in Frankreich der Fall.

 



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