Entführt, Vermisst, Ermordet - Was steckt hinter der "Faszination True Crime"?

Kultur Egal ob Podcasts, Serien oder Bücher, das Thema ist omnipräsent

Jeffrey Dahmer, Ted Bundy und Ed Gian, fast jeder hat diese Namen schon einmal gehört, dies sind nur drei der bekanntesten Serienmörder der Welt. Jeffrey Dahmer erlangte seine Bekanntheit durch die True Crime Serie "Dahmer", die 2022 auf Netflix erschien und in der er über 450 Millionen Menschen in den Bann seiner grausamen Verbrechen zog. Ted Bundy - Selbstporträt eines Serienmörders. So lautet der Name der Netflix-Doku, die über "Amerikas schlimmsten Albtraum", den Mörder von mindestens 35 Mädchen und Frauen gedreht wurde und ebenfalls Millionen Menschen mit seinen Geschichten schockierte. Und Ed Gian? Seine Taten waren so verstörend, dass er als Vorlage für den Horrorfilm "The Texas Chainsaw Massacre" gilt.

Der True Crime Boom

Heutzutage erscheinen True Crime Stories in zahlreichen Medien. Ob in der ZDF Sendung "Aktenzeichen XY", in unzähligen Podcasts wie "Mord auf Ex" und "Mordlust" oder in Netflix-Dokumentationen über bekannte Serienmörder und populäre Mordfälle.  Die Menschen werden immer mehr von ihnen in den Bann gezogen und True Crime Stories werden immer beliebter. Hört oder liest man in Filmen und Serien die magischen Worte "beruht auf einer wahren Begebenheit" lässt dies die dahinterstehende Geschichte spannender wirken. Aber warum ist das so?

Sieben Gründe für die Beliebtheit von True Crime

1. Adrenalinkick

Der Mensch hat sich schon immer vom Gruseligen, Düsteren und Mysteriösen faszinieren lassen. Horrorfilme, egal ob realistisch oder nicht, begeistern Millionen und gehören zu einer der beliebtesten Filmkategorien. Sie lösen eine Vielzahl an Emotionen in einem großen Spektrum aus. Dies kann sich über Gefühle wie Ekel, Angst und Spannung bis hin zu Neugierde ziehen.

Viele lieben den Adrenalinkick, den Moment kurz vor einem Jump-Scare oder einer Offenbarung mit ungeahnter, dramatischer Wendung oder sie lassen sich von den skurrilen und grausamen Methoden, mit welchen der Mörder seine Opfer in den Filmen jagt und tötet, entsetzen. Vor allem fasziniert es aber, sich selbst in die Situationen, die von Krimis, Thriller und Horrorfilmen vorgegeben werden, hineinzuversetzen, sich über die eigenen möglichen Handlungen Gedanken zu machen und herauszufinden, wo die eigenen Grenzen liegen und wie man selbst auf grausame Situationen reagiert. Gedankliche Fragen wie: "Wie hätte ich selbst in so einer Situation gehandelt" oder "Was hätte ich anders gemacht" beschäftigen den Menschen und lassen ihn auch das eigene Leben reflektieren. Aber auch die Handlungen des Mörders werden hinterfragt. "Was bewegt einen Menschen dazu, zu lügen, zu betrügen oder gar zu morden? Was denkt der Mensch in diesem Moment? Zeigt er Reue? Was hat dieser Mensch erlebt, um so zu handeln

2. Fiktion oder Knallharte Realität 

Horrorfilme, Krimis oder Thriller sind meist Fiktion. Eine fiktive Person wird hier mit dem Übernatürlichen, Unheimlichen, mit extremer Gewalt, mit dem, was sich nicht erklären lässt oder mit dem puren Bösen konfrontiert. Und genau das ist das Besondere bei True Crime - Die Fälle sind real.

True Crime Storys sind keine Horrorfilme, Krimis oder Thriller. Sie bilden keine fiktive, sichere Umgebung, in der man sich mit kritischen Themen auseinandersetzt, ohne dass jemand zu Schaden kommt. Von plötzlichem Verschwinden, Entführungen und Überfällen, bis hin zu mysteriösen Morden. Es sind Einblicke in die Realität und die Herausforderungen des Strafrechtssystems. Diese Einblicke können dazu beitragen, das Bewusstsein für Verbrechen und deren Auswirkungen auf die Gesellschaft zu schärfen. Es werden reale Ereignisse mit realen Schicksalen und Verbrechen, die so wirklich passiert sind, wiedergegeben.

3. Die Faszination für das Verbrechen - besonders für die Fälle, die bis heute ungeklärt sind

True Crime Fälle bieten einen Einblick in die dunkle Seite der menschlichen Natur und ziehen die Zuschauenden in die tiefen Abgründe einer anderen menschlichen Seele. Dadurch bietet sich die Möglichkeit, sich mit den Motiven und Handlungen der Täter und Täterinnen auseinanderzusetzen. True Crime offenbart die Gedankenwelt der Menschen bevor, während und nachdem der Mord begangen wurde und hilft dabei, die Handlungen zu verstehen. Das ist übrigens auch aus psychologischer Sicht interessant, da man versuchen kann, die Motive und das Verhalten von Kriminellen zu verstehen und zu analysieren.

Kennt ihr diesen Moment, wenn man beim Lesen einer spannenden Geschichte den Atem anhält und die Seite nicht schnell genug umblättern kann, weil man vor Spannung fast zerrissen wird? Oder beim Schauen einer Serie nicht schnell genug auf den "nächste Folge" Button drücken kann, um zu erfahren, wie die Geschichte fortgesetzt wird? Genau das bietet True Crime. Der Nervenkitzel, der geliefert wird, wenn man mit den Ermittlern mitfiebert und versucht das Verbrechen für sich selbst aufzuklären. Wenn man versucht die Puzzleteile zusammenzuführen und den Fall schon während des Lesens oder Sehens zu lösen. Und dann natürlich auch die schockierende Wendung, wenn doch alles anders kommt als vorher gedacht. Es kann eine Art Rätsel sein, bei dem man versucht, die Beweise zu analysieren und den Täter zu identifizieren.

4. Warum wir uns von grausamen Verbrechen faszinieren lassen

Menschen sind von Natur aus neugierig und versuchen, die Welt um sie herum zu verstehen. Grausame Verbrechen widersprechen den Normen und Werten der Gesellschaft und wecken daher die Neugierde, sie zu erforschen und zu verstehen.

Es ist außerdem ein anderes Gefühl, einen Krimi zu lesen, der einen fiktionalen Fall beschreibt, als zu wissen, dass man gerade einen Mordfall nachliest, Charaktere und ihre Charakterzüge kennenlernt, aber immer im Hinterkopf behält, dass diese Menschen wirklich verschwunden sind, entführt oder umgebracht wurden. Dieses Gefühl, dass diese Menschen nicht mehr leben und sich nicht nach dem "Cut" im Filmstudio breit grinsend über die gelungene Szene freuen. Nicht zu vergessen, das beklemmende Gefühl, wenn man sich vorstellt, wie es sich anfühlen würde, wenn man selbst diese Person gewesen wäre.

Besonders faszinieren die ungelösten Kriminalfälle. Die, über die man noch nachdenkt, nachdem die Story beendet wurde. Den das sind die Fälle, bei denen man sich im Nachgang Gedanken über die Opfer macht, sich fragt was mit diesen passiert ist und eigene Theorien aufstellt. Aber egal wie viel man darüber nachdenkt, der innere Wunsch, zu erfahren, was aus diesen Menschen geworden ist wird wohl nie erfüllt.

5. True Crime als Spiegel der Gesellschaft

True Crime Fälle zeigen, dass Verbrechen jedem jederzeit und überall passieren können. Darüber hinaus erzählen sie oft auch von sozialen, politischen oder wirtschaftlichen Umständen, die zu bestimmten Verbrechen geführt haben. Sie zeigen, wie Ungleichheit, Vorurteile, Armut und Korruption Menschen dazu treiben können, kriminelle Wege einzuschlagen. Damit werfen sie auch einen kritischen Blick auf die Strukturen und Systeme unserer Gesellschaft. True Crime Geschichten wirken sich auf die öffentliche Wahrnehmung von Kriminalität aus. Durch die Berichte der Medien und Dokumentationen werden Fälle einer breiten Öffentlichkeit zugänglich gemacht, was zu einer erhöhten Aufmerksamkeit und Sensibilisierung für kriminelle Aktivitäten führen kann. Dies kann dann dazu beitragen, dass die Gesellschaft sich mit diesen Themen auseinandersetzt, diese diskutiert und mögliche Lösungsansätze findet.

Allerdings sollte auch beachtet werden, dass True Crime Geschichten eine Tendenz zur Sensationalisierung haben können. Sie können dazu führen, dass Verbrechen absichtlich übertrieben dargestellt werden, um ein breites Publikum anzusprechen. Dadurch können jedoch auch manche Aspekte der Realität missverstanden oder verzerrt werden.

6. Distanz

Distanz ist der Grund, wieso viele True Crime-Formate am Ende doch einen fiktionalen Rahmen erhalten. Wieso TV-Sendungen, die über True Crime berichten einen Erzähler haben, welcher diesem realen Entsetzen eine fiktionale Ebene hinzufügt. Die Distanz zu dem tatsächlichen Verbrechen muss gewahrt werden, weil wir den tatsächlichen Horror aus offensichtlichen Gründen nicht zu nahekommen lassen wollen. Wir wollen das Gefühl spüren, zu wissen, dass wir gerade nicht selbst in so einer Situation sind.

True Crime ist immer so weit weg, aber wie würden wir uns fühlen, wenn sich so eine Geschichte direkt vor der eigenen Haustür abspielt? Bei den Tätern könnte es sich um die eigenen Nachbarn handeln, um Menschen mit denen man früher zur Schule gegangen ist, die man täglich auf der Straße sieht. Menschen mit einem normalen Leben, die sich dann in grausame Monster verwandeln.

Durch das Lesen dieser Stories kann man sich in einer sicheren Umgebung mit heiklen Themen beschäftigen, ohne dass jemand, im Zweifelsfall man selbst, zu Schaden kommt. Der Mensch kann die Spannung und den Nervenkitzel genießen, ohne sich selbst in Gefahr zu begeben. Er kann über den Fall rätseln und sich in die Lage eines Ermittlers versetzen, ohne sich selbst die Hände schmutzig zu machen.

7. Kontroverse und Ethik: True Crime als Unterhaltung, Aufklärung oder Sensationsgier?

True Crime kann auch einfach unterhaltsam sein. Die Geschichten von Verbrechen und Ermittlungen können fesselnd und mitreißend sein, sie können schockieren und entsetzen…

Es ist wichtig anzumerken, dass True Crime auch kontrovers sein kann, da es manchmal als Sensationsjournalismus oder Ausbeutung von Tragödien angesehen wird. Die Darstellung von Verbrechen sollte immer respektvoll und ethisch erfolgen.



  Newsletter abonnieren

Euer News-Tipp an die Redaktion