Sachsenring. In diesem Jahr feierte ein deutsches Fahrzeugunternehmen den 150. Geburtstag seines Bestehens, welches auch am Sachsenring durch viele Erfolge wohlbekannt ist - NSU. Durch die Übernahme des einst in Zwickau gegründeten Automobilherstellers Audi besteht indirekt sogar eine "familiäre" Beziehung zur westsächsischen Autostadt. Nicht zuletzt dadurch sind aktuell im Rahmen der Anfang Dezember im August Horch Museum in Zwickau eröffneten Sonderausstellung "Form vollendet? - Aerodynamik im Automobildesign 1945 bis heute" drei besondere Fahrzeug aus der langen NSU-Firmenhistorie zu sehen.
Vom Strickmaschinen- zum Motorrad- und Autohersteller
Der Ursprung von NSU liegt in Riedlingen an der Donau. Dort gründeten 1873, also vor nunmehr 150 Jahren, die Herren Christian Schmidt und Heinrich Stoll die "Mechanische Werkstätte zur Herstellung von Strickmaschinen", doch in den ersten drei Jahrzehnten ihres Bestehens wechselte man drei Mal ihre Fabrikation. Das Unternehmen wuchs in seinen Anfängen sehr rasch und wurde 1880 ins 100 km nördlich gelegene Neckarsulm verlagert. 1892 wurde die Strickmaschinenproduktion aufgegeben und von derer für Fahrräder gänzlich ersetzt. Ebenfalls in dieser Zeit wurde der Firmenname von Neckarsulmer Strickmaschinenfabrik AG auf die drei markanten Buchstaben NSU, abgeleitet als Kürzel des neuen Standorts, reduziert.
Im neuen Jahrhundert setzte man bei den Neckarsulmern auf die aufstrebende Motorisierung und ließ zunächst die Fahrräder von Verbrennungsmotoren antreiben. 1905 stand für NSU der Sprung zum Automobilbau an. Mit diesem und dem Motorradbau schien man jetzt die richtigen Betätigungsfelder gefunden zu haben. An den Fahrzeugen prangten in der ersten Dekade des neuen Jahrhunderts noch die Schriftzüge "Neckarsulm". Später beschränkte man sich auf das Kürzel und wurde zum exportfreudigsten deutschen Motorradlieferanten vor dem Ersten Weltkrieg.
Erste Erfolge im Rennsport
Auch im Motorsport war die Marke sehr erfolgreich, allerdings vornehmlich bei den Zweirädern. So siegte zum Beispiel Karl Gassert bereits 1911 bei der Tourist Trophy auf der Isle of Man in seiner Klasse. Zwischen den beiden Weltkriegen hatte auch NSU mit der Rezession zu kämpfen und verbündete sich mit Fiat. Desweiteren wäre beinahe der Volkswagen Käfer gar kein VW geworden, denn den ersten Prototypen, damals unter der Bezeichnung Typ 32, gab Dr. Ferdinand Porsche bei NSU in Auftrag.
Im Vierradsport trat NSU eigentlich nur am Anfang der 20er Jahre in Erscheinung. Erwähnenswert sind dabei beispielsweise die Siege der Fahrer Klöble und Scholl auf ihren NSU 5/15 PS 1923 und 1924 auf der Berliner AVUS. Der erste große Schub im Motorradrennsport kam dann 1930 mit dem Konstrukteur Walter William Moore. Neben jeder Menge Erfahrung, er entwickelte zum Beispiel den ersten ohc-Motor für Norton, brachte der gleich noch seinen Freund und Rennfahrer Tom Bullus von der Insel mit. Der konnte sich in den folgenden drei Jahren fast überall in die Siegerlisten eintragen lassen.
Nach dessen Rücktritt vom aktiven Sport gaben die Neckarsulmer, als Hommage an ihren ehemaligen Protagonist, der 350er des Jahres 1935 den Namen "Bullus-NSU". Doch auch andere Fahrer feierten große Erfolge. Franz Islinger, Werner Huth, Paul Rüttchen, Oskar Steinbach und Heiner Fleischmann gewannen zwischen den Kriegen die deutsche Motorradmeisterschaft. Das höchste, was es vor dem Zweiten Weltkrieg zu erreichen gab, war die Europameisterschaft. Dieses Ziel verfehlten die Neckarsulmer leider. Am knappsten 1936 auf dem Sachsenring, wo im Rennen der Klasse bis 350 ccm nach einer Distanz von 350 Kilometern und einer Fahrzeit von fast drei Stunden "nur" die Plätze zwei und drei für Oskar Steinbach bzw. Heiner Fleischmann herausschauten. Für den ersten Podestplatz für NSU auf dem Sachsenring hatte im Jahr zuvor Hans Soenius im Rennen der Halbliterklasse gesorgt.
An die Weltspitze
Nach dem Krieg rappelte man sich in Neckarsulm allmählich wieder auf. Wegen der unterschiedlichen Verwalter von Ost- und Westdeutschland hatte NSU zwar die besseren Voraussetzungen im Gegensatz zum alten Konkurrenten DKW, doch konnte man sich auch in Neckarsulm nicht über fehlende Probleme beklagen. Anfangs produzierte man so ziemlich alles, was irgendwie mit Mobilität in Zusammenhang zu bringen war und sich verkaufen ließ.
Auch im Rennsport begann man wieder Fuß zu fassen. Dabei machte sich vor allem der frühere DKW-Werksfahrer Wilhelm Herz verdient und das nicht nur als Fahrer. Er brachte die Vorkriegs-Kompressor-NSU zum Laufen und stellte, teilweise in Eigenregie, unzählige Weltrekorde auf. 1951 hob die FIM die Isolation Deutschlands vom Rennsport auf. Gleichzeitig wurde die Kompressor-Aufladung verboten. Die Ingenieure zwischen Neckar und Sulm reagierten und leiteten von ihrer vierzylindrigen 498 ccm Doppelnockenmaschine durch Reduktion auf einen bzw. zwei Zylinder die Rennfox und Rennmax ab. Bereits im nächsten Jahr betrat NSU wieder die internationale Bühne, beschränkte sich allerdings auf die kleinen Hubraumklassen.
Der dritte WM-Lauf der 125-ccm-Klasse fand auf der Stuttgarter Solitude statt. Dabei wurden 400.000 Zuschauer Zeuge, wie im 125er-Rennen Werner Haas den amtierenden Weltmeister Carlo Ubbiali und den späteren Weltmeister Cecil Sandford auf die Plätze zwei und drei verwies. Beim italienischen Grand Prix bestätigte der junge Augsburger mit Rang zwei, dass NSU zur Weltspitze gehörte. 1953 wurde Werner Haas zum großen Dominator der Achtel- und Viertelliterklasse. In beiden gewann er mehr als ein Drittel der ausgetragenen Rennen. Am Jahresende konnte sich der 26-Jährige, Doppelweltmeister nennen.
Von Delphinen und Blauwalen
Für 1954 verpasste man Rennfox und Rennmax Stromlinienverkleidungen. Auf Grund diverser Modifikationen bekamen sie, ob ihrer Ähnlichkeit zu den Meeressäugern, die Beinamen Delphin und später Blauwal. Dazu stellte NSU seinem jungen Star den nochmals vier Jahre jüngeren Österreicher Rupert Hollaus zur Seite. Auch die neue Saison wurde klar von NSU beherrscht. Bei der englischen TT auf der Isle of Man belegten die NSU-Fahrer Haas, Hollaus, Armstrong, Müller und Baltisberger die Plätze 1, 2, 3, 4, und 6. Auch bei weiteren Anlässen fanden Fahrer anderer Marken keinen Platz auf dem Podest.
Doch die Dominanz kam nicht zufällig zustande. Sie war vielmehr die logische Konsequenz der akribischen Vorbereitung, sowohl im Werk, wie auch am Rennplatz selbst. Dazu gehörte zum Beispiel Vorwärmen des Motoröls. Damit sich die Fahrer nicht untereinander aufrieben, wurde eine Art Stallregie eingeführt. Hollaus attackierte Haas bei den 250ern nicht ernsthaft und umgekehrt bei den 125ern. Bereits bei Saisonhalbzeit standen die beiden als Weltmeister, jeder in "seiner" Klasse, fest. Bei den Trainingsläufen zum vorletzten Rennen des Jahres in Monza verunglückte der frisch gekrönte Achtelliter-Weltmeister Rupert Hollaus tödlich. Das Team verzichtete auf den Start, sowie wenig später auf die Teilnahme an der nächstjährigen WM.
Die Gründe für den Rückzug waren vielschichtig. Einer war die negative Presse an der NSU-Dominanz und der damit einhergehenden Langeweile. Trotzdem stellte NSU auch 1955 den Viertelliter-Weltmeister. Neben der Rennmax für die Werksfahrer hatte NSU schon seit 1954 die Sportmax für Privatfahrer im Programm. Und mit eben solch einer Sportmax holte sich Hermann-Paul Müller, der schon vor dem Krieg auf zwei und vier Rädern erfolgreich war, im zarten Alter von 45 Jahren noch die Weltmeisterschaft.
Auf dem Sachsenring war die NSU-Werksmannschaft auch des Öfteren am Start, wenngleich die Rennen in den 1950er-Jahren noch nicht zur Weltmeisterschaft zählten. Für den ersten NSU-Sieg auf dem "Ring" sorgten 1950 Hermann Böhm/Karl Fuchs im Rennen 1, welches den Seitenwagen bis 600 ccm im Rahmen des "Gesamtdeutschen Meisterschaftslauf" des frisch geteilten Landes vorbehalten war. Das Rennen 5 sowie das abschließende Rennen der Solo-Klassen bis 350 bzw. 500 ccm gewann mit Heiner Fleischmann ebenfalls ein NSU-Pilot.
Weitere NSU-Siege auf dem Sachsenring feierten Helmut Hallmeier (1955, 250 ccm, Vierfachsieg vor Wolfgang Brandt, Hans Baltisberger und Fritz Kläger), Hans Baltisberger (1956, 250 ccm, Dreifachsieg vor Bob Brown und Helmut Hallmeier), Helmut Hallmeier (1957, 350 ccm) und Walter Reichert (1957, 250 ccm).
Auf zu neuen Rekorden
International bedeutende Erfolge feierten die Neckarsulmer in der Folgezeit nur noch bei Rekordfahrten. Hierbei fallen die Namen Gustav Adolf Baumm und Wilhelm Herz sehr häufig. Der Baumm'sche Liegestuhl setzte die lange Tradition im Motorsport erfolgreich fort, doch so allmählich ebbte der Zweiradboom in Deutschland ab.
Mitte der 1960er-Jahre stellte NSU die Motorradproduktion endgültig ein und suchte andere Wege. Die neue Innovation hieß Wankelmotor. Der NSU Ro 80 mit Kreiskolbenprinzip war zwar vielbestaunt und auch als "Auto des Jahres" ausgezeichnet worden, doch gelang der Durchbruch nie. Außerdem war die Finanzdecke der Neckarsulmer recht dünn und so suchte man einen starken Partner, sprich Käufer. 1969 fusionierte NSU mit der Auto Union GmbH mit Sitz in Ingolstadt zur Audi NSU Auto Union GmbH. Diese produzierte zwar am Standort Neckarsulm noch bis 1975 weiter, doch 1985 verschwand der Name NSU schließlich von der Bildfläche. Heutzutage dient die NSU GmbH als Audi-Tochter lediglich als Traditionsgesellschaft der Audi AG.
erschienen am 30.12.2023