Nackte Haut am Nischel zog am Donnerstag die Blicke der Chemnitzerinnen und Chemnitzer auf sich: Die in Mühlau bei Chemnitz ansässige Wonneberger Manufaktur machte für eine Fotostrecke unter anderem am Chemnitzer Wahrzeichen Halt, um ihre neue Ibiza-Kollektion in Szene zu setzen. Das mittelständische Textilunternehmen hat sich auf die Produktion hochwertiger Erotik-Bodywear für Menschen diverser sexueller Orientierung spezialisiert. Im Juni beteiligt sich die Manufaktur erstmals am internationalen Festival "Ibiza Gay Pride". Mehr als 50.000 Teilnehmer aus der LGBTQIA-Szene werden dafür in Ibiza Stadt erwartet.
"Textilregion erfindet sich neu"
"Die indirekt vermittelte Botschaft lautet: Chemnitz ist vielgestaltig und bunt. In für unsere Branche schwierigen Zeiten setzt das Unternehmen zugleich ein Zeichen dafür, dass unsere traditionsreiche sächsische Textilregion lebt und sich immer wieder neu erfindet", kommentierte Jenz Otto, Hauptgeschäftsführer des Verbands der Nord-Ostdeutschen Textil- und Bekleidungsindustrie, die Aktion. "Viele unserer Firmen haben während der Corona-Krise ums Überleben gekämpft. Auch die Wonneberger Manufaktur hat Masken und Schutzkittel produziert. Jetzt kann sie sich wieder auf ihr Kerngeschäft konzentrieren." Die Inhaber Claudia und Jörn Wonneberger sind studierte Textil- und Modedesigner. 2015 übernahmen sie in Mühlau eine bestehende Modefirma, deren Geschichte bis 1878 zurückreicht. Sie entwickelten ihren eigenen Stil inklusive der Eigenmarken "Wojoer", "Neonon" und "Welovitate".
Abmahnung wegen Chemnitz-Edition
Einen Wermutstropfen hatte die Aktion am Nischel trotzdem. "Eigentlich wollten wir auch unsere in den Regenbogenfarben gehaltene Chemnitz-Edition in das Shooting mit einbeziehen, die bereits während der Corona-Pandemie entstanden ist, als alle Modehersteller ums Überleben kämpften. Ein Anwaltsschreiben hat uns einen Tag zuvor aber einen Strich durch die Rechnung gemacht", erläutert Jörn Wonneberger. Grund: Die Edition ähnelt zu sehr den Farben des eins-Schornsteins, was nun eine Abmahnung nach sich zog. Die ganze Aufregung scheint überspitzt, schließlich ist das Riesen-Kunstwerk doch ein verbindendes Element in Chemnitz. Ein großes Unternehmen wie eins könnte Nutzen daraus ziehen, gemeinsam mit der Kulturhauptstadt viele kreative Zwerge zu einem Design-Wettbewerb zu animieren und zu Erzeugnissen aufrufen, die Chemnitz unverwechselbar machen. Die Wonnebergers hoffen nun darauf, nicht nur über Anwälte, sondern persönlich mit der eins-Geschäftsführung in Kontakt zu kommen.
Manufaktur liefert in die ganze Welt
Jörn Wonneberger tourte in den 1990er Jahren als Go-Go-Tänzer durch Deutschlands Großraumdiskotheken. Während dieser Zeit hatte er zahlreiche Begegnungen mit Menschen unterschiedlicher Provenienz in Bezug auf Ihre Körperlichkeit und ihr sexuelles Selbstverständnis. In Künstlergarderoben sammelte er wertvolle Erfahrungen, was deren Ansprüche an Bodywear betraf. Damals ahnte er nicht, dass das ein Grundstein für seine spätere Modedesign-Karriere ist und er einmal mit seiner Ehefrau Claudia ein Modeunternehmen führen wird. "Bei uns läuft der Produktionsprozess von Idee und Design über die Schnitterstellung, den Zuschnitt, die Näherei und den Vertrieb unter einem Dach", erläutert Claudia Wonneberger. Die dehnbaren und oft hoch veredelten Strick- und Wirkstoffe kommen aus Italien, Frankreich und Portugal, da sich in Deutschland für Wonneberger keine geeigneten Anbieter finden. Die Nähgarne bezieht die Firma vom sächsischen Hersteller Alterfil in Oederan. Zudem gibt es Kooperationen mit leistungsstarken Textildruckereien in der Chemnitzer Region. Das gegenwärtig zwölf Mitarbeitende zählende Modeunternehmen beliefert sowohl den Großhandel als auch individuell ordernde Kundschaft. Die Online-Bestellungen kommen sowohl aus großen Metropolen als auch vom Lande. Jedes fünfte Erzeugnis geht in den Export, insbesondere in die USA, nach Kanada und in die Niederlande.