Mit zwei gewonnenen Weltmeisterschaften und 14 Grand-Prix-Siegen gehört Dieter Braun zu den erfolgreichsten deutschen Motorrad-Straßenrennfahrern. Erfolgreicher waren nur Toni Mang (5 WM-Titel und 42 GP-Siege), Hans-Georg Anscheidt (3 WM-Titel und ebenfalls 14 GP-Siege) sowie Werner Haas (3 WM-Titel und 11 GP-Siege). Die zweitmeisten GP-Siege für Deutschland, nämlich deren 20, erzielte der am 10. März 2018 im Alter von nur 51 Jahren viel zu früh verstorbene, jedoch unvergessene Ralf Waldmann, dem allerdings kein WM-Triumph gelang. Während sich Ralf Waldmann Mitte der 1990er-Jahre dafür einsetzte, dass der Motorrad Grand Prix von Deutschland an den (neuen) Sachsenring zurückkehrt, sorgte der Westdeutsche Dieter Braun mit seinem legendären Semi-Heimsieg 1971 auf der ostdeutschen Berg- und Talbahn indirekt mit dafür, dass dem vollumfänglich internationalen motorsportlichem Treiben im Arbeiter- und Bauernstaat ab 1973 von innen heraus der Garaus gemacht wurde. Seinem Beliebtheitsgrad tat dies hierzulande freilich keinen Abbruch. Im Gegenteil, denn wann immer er nach dem Fall der Mauer anlässlich von Klassik-Veranstaltungen auf oder sonstigen Anlässen am Sachsenring oder auch am Zschorlauer Dreieck auftauchte, war der der gefeierte und dicht umlagerte Held. Heute feiert er nun seinen 80. Geburtstag.
Vom Motocross auf die Straße
Ergo wurde Dieter Braun am 2. Februar 1943 (in Ulm) geboren. Aufgewachsen ist er im 30 Kilometer entfernten Hermaringen. Später zog es ihn in Richtung Hockenheim nach Dielheim. Mit dem Motorsport angefangen hat er zunächst mit dem Motocross-Sport und wurde unter anderem regionaler Juniorenmeister. 1965 baute er sich eine Cross-Maschine um und fuhr zweigleisig Cross und Straßenrennen. Im Folgejahr stieg er dann komplett um. Die Erfolge ließen nicht lange auf sich warten, denn schon 1967 gewann er auf einer privaten Aermacchi in der Klasse bis 350 ccm seine erste Deutsche Meisterschaft. So auch 1968 auf MZ und 1969 auf Suzuki, jedoch in der Achtelliterklasse. Das war auch insofern erstaunlich, weil die kleinen 125er dem 1,90 Meter großen Dieter Braun nicht gerade auf den Leib geschneidert waren. Dennoch errang er auch international seine ersten großen Erfolge in dieser Klasse. 1968 holte er sich bei seinem ersten GP, dem Saisonauftakt auf der Nürburgring-Südschleife, als Vierter auf seiner 125er-MZ seine ersten WM-Punkte. Ein Jahr später klappte es dann wiederum bei seinem Heimrennen, diesmal war Hockenheim an der Reihe, mit seinem ersten Podestplatz. Beim Saisonfinale im jugoslawischen Opatija holte er sich schließlich seinen ersten Grand-Prix-Sieg und wurde damit Vizeweltmeister.
In der WM so richtig durchgestartet
1970 sollte Dieter Brauns erstes ganz großes Jahr werden. Mit der 125er-Ex-Werks-Suzuki des zurückgetretenen Hans-Georg Anscheidt gewann er vier WM-Läufe (Le Mans, Opatija, Isle of Man, Assen) sowie am Jahresende den WM-Titel. 1971 wechselte er in der 125-ccm-Klasse auf Maico und bei den 250ern und 350ern auf Yamaha. Der emotionalste Sieg seiner Karriere war bereits erwähnter Grand-Prix-Sieg in jenem Jahr auf dem Sachsenring, als zig tausend Kehlen "Dieter, Dieter ..." skandierten und die DDR-Funktionäre beim Erklingen der Nationalhymne kurzerhand die Lautsprecher draußen an der Strecke abgeschalteten und diese nur im Start- und Zielbereich zu hören war. 1973 errang Dieter Braun nach dem unsäglichen Todesturz des bis dahin dreifachen Saisonsiegers Jarno Saarinen und des Italieners Renzo Pasolini in Monza noch vier GP-Siege (Opatija, Assen, Brünn, Anderstorp) und wurde zum zweiten Mal Weltmeister, nun jedoch in der Viertelliterklasse. Auch 1974 war kein schlechtes Jahr für ihn, welches er als Doppel-Vizeweltmeister abschloss. In der 250er hinter Walter Villa und bei den 350ern hinter Yamaha-Neuzugang Giacomo Agostini. Gleichzeitig schnupperte er schon einmal in die Halbliterkategorie und schaffte in Spa als Dritter hinter Phil Read (MV Agusta) und Giacomo Agostini (Yamaha) den Sprung aufs Podest. 1975 war er gleich in vier Klassen (125, 250, 350 und 500 ccm) am Start und gewann sogar in den drei "kleinen" Klassen jeweils einen Grand Prix.
Wieder zweigleisig
Im gleichen Jahr war er wieder zweigleisig unterwegs, denn parallel bestritt er mit einem 300 PS starken Warsteiner-March BMW fünf Formel-2-Rennen. Sein bestes Ergebnis schaffte er beim EM-Lauf auf dem Nürburgring mit dem passablen neunten Platz. Allerdings spürte er im Rennwagen nicht die Genugtuung und die Freude wie mit einem Rennmotorrad. 1976 feierte er in Opatija in der Viertelliterklasse seinen 14. und letzten Grand-Prix-Sieg, um sich anschließend auf die 500-ccm-Klasse zu konzentrieren. Doch schon beim zweiten Saisonrennen 1977 auf dem Salzburgring wurde er in der Anfangsphase des 350er-Rennens unverschuldet in einen Massensturz verwickelt, bei dem der Schweizer Hans Stadelmann starb. Mit schweren Kopf-, Augen-, Rücken, und Beinverletzungen musste Dieter Braun danach lange pausieren, bis er schließlich 34-jährig seine Karriere schweren Herzens beendete. Das war auch insofern tragisch, weil er da er bereits einen Vertrag mit Kawasaki Deutschland in der Tasche hatte, der ihn 1978 auf die erfolgreichen Werks- Rennmaschinen KR 250 und KR350 gebracht hätte. Mit denen raste später Toni Mang zu vier seiner fünf WM-Titel. Happy Birthday, Dieter!
erschienen am 02.02.2023