Es ist wohl der kontroverseste Film der letzten Wochen. Der Erotikfilm "Pleasure" macht aktuell in Deutschland auf sich aufmerksam, da er seit wenigen Tagen auf Amazon Prime verfügbar ist. Bereits im Februar 2021 feierte der 108-minütige Film der schwedischen Regisseurin Ninja Thyberg auf dem Sundance Film Festival in den USA Premiere, nachdem die Filmfestspiele in Cannes im Jahr zuvor wegen der Pandemie ausgefallen waren. Anfang 2022 war "Pleasure" dann in den deutschen Kinos, erregte aber erst jetzt die Aufmerksamkeit der breiten Zuschauerschaft.
Doch warum ist der Film in aller Munde?
Der Film thematisiert nämlich die heutige Pornoindustrie. Viele Menschen schauen Pornos, aber kaum einer redet darüber. Das wollte Ninja Thyberg ändern. Doch zunächst mal ein paar Worte zur Handlung: Die 19-jährige Linnea (Sofia Kappel) aus Schweden möchte der nächste große Pornostar werden und reist nach Los Angeles, um in der Branche Fuß zu fassen. Doch der Weg dorthin erweist sich für die junge Frau als ungemein steinig. Zwar erhält Linnea schnell erste Aufträge, doch das Pornobusiness ist schonungslos. Unter dem Pseudonym "Bella Cherry" erkennt sie schnell, dass sie nur eine Chance hat, in dieser Branche zu überleben, wenn sie ausnahmslos alles tut, was von ihr verlangt wird. Doch wie weit ist sie bereit zu gehen?
Die Sicht umkehren
"Pleasure" zu Deutsch "Vergnügen" zeigt schonungslos und mit sehr realistisch wirkenden Szenen die amerikanische Pornoindustrie. "Mein Ziel war es die Machtstrukturen in der Branche zu zeigen", erklärte die Regisseurin. Über ihre Inspiration einen solchen Film zu machen sagte Ninja Folgendes: "Ich interessiere mich seit meiner Jugend für den männlichen Blick, also die Frage, wie viel in unserer Kultur aus männlicher Perspektive erzählt wird. Wir sind uns dessen meist gar nicht bewusst. Auch wir Frauen haben diesen Blick verinnerlicht, wir betrachten die Welt aus einer männlichen Perspektive. Die Pornoindustrie war der perfekte Schauplatz, um aus einer weiblichen Sichtweise diesen "männlichen Blick" zu entlarven."
Dies tat sie, indem sie die Perspektive umkehrte. "Die Kamera nimmt oft die Perspektive der Hauptfigur Bella ein. Wir sehen den Mann hinter der Kamera, also das, was Bella sieht, wenn sie während eines Pornodrehs Sex hat. Im Porno dagegen sehen wir oft alles durch die Augen des Mannes. Der Zuschauer wird so unwillkürlich zu der Person, die die Frau fickt. "Pleasure" zeigt keinen echten Sex, keine Penetration, wir sehen kaum Vaginas. Aber ich zeige steife Penisse. Mit denen arbeitet die Hauptfigur Bella einfach. Das zu verstecken würde bedeuten, ihrer Geschichte nicht gerecht zu werden. Irgendwie provoziert es mich, dass es so ein großes Ding sein soll, Penisse zu zeigen, aber gleichzeitig sehen wir überall nackte Frauen. Der Film entlarvt das."
Was ist Fiktion und was Realität?
Es war die erste große Rolle für Sofia Kappel und die Schauspielerin sagte selbst, sie wollte zunächst nicht am Casting teilnehmen als sie die Anfrage bekam. Die Challenge hat sie allerdings gereizt. "Man sieht mich nicht so nackt im Film, wie alle denken. Die Fantasie tut ihr Übriges." Jeder am Set habe sich gut um sie gekümmert. Das ist auch wichtig, da man als Zuschauer immer wieder ins Zweifeln kommt, wie viel "geschauspielert" manche Szenen sind. Die Linie zwischen Fiktion und Realität scheint zu verschwimmen. Gerade in den Hardcore-Szenen fragt man sich schnell, ob alles geschauspielert ist oder ob sich Sofia wirklich unwohl fühlte. Sie selbst sagt, sie habe sich in der Strapon-Szene, in der sie eine andere Frau vögelt, am unwohlsten gefühlt.
Echte Pornogrößen sind dabei
Dem geübten Pornokonsument fällt im Film wohl aber noch eine Besonderheit auf - nämlich, dass echte Größen aus der Industrie eigene Rollen bekommen haben, sich teils selbst spielten, wie Aaron Thompson oder Lance Hart. Aaron, der vor allem durchs eine Vielzahl an Tattoos auffällt und der schon mehrfach als "Male Performer of the Year" ausgezeichnet wurde, spielt eine BDSM-Szene mit Sofia. Dass echte Größen dabei sind, lässt den Film noch realistischer wirken.
Fazit
Der Film ist nicht für jeden was. Der Zuschauer muss einiges abkönnen und aushalten. So entwickelt sich eher ein Drama als ein Porno. Die Hauptfigur muss sich durch Erniedrigung, Ekel und Belästigung kämpfen. Sie erfährt Enttäuschung und Hinterhalt. "Pleasure" geht durch seine Realitätsnähe sehr an die Substanz. Ob Linnea den Durchbruch in L.A. schafft oder die Segel kippt, erfahrt ihr nur im Film. Zu sehen ist er aktuell im Amazon Prime Abo.