Ingo Lenßen, der Anwalt mit dem markanten Schnauzer, kommt zurück, und er hat Verstärkung dabei. Im neuen Format "Lenßen hilft" stehen ihm zwei Anwälte zur Seite: Lisa Cramer aus Berlin und Lennart Hartmann, ehemaliger Fußball-Profi bei Hertha BSC. Dabei versucht das Team keine spektakulären Verbrechen zu lösen, sondern nimmt sich alltägliche Probleme vor, wie sie jeden treffen können: Was ist, wenn der Mobilanbieter zu viel abrechnet, der Kindsvater keinen Unterhalt bezahlt oder die Wohnung von Schimmel befallen ist und der Vermieter nichts dagegen unternimmt? - Um die rechtliche Missstände aufzudecken, war das Team mit dem "Gerechtigkeitsmobil", einem zur mobilen Kanzlei ernannten Bus, auf den großen Plätzen Berlins unterwegs und hat vor Ort Rat und Hilfe angeboten. Aus diesen realen Problemen sind schließlich die fiktionalen Fälle geworden, die sich Lenßen in den 120 Folgen der neuen Serie vornimmt. "Die Menschen kommen zu uns, schildern uns ihr Problem, und wir versuchen, es zu lösen", fasst Ingo Lenßen im Interview die Struktur der Sendung zusammen. Der Blick auf die Paragraphen ist ihm dabei nicht genug. "Ich will wissen, was die Menschen bewegt", stellt der Anwalt klar, was ihm an seiner Arbeit besonders wichtig ist.
SAT.1 zeigt "Lenßen hilft" montags bis freitags als Doppelfolge. Die Staffel startet am Montag, 11. November, um 16 Uhr.
teleschau: Lennart Hartmann war Profifußballer bei Hertha BSC. Sie haben in Deutschland und der Schweiz als Eishockey-Trainer gearbeitet, waren einst selbst aktiver Spieler und sind nun Mitglied des DEL-Schiedsgerichts. Gibt es Parallelen zwischen Sport und der Rechtswelt?
Ingo Lenßen: Neben der Bereitschaft zur unbedingten Leistungsfähigkeit ist das Prinzip der Fairness eine wichtige Parallele. Im Sport lernt man, nicht nur seine Mitspieler, sondern auch die Gegenspieler zu respektieren. Das wird schon den Amateuren eingeimpft, den Profis ganz besonders. Ich glaube, dass dieses Verständnis für das Verhalten des Gegenspielers, aber auch des Mitspielers, in der juristischen Arbeit ebenfalls von großer Bedeutung ist. Es hilft, sich in die Lage der Gegenseite zu versetzen und ihre Beweggründe zu verstehen. Denn darin liegt oft der Schlüssel zu einer fairen und einvernehmlichen Lösung. Und genau diese Haltung bildet ja auch den Kern unserer neuen Sendung: Wir wollen eine Verständigung zwischen Menschen herstellen, die aus unterschiedlichen Positionen auf eine rechtliche Situation blicken und unterschiedliche Auffassungen haben.
teleschau: Wieso sind Sie Anwalt geworden?
Lenßen: Zwei Erlebnisse haben mich besonders geprägt. Zum einen war ich als Schüler Zuschauer im Majdanek-Prozess, in dem hauptsächlich Frauen als ehemalige KZ-Wächterinnen angeklagt waren. Dort habe ich beobachtet, wie eine jüdische Frau im Zeugenstand weinend zusammenbrach, weil sie selbst nach all den Jahrzehnten in der Gegenüberstellung mit der Angeklagten erneut das Gefühl hatte, Opfer zu sein. Dabei war sie als Zeuge im Gericht und eigentlich im Recht. Das hat mich tief bewegt. Es hat bei mir Mitgefühl ausgelöst und Fassungslosigkeit darüber, dass Menschen Unrecht widerfährt.
teleschau: Und das zweite Erlebnis?
Lenßen: Ein Strafverteidiger aus Krefeld hat seine Autotür geöffnet, als ich mit dem Fahrrad vorbeigefahren bin. Ich bin gestürzt, habe mich verletzt und meine Kleidung war zerrissen. Der Mann hat sich 1.000-mal entschuldigt, hat sich versichert, dass es mir gut geht und sich meine Adresse geben lassen. Zwei Wochen später kam er persönlich vorbei, hat mit meinen Eltern und mir geredet und gefragt, wie er das alles wiedergutmachen könne. Dass jemand unumwunden zu einem Unrecht steht, selbst wenn der Vorfall keine Absicht war, und aufrichtig die komplette Verantwortung dafür übernimmt, hat mir sehr imponiert.
"Wir versuchen, nicht nur die Rechtslage durchzusetzen"
teleschau: Wie unterscheidet sich "Lenßen hilft" von Ihren bisherigen Formaten?
Lenßen: Der auffälligste Unterschied ist, dass ich nun von zwei Anwälten begleitet werde, die gemeinsam mit mir Menschen beraten und unterstützen. Bisher standen mir Personen zur Seite, die keine juristischen Kenntnisse hatten und eher auf der zwischenmenschlichen Ebene Hilfe leisteten.
teleschau: Wie wirkt sich diese Zusammenarbeit auf das Format aus?
Lenßen: In "Lenßen hilft" rücken wir das rechtliche Problem und seine Lösung stärker in den Vordergrund. Während die früheren Formate oft von Spannung und überraschenden Wendungen bestimmt waren, legen wir nun größeren Wert auf den menschlichen Faktor, auf Aufklärung und die Vermittlung von rechtlichen Zusammenhängen. Wir versuchen, nicht nur die Rechtslage durchzusetzen, sondern wir möchten verstehen, warum die Beteiligten so handeln, um im Anschluss bestenfalls zu einer einvernehmlichen Lösung zu gelangen.
teleschau: Können Sie ein Beispiel nennen?
Lenßen: Ein typischer Fall könnte sein, dass ein Vater sein Umgangsrecht nicht wahrnimmt, weil er sich nicht für sein Kind interessiert. Juristisch wäre es interessant, über die Rechte und Pflichten der Eltern zu sprechen, über den Unterschied zwischen Sorgerecht und Aufenthaltsbestimmungsrecht und darüber, ob solche Ansprüche durchsetzbar sind. In unserer Sendung geht es jedoch nicht nur um die juristischen Fragen. Wir beleuchten auch die psychologischen Aspekte, die die Menschen zu solchen Entscheidungen bewegen. Wir wollen erklären, warum das so ist. Was ist da vorgefallen? So wird nicht nur das Verhalten des Einzelnen aufgezeigt, sondern auch erläutert, wie man den Betroffenen näherbringen kann, was juristisch und moralisch richtig wäre.
"Viele Menschen fühlen sich vom Rechtssystem benachteiligt"
teleschau: Wie sieht die Zusammenarbeit im Team aus?
Lenßen: Jeder von uns bringt seine eigenen Stärken und Spezialgebiete ein. Neben mir sind die beiden Anwälte Lennart Hartmann und Lisa Marie Cramer im Team. Frau Cramer bringt viel Wissen aus dem Familienrecht mit ein, während Herr Hartmann einen besonderen Zugang zur jüngeren Generation findet und sein Spezialgebiet im IT-Recht hat. Entsprechend nehmen beide Aufgaben wahr, die ihnen nahe sind. Ich selbst behalte den Überblick, koordiniere und halte die Fäden in der Hand. So ergänzen wir uns und decken gemeinsam ein breites Spektrum ab.
teleschau: Glauben Sie, dass Sendungen wie "Lenßen hilft" dazu beitragen, mehr Verständnis für das deutsche Rechtssystem zu schaffen?
Lenßen: Das wäre wünschenswert. Viele Menschen fühlen sich vom Rechtssystem benachteiligt oder glauben, dass sie gegen große Institutionen keine Chance haben. In unserer Sendung wollen wir zeigen, dass es sich lohnt, für seine Rechte einzutreten. Stellen Sie sich einfach einmal vor, ein Bürgergeld-Antrag oder ein Wohngeld-Gesuch wird abgelehnt. Manchmal trauen es sich die Menschen nicht, ihre Rechtsansprüche durchzusetzen. Hier ist es wichtig, den Menschen aufzuzeigen, dass Kämpfen sich oftmals lohnt. Auch wenn die Versicherung den Schaden nicht bezahlen will, denken viele: "Gegen die große Versicherungsgesellschaft kannst Du Dich nicht wehren, da verlierst Du immer." Um einen rechtlichen Anspruch durchzusetzen, ist es aber wichtig, zu sagen: "Ich lasse mir das so nicht gefallen. Ich glaube, ich bin im Recht und möchte, dass das durchgesetzt wird." Dieses Verständnis wollen wir fördern.
teleschau: Dann arbeiten Sie sozusagen anwenderorientiert?
Lenßen: Genau. Wir erklären nicht nur juristische Sachverhalte, sondern bieten auch praktische Hinweise, wie man seine Ansprüche durchsetzen kann. Unter anderem wird es Texte geben, die erklären, welche Rechtsposition verwirklicht wurde. Aber auch Service-Momente wie Erläuterungen zu Rechtsgrundlagen oder Hinweise auf Opferschutzorganisationen.
"Im Grunde genommen empfinde ich das System als gerecht"
teleschau: Haben Sie als Anwalt überhaupt Feierabend, oder sind Sie selbst zu später Stunde versucht, die Initiative zu ergreifen und etwas zu ändern?
Lenßen: Der Feierabend existiert oft nur theoretisch, denn praktisch wirkt das Berufliche oft noch nach. Beispielsweise hat mich jemand während eines Drehs um Rechtsrat gebeten. Der Mann sollte seine Wohnung verlieren, weil er die Miete nicht zahlen konnte. Da ich beschäftig war, habe ihm nur kurz zugerufen, dass er auf die Kündigungsfristen achten müsse und sich am besten einen Fachanwalt suchen solle. Im Weggehen hat mir der Mann noch zugerufen: "Ich zahl da 600 Euro für zwölf Quadratmeter!" Da ich den Kopf so voll hatte, habe ich das leider zu spät realisiert. Denn dieser Preis ist Wucher, der Mann kann einen Großteil der bezahlten Miete zurückverlangen. Leider haben wir ihn nicht mehr angetroffen und konnten ihm das nicht mehr mitteilen. Solche Fälle beschäftigen mich dann weit über den Feierabend hinaus.
teleschau: Ist es möglich, als Anwalt sowohl die rechtliche als auch die emotionale Seite eines Falles zu berücksichtigen?
Lenßen: Das muss jeder Anwalt für sich entscheiden, aber ich erlaube mir, die emotionale Seite bewusst an mich heranzulassen. Es spornt mich an und gibt mir eine tiefere Einsicht in die Situation meiner Mandanten und der Gegenseite. Ich will wissen, was die Menschen bewegt, sonst ist der Job für mich langweilig. Nehmen wir zum Beispiel an, dass sich ein Vater nicht um sein Kind kümmert. Man könnte den Sohn dabei unterstützen, sein Umgangsrecht einzuklagen. So ist die rechtliche Situation, die meiner Meinung nach aber keinen Sinn machen würde.
teleschau: Das stimmt ...
Lenßen: Richtig wäre es, stattdessen dem Vater ins Gewissen zu reden. Man müsst ihm sagen: "Weißt Du, wie sehr dein Sohn darunter leidet?" und "Hast Du nicht durch die Zeugung dieses Kindes die Pflicht, Dich um Deinen Sohn zu kümmern und ihm zu zeigen, dass Du Dich für ihn interessierst?" Vielleicht kann man ihm im Gespräch vermitteln, wie wichtig es ist, dass er seinen Sohn beim Aufwachsen unterstützt. Man müsste also versuchen, dem Vater klarzumachen, welche Verantwortung er gegenüber seinem Kind hat, anstatt rechtliche Schritte zu erzwingen. Das steht aber nicht im Gesetz.
teleschau: Sehen Sie Reformbedarf im deutschen Rechtssystem?
Lenßen: In einer Gesellschaft, die sich wandelt, gibt es immer Bereiche, die reformiert werden könnten. Insgesamt bin mit dem Rechtssystem in Deutschland aber sehr zufrieden. Es ist ausgewogen und funktioniert gut, auch wenn manche Prozesse sicherlich schneller ablaufen könnten und wir manche Menschen zu lange auf ein Urteil warten lassen. Aber im Grunde genommen empfinde ich das System als gerecht.
teleschau: Zum Schluss eine private Frage: Sie waren Bartträger des Jahres, engagieren sich in der Anti-Drogenarbeit, unterstützen Kinder als auch Menschen mit Behinderung und wohnen am Bodensee. Das klingt nach einer Erfolgsgeschichte. Gibt es Ziele, die Sie in ihrem Leben noch erreichen wollen?
Lenßen: Eines meiner persönlichen Ziele ist es, meinen Sohn intensiver bei seiner Karriere als Profigolfer zu begleiten. Ich würde ihm gerne öfter die Golftasche tragen.