Sachsenring. Natürlich stehen bei Sportveranstaltungen stets die Lokalmatadore und deren erfolgreiches Abschneiden im Mittelpunkt des Interesses. Am schönsten ist es, wenn ein Vertreter der Gastgebernation gewinnt und die die Einheimischen verbindende Nationalhymne erklingt. Da macht der Sachsenring keine Ausnahme.
In der ersten WM-Ära auf dem alten Kurs gelang dies gleich bei der WM-Premiere in der damaligen DDR am 30. Juli 1961 dem noch Ostdeutschen Ernst Degner, der sich später in der Saison in den Westen absetzte, sowie zehn Jahre später, genau am 11. Juli 1971, dem bundesdeutschen Dieter Braun. Ein Jahr später war die Weltelite für sehr lange Zeit letztmalig am Sachsenring zu Gast.
1998 kehrte sie auf Grund mehrerer glücklicher Umstände hierher auf einen neuen Kurs zurück. 14 Jahre dauerte es dann, bis für den nächsten deutschen Sieger bei einem zur WM zählenden Rennen am Sachsenring die deutsche Nationalhymne intoniert wurde.
Ein in mehrfacher Hinsicht besonderer Tag
Man schrieb den 8. Juli 2012, der gleich in mehrerer Hinsicht ein besonderer Tag für den Sachsenring war und im Tagesverlauf noch werden sollte. Zum einen war der damalige eni Motorrad Grand Prix Deutschland der 30. WM-Lauf auf dem Sachsenring insgesamt, denn neben den zwölf "Großen Preisen der DDR" von 1961 bis 1972 und den GP seit 1998 waren hier 2003 und 2004 die Supermoto-Weltmeisterschaft sowie 2011 einmalig auch die FIA-GT1-WM zu Gast.
Außerdem wurde für die deutsche WM-Runde des Jahres 2012 die obligatorische Rennreihenfolge geändert, sodass die Moto2-Kategorie den Anfang machte, danach die Top-Klasse MotoGP folgte und die Moto3 den Schlusspunkt setzen durfte.
Der Siegesritt
Nachdem die Moto2 und die MotoGP im Trockenen ihre Rennen bestreiten durften, setzte unmittelbar vor dem Moto3-Rennen Regen ein. Dieser war so intensiv, dass das Startprozedere 25 Minuten verschoben werden musste.
Als es losging, verzog sich die unsägliche Regenwolke allmählich, doch war die Reifenwahl für alle eindeutig. Adrian Martin kam als Führender aus der Startrunde zurück, gefolgt von Jack Miller, Louis Rossi, Jonas Folger, Luis Salom, Brad Binder und Jakub Kornfeil. Der damals 22-jährige Deutsche Sandro Cortese peilte erst einmal die Lage und kam als Achter vorüber.
In der zweiten Runde übernahm Jack Miller das Zepter einer sich allmählich bildenden sechs Fahrer starken Spitzengruppe. Mit etwas Abstand zeichnete sich Sandro Cortese zunächst durch überlegten und zielführenden Aktionismus aus.
Als die Ideallinie und schließlich die Strecke auf ganzer Breite doch schneller abtrocknete als allgemein angenommen, machte der deutsche Hoffnungsträger richtig Attacke. Innerhalb von nur drei Runden pfeilte er von Platz sieben durch die Spitzengruppe in Front. Wegfahren ging aber offensichtlich nicht, da studierte der gereifte Red Bull KTM Ajo-Pilot seine Gegner, auch mal auf Platz zwei oder drei liegend, für den Endkampf.
Vier Runden vor Ultimo setzte er sich doch wieder an die Spitze, legte zeitenmäßig noch einen Zahn zu, so dass keiner ihn noch einmal in ernsthafte Gefahr bringen konnte. Unter dem frenetischen Jubel der durchgeweichten aber standhaften Fans fuhr Sandro Cortese als Sieger vor dem Franzosen Alexis Masbou und dem 2016 tödlich verunglückten Spanier Luis Salom durchs Ziel.
Heimsieg am Jahresende noch gekrönt
Damit hatte er es Ernst Degner und Dieter Braun nach 51 bzw. 41 Jahren gleich getan, wozu er anschließend sagte: "Solche Statistiken und Zahlenspiele interessieren mich eigentlich wenig - freuen tut es mich aber trotzdem. Mir war heute wichtig, möglichst viele Punkte auf Vinales (zu dem Zeitpunkt WM-Führender, Anm. d. A.) gutzumachen und das habe ich geschafft. Ich bin heute Morgen mit einem guten Gefühl aufgestanden und war mir sicher, dass wir bei allen Bedingungen schnell sein werden. Als Deutscher mit italienischem Blut war es gar nicht so leicht, die Ruhe zu bewahren. In den letzten drei Runden habe ich mir gesagt 'so, jetzt geht es los' und habe noch einmal richtig angerissen. Da habe ich gezeigt, dass ich mich heute nicht mit Platz zwei zufrieden geben werde."
Und er kam für den Schwaben noch besser. Am Jahresende wurde Sandro Cortese der erste Weltmeister der Moto3, die in jenem Jahr die 125-ccm-Klasse abgelöst hatte.
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