Chemnitz. Das DemenzNetz_C hat anlässlich des Weltalzheimertages im Chemnitzer Kino "Metropol" am Samstag eine Veranstaltung unter dem Motto "Demenz - Gemeinsam. Mutig. Leben." durchgeführt. Fast 300 Teilnehmer - darunter waren neben Pflege-Mitarbeitern und -Azubis weiterhin allerhand pflegende Angehörige sowie einige Demenz-Erkrankte - fanden sich im imposanten Kino und erlebten ein kurzweiliges Programm. Den Anfang übernahm Autor und Coach Daniel De Paola mit einem informativen Vortrag, ehe eine interessante Podiumsdiskussion sowie das preisgekrönte Theaterstück "Du bist meine Mutter" von Achim Conrad folgten. Dazu waren im Kino-Foyer diverse Informationsstände aufgebaut.
Kino als Kulisse
Bereits zum fünften Mal fand diese Veranstaltung im "Metropol" statt, worüber sich Maret Wolff sehr freute: "Genau das genau zeigt die Wichtigkeit dieser Arbeit: die Chance für Betroffene und Angehörige - aber vielleicht auch für jene, die noch gar nichts mit Demenz und Alzheimer zu tun hatten, zusammenzukommen, sich auszutauschen und zu informieren. Ein Kinobesuch ist vor allem für schwierige Themen ein niederschwelliges Angebot, am gesellschaftlichen Leben teilzuhaben und seinen Horizont zu erweitern, ob mit Film oder - wie am Weltalzheimertag - mit einem bewegenden Theaterstück." Nach den einleitenden Worten wünschte die Kino-Betreiberin den Teilnehmern ein "schönes Gemeinschaftserlebnis".
Dem DemenzNetz_C war es vor allem wichtig, neue Erkenntnisse zu liefern und den Fokus nicht ausschließlich auf die reine Wissenschaft zu legen - und das wurde bereits mit dem informativen Vortrag von De Paola (https://www.danieldepaola.de/), der den Titel "Familie im Ausnahmezustand und neue Wege zu einer neuen Normalität" trug, mehr als ersichtlich. Der gebürtige Chemnitzer ermutigte und sensibilisierte mit seinen Worten nachhaltig.
De Paola: "Ein Herz wird nicht dement!"
"Ihre Resonanz spiegelt die Wichtigkeit dieses Themas dar und zeigt, dass keiner mit Demenz allein ist", fing De Paola seinen 90-minütigen Vortrag an und sprach in diesem über den Umgang mit der unberechenbaren Krankheit. So besteht das Leben aus einer Vielzahl an Kurzgeschichten, die bei jedem - vor allem im Herz, denn das vergisst nicht - Spuren hinterlässt und damit einen großen Schatz an Erinnerungen beherbergt. Das Lieblingslied, ein bestimmtes Karten- bzw. Brettspiel oder andere kleine Dinge des Lebens, wie das Puddingessen, können bei Demenz-Erkrankten ein positives Gefühl auslösen. Der erste Feel-Good-Master-Coach hat aber gleichfalls für die pflegenden Angehörigen einen Rat: "Vergessen Sie sich bitte selbst nicht und haben Sie Mut, Hilfe zu suchen und diese auch anzunehmen." Die Stadt Chemnitz hat diesbezüglich mit dem "Seniorenleitfaden" (https://www.chemnitz.de/chemnitz/media/aktuell/publikationen/downloads/seniorenleitfaden_2024.pdf) einen Wegweiser zu den Angeboten erstellt.
Podiumsdiskussion mit Men- & Women-Power
An der anschließenden Podiumsdiskussion nahmen neben De Paola weiterhin Dipl.-Med. Matthias Forbrig (Chefarzt Geriatriezentrum Klinikum-Chemnitz), Lars Zeißig (Bereichsleiter der Z&L Unternehmensgruppe), Manuela Neubert (Ergotherapeutin) und Stefanie Thormann (Mitarbeiterin Sozialamt Chemnitz) teil. Die Moderation oblag Sebastian Thieswald (geschäftsführender Gesellschafter ASPIDA). Die fünf Podiumsteilnehmer gaben allesamt hilfreiche Tipps und Hinweise und beantworteten die zahlreichen demenz-sensiblen und konstruktiven Fragen aus dem Publikum.
Eine davon war, ob es einen richtigen Zeitpunkt, um sich zu outen. Der österreichische Lehrer und Schriftsteller Ernst Ferstl würde diese Frage folgendermaßen beantworten: "Offenheit ist ein Schlüssel, der viele Türen öffnen kann." Eine Möglichkeit, um zu testen, ob eine demenzielle Entwicklung vorliegt, ist folgende: Mit dem Geldzähltest nach Nikolaus werden sowohl die feinmotorischen als auch die kognitiven Fähigkeiten bewertet. Besteht der Patient diesen Test nicht, sollte ein Haus- oder Facharzt konsultiert und mit dem Demenz-Vermutung konfrontiert werden.
Die Diskussion zwischen Publikum und Podium verlief sachlich und ehrlich und war zielführend und lösungsorientiert. "Wir kämpfen zusammen weiter", betonte Zeißig, Vorstandsmitglied der Landesinitiative Demenz Sachsen e.V., worüber bei allen Podiumsteilnehmern Einigkeit herrschte.
Eine Geschichte, die zu Herzen geht.
Dass Theater und Kino perfekt harmonieren, zeigte Achim Conrad mit dem preisgekrönten Theaterstück "Du bist meine Mutter", in dem er auf sehr bewegende, bedrückende und berührende Art die sich durch Demenz verändernde Mutter-Sohn-Beziehung darstellt. Conrad schlüpft dabei auf der Bühne in beide Rollen - und spielt diese eindrucksvoll, und zwar: den Sohn, die Mutter, aber auch die Räume, vorbeigehende Spaziergänger, Wärme, Kälte, also alles. In dem Mutter-Sohn-Dialog, welcher in einem Pflegeheim mit angeschlossenen Garten spielt, baut der Schauspieler unglaublich viele wichtige Aspekte ein. Das beginnt mit dem An- und Auskleiden der Mutter und setzt sich mit dem traditionellen Puddingessen der beiden fort. Der Dialog wechselt zwischen Erinnern und Vergessen, ist als ein ständiges Hin und Her zwischen den positiven und negativen Gefühlswelten. Das lebensnahe Theaterstück zeigt exemplarisch, wie die Demenz die Beziehung zwischen Menschen sowie das Verhältnis zwischen den Generationen verändert. Was aber unverändert bleibt: "Du bist meine Mutter" - und bleibst es für immer!
Senioren haben einen Platz in der Chemnitzer Stadtgesellschaft
Das Demenznetz_C war mit der Resonanz mehr als zufrieden. Ina Platzer, Pflegekoordinatorin der Stadt Chemnitz, blickte zurück und zugleich voraus: "Im Jahr 2012 haben wir ganz klein und mit nicht einmal 50 Teilnehmern angefangen, jetzt füllen wir fast das Metropol-Kino komplett aus. Gern möchten wir auch im Kulturhauptstadtjahr wieder unseren Beitrag leisten."
Apropos Kulturhauptstadt: Das Chemnitzer Kulturhauptstadtkino "Metropol" ist Teil des europäischen Filmfestivals der Generationen und bietet seit mittlerweile Februar jeden letzten Mittwoch im Monat eine gesellige Vormittagsveranstaltung speziell für ältere Menschen an. Die konzipierte Filmreihe "Fokus 2025: Generationen" beschäftigt sich thematisch ausschließlich mit der Lebenswirklichkeit älterer Menschen, schafft ein gemeinsames Filmerlebnis und fördert bei Snacks und Getränken nach dem Film den Austausch in angenehmer Atmosphäre. Während der Film, welcher am 30. Oktober gezeigt wird, noch ein Geheimnis ist, steht mit "Enkel für Fortgeschrittene" der Film für den 27. November bereits fest. Start ist jeweils um 11 Uhr. Aufgrund des regen Zuspruchs der Chemnitzer Senioren und Seniorinnen soll die Reihe 2025 fortgesetzt werden. Beliebt es ferner das Kinderwagenkino "Babypol", welches fast jede Woche am Mittwochvormittag um 11 Uhr stattfindet und bestens für Großeltern geeignet ist. Im "Metropol" erhalten Rentner zudem eine Ermäßigung auf alle Kino-Filme.