Das Wochenende war ja mal wieder ganz schön ereignisreich. Nicht nur der 56. Superbowl, das größte Sportevent der USA, fand statt, Deutschland schaute auf die Wahl des Bundespräsidenten. Mich selbst tangierte jedoch ein anderes Thema, ein kulturelles Thema, wo dem Publikum Mitspracherecht vorgegaukelt wurde und wo letztendlich drauf gesch***** wurde. Verzeiht meine Wortwahl, aber ich musste einen neuen Kommentar zu diesem Zirkus schreiben:
Was war passiert?
Am Donnerstagmittag hatte der NDR die sechs Kandidaten des deutschen Vorentscheids für den Eurovision Song Contest vorgestellt. Daraufhin überschlugen sich die Kommentare in den sozialen Netzwerken mit einem sehr einheitlichen Konsens: Die sechs Songs, die die Jury aussuchte, wären generisch und zu langweilig. Dem stimme ich übrigens zu. Doch viel mehr kritisieren die ESC-Fans, dass die Metalcoreband Eskimo Callboy trotz Bewerbung, die mit über acht Millionen Aufrufen auf Youtube überzeugte, nicht dabei war. Das Publikum war erzürnt und die Kommentarspalten des ESC und des NDR füllten sich mit Bitten, der Band eine Wildcard als siebten Act zu geben. Sogar eine Petition wurde gegründet, die zum Sonntagabend 80.000 Unterschriften hatte. Eskimo Callboy selbst hatten am Donnerstagabend mit einem witzigen Statementvideo die Absage hingenommen. Der Song wäre nicht "radiotauglich" genug. Ich frage mich, warum dieses Kriterium wichtig ist, wenn das Publikum das Lied viel besser findet als die anderen Songs. Das Statement landete auf Anhieb in den Youtube- und Twittertrends. Es haben sogar Menschen eigene Statements auf Youtube gepostet und ich frage mich, warum der NDR nicht handelt.
Der Aufschrei der Fans ging viral
Egal, was die deutsche ESC-Seite in den letzten Tagen gepostet hat, die Kommentare waren voll mit empörten Fans. Zurecht, wie ich finde, auch wenn man das Ganze als übertrieben ansehen könnte, es geht hier ums Prinzip. In der Pressekonferenz am Donnerstag sagten die Verantwortlichen nämlich, es wäre ihnen am wichtigsten gewesen, dass Deutschland den Song, der für Turin gewählt wird, liebt und feiert, sodass der Kandidat oder die Kandidatin mit einer Menge Unterstützung und Rückenwind in den Wettkampf ziehen kann. Anders also, als in den letzten Jahren, wo es viel Kritik von der eigenen Bevölkerung gab. Aber hat der NDR daraus gelernt? Nein. Stattdessen hat er tagelang still geschwiegen, um den Aufschrei, mit dem er wahrscheinlich nicht gerechnet hatte, auszusitzen. Zumindest fast.
Der NDR äußert sich nach mehreren Tagen endlich
Am Sonntagmittag ging dann ein kleines Statement online, was in meinen Augen sehr lächerlich und substanzlos ist. Andreas Gerling, ESC-Teamchef des NDR: "Von den 944 Bewerbungen kamen 26 in die engere Wahl, die sich der deutschen ESC-Jury in Berlin live präsentiert haben, darunter auch die Band Eskimo Callboy. Nach langen Gesprächen und dem Abwägen von Für und Wider hat die Jury aus diesen 26 Bewerbungen sechs Künstlerinnen und Künstler für den ARD ESC-Tag nominiert. Es ist ein Wettbewerb mit einer Jury-Entscheidung, das war den Bewerberinnen und Bewerbern vorab bekannt. Gleichwohl nehmen wir die Kritik ernst. Die Initiatorinnen und Initiatoren der Petition, die sich für die Nominierung der Band Eskimo Callboy einsetzen, möchte ich zu einem persönlichen Austausch einladen über den ESC-Auswahlprozess und Zukünftiges. Das Gleiche gilt für die in Clubs organisierten ESC-Fans - auch mit ihnen möchte ich ins Gespräch kommen. Und nun lasst uns die sechs Künstlerinnen und Künstler, die in den Wettbewerb um das ESC-Ticket gehen, mit aller Kraft unterstützen!"
Soll das ein Witz sein?
Nein, lieber NDR, ihr habt die Kritik offensichtlich nicht verstanden! Das Statement macht mich so sauer. Warum sollte man sich denn als großen Rundfunksender einen Fehler eingestehen und auf die Öffentlichkeit hören. Pff. Es wollte ja auch niemand, dass die anderen Kandidaten nicht auftreten. Es wurde lediglich ein siebter, etwas auffälliger, besonderer Act gewünscht, denn Vielfalt war bisher nicht vorhanden. Ob dieser dann im Vorentscheid tatsächlich gewählt worden wäre, war ja auch nicht klar. Wie dem auch sei, es gibt scheinbar keine Hoffnung mehr für Eskimo Callboy, die ESC-Community ist desillusioniert und erwartet wieder eine hintere Platzierung. Ich werde wohl wieder die anderen Länder in diesem Jahr unterstützen und mit ihnen mitfiebern und habe schon gar keine Lust mehr, mir diesen deutschen Vorentscheid am 4. März überhaupt anzuschauen. Mir tun auch die Künstler leid, die diesen Shitstorm auf ihre Songs abbekommen haben. Lieber NDR manchmal ist Weitsicht besser als Kurzsicht. Nicht immer den eigenen Stiefel durchziehen, wie ein trotziges Kind sondern vielleicht auch mal auf die Leute hören, wenn es doch um sie geht. Es ist übrigens noch nicht zu spät einzulenken, aber darauf können wir wohl lange warten.