Sachsenring. Heute vor 50 Jahren war einer der schwärzesten Tage in der Geschichte der Motorrad-Weltmeisterschaft. Im italienischen Monza stand am 20. Mai 1973 der vierte Grand Prix des Jahres auf dem Programm, bei dem bei einem Massencrash mit 14 involvierten Fahrern im Rennen der 250-ccm-Klasse mit dem Finnen Jarno Saarinen und dem Italiener Renzo Pasolini zwei absolute Top-Stars ihr Leben verloren. Im vorangegangen 350er-Rennen hatte mutmaßlich die Benelli des Italieners Walter Villa Öl verloren. Nicht so viel, dass eine fette Ölspur leicht sichtbar gewesen wäre, aber so viel, dass es wohl als Auslöser dieser Katastrophe reichte. Eine andere These lautet, dass Renzo Pasolinis Aermacchi einen Kolbenklemmer hatte. Vielleicht war es auch eine Kombination von beiden Ursachen, die so oder so unter Rennpech und Schicksal zu verbuchen sind. Während Renzo Pasolini im Alter von 34 Jahren tödlich verunglückte, wurde Jarno Saarinen nur 27 Jahre alt.
Jähes Ende eines beginnenden Höhenflugs
Dabei schien der talentierte Skandinavier eine goldene Zukunft zu haben. Der am 11. Dezember 1945 in Turku geborene Jarno Karl Keimo Saarinen fuhr nach seinem Technik-Studium Eisspeedway und Straßenrennen. 1968 debütierte er beim Grand Prix in Imatra in seinem Heimatland in der Achtelliterklasse und wurde 1969 Finnischer Meister. 1970 stand er im niederländischen Assen nach dem Rennen der Klasse bis 250 ccm als Dritter mit einer privat eingesetzten Yamaha erstmals auf einem WM-Podest und wurde am Jahresende WM-Vierter. Parallel trat er am Saisonende mit einer Kreidler in der Schnapsglasklasse bis 50 ccm an. 1971 feierte er im damals noch tschechoslowakischen Brno im Rennen der 350er-Kategorie seinen ersten Grand-Prix-Sieg und schaffte später in Monza einen weiteren, womit er hinter dem Serien-Weltmeister Giacomo Agostini aus Italien auf der überlegenen MV Agusta Vize-Weltmeister wurde. Bei den 250ern gelang ihm beim Saisonfinale im spanischen Jarama ein weiterer GP-Sieg, mit dem er sich in dieser Klasse den dritten WM-Endrang sicherte. Im darauffolgenden Jahr trat er wieder in den beiden mittleren Hubraumklassen an, ab da allerdings als Yamaha-Werksfahrer. Von den zwölf 250er-GP gewann er deren vier und stand zudem fünf weitere Mal auf dem Podest. Nach dem elften und vorletzten Rennen stand er als neuer Weltmeister bereits fest, sodass er das letzte Rennen auslassen konnte, um sich voll und ganz auf die 350-ccm-Klasse zu konzentrieren. Doch es reichte nicht ganz. Trotz dreier Siege und vier weiterer Podestplätze wog sein Ausfall beim letzten Rennen so schwer, dass Giacomo Agostini seiner Sammlung einen weiteren Titel hinzufügen konnte. 1973 ging er in der 250- und 500-ccm-Klasse an den Start und legte los wie die Feuerwehr. Bei den ersten beiden Grand Prix des Jahres feierte er jeweils Doppelsiege, was in dieser Klassen-Konstellation erst Jahre spter dem US-Amerikaner Freddie Spencer ebenfalls gelang. In Hockenheim machte er in der Viertelliterklasse den Hattrick perfekt, doch in der Halbliter-Kategorie sah er hingegen keine Zielflagge. Der nächste Grand Prix war dann der unsägliche in Monza.
Der verhinderte Weltmeister
Renzo Pasolini erblickte am 18. Juli 1938 im italienischen Adria-Badeort Rimini das Licht der Welt. Nach dem Zweiten Weltkrieg zog seine Familie nach Varese in Norditalien, wo auch Renzo bis zu seinem viel zu frühen Tod lebte. Durch seinen Rennen und Geschwindigkeitsrekorde fahrenden Vater kam auch Renzo Pasolini zum Motorradsport, wenngleich anfangs über Motocross, bei dem er sogar einen regionalen Junioren-Titel feiern konnte. Der Militärdienst unterbrach seine aufstrebende Karriere noch einmal, doch 1964 debütierte er in der Motorrad-WM und startete richtig durch. In Monza errang er auf einer Aermacchi mit Platz vier im 350er-Rennen sogleich seine ersten WM-Punkte und wurde 1965 Werksfahrer für die Klassen bis 250, 350 und 500 ccm. Nachdem er 1966 bei den 350ern WM-Dritter werden konnte, wurde er 1968 Benelli-Werksfahrer und wurde in der in der gleichen Klasse hinter dem übermächtigen Giacomo Agostini auf MV Agusta Vize-Weltmeister. Die Saison 1969 begann für ihn mit einem Schlüsselbeinbruch bescheiden, doch beim fünften 250er-Saisonrennen im niederländischen Assen feierte er endlich seinen ersten Grand-Prix-Sieg. Diesem ließ er auf dem Sachsenring und beim Großen Preis der CSSR in Brno zwei weitere folgen und wurde letztlich noch WM-Vierter. Den Weltmeistertitel sicherte sich sein australischer Teamkollege Kel Carruthers. Im darauffolgenden Jahr wurde er bei den 350ern hinter "Ago Nazionale" und Kel Carruthers WM-Dritter. 1971 ging er zu Aermacchi zurück, doch inzwischen waren die (Semi-)Werks-Yamaha quantitativ und qualitativ stärker. 1972 gelangen ihm in der Viertelliterklasse erneut drei GP-Siege, jedoch musste er sich in der WM-Endabrechnung mit nur einem Punkt Rückstand auf den Finnen Jarno Saarinen erneut mit dem Vize-Weltmeistertitel begnügen. Zudem wurde er in der 350-ccm-Klasse hinter Giacomo Agostini und Jarno Saarinen WM-Dritter. Nachdem er sich im Frühjahr seinen sechsten Titel in der Italienischen Meisterschaft sichern konnte, war Monza auch sein letzter Grand Prix.
Je einmal am Sachsenring auf dem obersten Treppchen
Die Sachsenring-Bilanz der beiden besagt, dass Jarno Saarinen 1970 bei den 250ern Vierter und ein Jahr später Fünfter wurde. In seinem Weltmeisterjahr 1972 gewann er auf dem Berg-und Talkurs vor den Toren Hohenstein-Ernstthales vor Renzo Pasolini.Auch der Italiener begann am Sachsenring mit einem vierten Platz, und zwar 1966 bei den 350ern. In dieser Klasse, allerdings auf Benelli statt Aermacchi, holte 1969 auch er sich einen Sachsenring-Sieg. 1970 wurde er wiederum in dieser Hubraum-Kategorie hinter Giacomo Agostini Zweiter und ebenso 1972 hinter Phil Read, ebenfalls auf MV Agusta. Zudem wurde er in jenem Jahr, wie bereits erwähnt, auch bei den 250ern hinter Jarno Saarinen Zweiter.
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