Es sind Szenen wie man sie nur aus Videos kennt. Autos jagen hinter dem Wagen des Brautpaares her, rammen und überholen sich permanent. Das passierte auf dem Weg von Leipzig bis in den Mülsener Ortsteil Thurm.
Zeugin alarmiert Polizei mit den Worten: "Irgendwas stimmt hier nicht"
Gegen 16 Uhr ging am Samstagnachmittag der erste Anruf bei der Polizei ein. Eine Zeugin bemerkte Autos, die sich augenscheinlich ein Rennen liefern. Ein Fahrzeug stand plötzlich auf einer Kreuzung. Es war gegen einen Gartenzaun und Betonpfeiler gekracht. Ein zweiter Wagen nur wenige Meter daneben, abgeparkt und das Kennzeichen entfernt. Die Polizei schickte die ersten Einheiten nach Thurm.
Hundertschaft der Polizei wird alarmiert
Die zuerst eintreffenden Einheiten kamen in der Folge vor Ort an. Weitere verbeulte und ramponierte Fahrzeuge wurden auf einem anderen Parkplatz aufgefunden. Wenige Meter entfernt, in einem Festsaal, fand zu diesem Zeitpunkt eine Hochzeit statt. Die Polizei fordert die Bereitschaftspolizei Chemnitz an. Diese war gerade auf dem Weg zurück nach Chemnitz vom Fußballspiel in Aue.
Festsaal umstellt - Feuerwehrdepot dient als kurzzeitige Dienststelle der Polizei
Der Festsaal wurde sofort umstellt. Zwischenzeitlich traf die Meldung ein, dass es auch auf der Autobahn zu einem Unfall gekommen sein soll, eine Leitplanke wurde deformiert. Der Fahrer flüchtig. Die Polizei suchte nach weiteren Fahrzeugen im Umkreis des Festsaals. Parallel dazu wurde im nahegelegenen Feuerwehrdepot, eine "Polizeiwache" installiert. Insgesamt sechs Fahrzeuge fand die Polizei. Die Schäden waren frisch. Hier muss ein Rennen stattgefunden haben, mit ordentlichem Kontakt zwischen den Fahrzeugen. In einem Fahrzeug mit kaputten Türen lässt sich der Kindersitz auf der Rücksitzbank erkennen. Nach und nach wurden von den zirka 100 Gästen der Hochzeitsfeier die Personalien aufgenommen. Die Autoschlüssel wurden von Personen eingesammelt und die Fahrzeuge kontrolliert.
Personen werden auf Verletzungen kontrolliert
Einige Zusammenstöße waren so heftig, dass die Airbags auslösten. Das Augenmerk lag nun darauf die Fahrer anhand augenscheinlicher Verletzungen ausfindig zu machen. Bis nach Mitternacht dauerte der Einsatz an. Immer wieder wurden Personen ins Feuerwehrdepot gebracht, Personalien aufgenommen. Die Feier war beendet. Ob alle Fahrer ermittelt werden konnten, ist derzeit noch unbekannt. Die Fahrzeuge wurden abgeschleppt und werden kriminaltechnisch untersucht.
Alter Brauch in Tschetschenien
Bei Tschetschenen ist es ein alter Brauch, so nah wie möglich an das Brautpaar zu kommen. Der Brauch stammt noch aus Zeiten, wo man vom Haus der Braut zur Feier mit Pferden ritt. Hier lieferte man sich Rennen, um so nah wie möglich an das Brautpaar zu kommen. Dasselbe wird nun mit Autos gemacht. In der Vergangenheit gab es immer wieder schwere Unfälle und Straßenrennen bei solchen Feierlichkeiten. Wie die Polizei ermitteln konnte, waren die Festgäste aus ganz Deutschland und auch aus dem Ausland angereist. Die wilde Raserei ist wohl in Leipzig gestartet bis nach Thurm. Im Einsatz waren zirka 100 Einsatzkräfte der Polizei mit 35 Fahrzeugen.
Update der Polizei um 11.45 Uhr
Fahrzeuge eines Autokorsos entfernten sich nach mehreren Unfällen unerlaubt vom Unfallort. Im Rahmen einer tschetschenischen Hochzeit bildete sich zwischen Delitzsch und Thurm ein Autokorso mit mehreren PKW. Während der Fahrt überholten sich Teilnehmer des Fahrzeugzuges untereinander mehrfach und nach Zeugenaussagen verkehrsgefährdend, um das erste Fahrzeug nach dem Brautfahrzeug zu sein. Zwischen den Anschlussstellen Schmölln und Meerane der A4 stieß eines der beteiligten Fahrzeuge, eine Mercedes S-Klasse, gegen die Mittelschutzplanke der Autobahn und verließ pflichtwidrig die Unfallstelle. Auf der B 93 setzte der Autokorso seine Fahrt fort.
Vor der Ortslage Thurm wurde dann ein BMW aus dem Autokorso von einer Mercedes S-Klasse und einer Mercedes M-Klasse Zeugen zufolge »in die Zange genommen«. Es kam beidseitig zur Berührung. Kurz vor Eintreffen an der Festscheune stieß der S-Klasse-Mercedes gegen einen weiteren BMW, welcher daraufhin in einem Gartenzaun zum Stehen kam. Die Insassen der vier verunfallten PKW begaben sich anschließend fußläufig zum Veranstaltungsort.
Einsatzkräfte des Polizeireviers Zwickau und der Verkehrspolizei stellten vor Ort eine Vielzahl beschädigter PKW fest. Ob alle Beteiligten der oben beschriebenen Unfälle an der Festscheune eintrafen und ob es weitere Unfälle gab, ist Gegenstand der Ermittlungen. Den S-Klasse-Mercedes, der nach ersten Erkenntnissen am zweiten Unfall beteiligt war, fanden die Einsatzkräfte ohne Kennzeichen vor. In unmittelbarer Nähe wurden zwei ukrainische Kennzeichen in einem Gebüsch entdeckt, die kurz zuvor in Chemnitz als gestohlen gemeldet wurden.
Da sich zunächst keiner der Anwesenden als Fahrer oder Halter des stark ramponierten Mercedes zu erkennen geben wollte, wurden die Identitäten aller erwachsenen Teilnehmer der Hochzeitsgesellschaft festgestellt. Dabei wurde die PD Zwickau durch Einsatzkräfte des Bereitschaftspolizeipräsidiums Sachsen unterstützt. Die Maßnahme verlief störungsfrei.
Letztlich erklärten vier Männer im Alter von 18, 24, 28 und 37 Jahren, die vier stark verunfallten PKW gefahren zu sein. Der 24-Jährige, dem sich die kennzeichen- und zulassungslose Mercedes S-Klasse zuordnen ließ, ist nicht im Besitz einer gültigen Fahrerlaubnis. Außerdem reagierte ein durchgeführter Drugwipe-Test verlief positiv auf Amphetamine.
Die vier russischen Staatsangehörigen müssen sich nun unter anderem wegen Unfallflucht und Gefährdung des Straßenverkehrs verantworten. Nach bisherigem Erkenntnisstand wurde bei den Unfällen niemand verletzt, weitere Ermittlungen laufen. Es entstand ein Gesamtsachschaden von mehreren zehntausend Euro.
Zeugen, die sachdienliche Angaben zum Sachverhalt machen können werden gebeten, sich unter der Telefonnummer 03765 500 bei der Verkehrspolizei zu melden. Gleiches gilt für Verkehrsteilnehmende, die durch die Fahrweise der Autokorso-Teilnehmer gefährdet wurden.
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