Limbach-Oberfrohna. Sahra Wagenknecht ist eine kluge und engagierte Frau, die den Menschen ihre Argumente unaufgeregt und überzeugend vermitteln kann. Diesen Eindruck hatten wohl die meisten der etwa 860 Besucher, die zu einer Veranstaltung mit der Politikerin am Donnerstagabend in die Limbach-Oberfrohnaer Stadthalle gekommen waren. Im Mittelpunkt der etwa anderthalbstündigen Veranstaltung stand ihr 2021 erschienenes Buch "Die Selbstgerechten". Natürlich war auch die Gründung der neuen Partei "Bündnis Sahra Wagenknecht", mit dem sie in den letzten Tagen in den Schlagzeilen war, ein Thema.
"Lifestyle-Linke" in der Kritik
Zahlreiche Gründe für die Neugründung sind schon in ihrem vor drei Jahren erschienenen Buch dargelegt. In "Die Selbstgerechten" kritisiert sie vor allem die linken Parteien in Deutschland, die Wagenknecht nicht mehr als Parteien wahrnimmt, die sich vor allem um soziale und polit-ökonomische Fragen kümmern, sondern eher um Fragen des Lebensstils, der Konsumgewohnheiten und der moralischen Haltung. Diese "Lifestyle-Linken", wie Wagenknecht sie nennt, sind ihrer Meinung nach das Ergebnis des Aufstieges der neuen akademischen Dienstleistungsberufe und der mit ihnen und aus ihnen entstandenen neuen Schicht großstädtischer überwiegend gut verdienender Hochschulabsolventen, deren Lebenswelt und deren Wertekanon sich in dem spiegelt, was heute als links gilt.
Statt Meinungsstreit Empörungsrituale
Wenig sympathisch mache den Lifestyle-Linken, so Wagenknecht in ihrem Buch, "dass er fortwährend eine offene, tolerante Gesellschaft einfordert, selbst aber im Umgang mit abweichenden Sichten eine erschreckende Intoleranz an den Tag legt, die sich mit der der äußersten Rechten durchaus messen kann." Und sie fügt hinzu: "Wer vom Kanon ihrer Denkgebote abweicht, ist für Linksliberale daher kein Andersdenkender, sondern mindestens ein schlechter Mensch, wahrscheinlich sogar ein Menschenfeind oder gleich ein Nazi." Liberal sei der Lifestyle-Linke tatsächlich nur im Dunstkreis seines eigenen Denkens. An die Stelle demokratischen Meinungsstreits seien emotionalisierte Empörungsrituale, moralische Diffamierungen und offener Hass getreten. Für Kampagnen, deren erklärtes Ziel darin besteht, unliebsame Intellektuelle mundtot zu machen und sozial zu vernichten, gebe es sogar einen Begriff: "cancel culture".
Friedensforderungen werden schnell an den Pranger gestellt
Thema bei der Veranstaltung war auch der Ukraine-Krieg. Wer sich der offiziellen Meinung zu diesem Konflikt widersetze und für einen sofortigen Waffenstillstand und Friedensverhandlungen plädiere, werde ganz schnell als Moskau- oder Putin-treu beschimpft und an den Pranger gestellt, kritisierte Wagenknecht. Ein anderes Thema: die AfD. Diese Partei sei in den vergangenen Jahren so stark geworden, weil viele Menschen entsetzt seien, wie schlecht das Land derzeit regiert werde. Dabei vermisst Wagenknecht eine ernsthafte Auseinandersetzung mit den Programm und Zielen dieser Partei. Wenn die AfD sage, der Krieg in der Ukraine muss sofort beendet werden, sei das auch ihre Meinung, so die Politikerin. Überhaupt nicht akzeptabel sei für sie dagegen die Forderung der AfD nach noch mehr Aufrüstung in Deutschland und ihr generell neoliberales Programm, durch das sich die Lebensverhältnisse derjenigen, die jetzt schon nicht auf Rosen gebettet seien, noch deutlich verschlechtern würde.
Vorbild für Rentensystem: Österreich
Konkret angesprochen auf die Situation vieler Rentner in Deutschland, sprach Wagenknecht von einen "demütigenden Zustand", wenn Menschen, die ihr Leben lang gearbeitet haben, aufgrund schmaler Renten ihren Ruhestand nicht genießen können, weil sie Einschränkungen hinnehmen oder ihren Kindern auf der Tasche liegen müssen. Ein Beispiel, wie diesem Dilemma beizukommen sei, sieht die Politikerin im Nachbarland Österreich. Dort zahlten alle in eine Rentenkasse ein. Der Betrag sei etwas höher als in Deutschland. Resultat sie jedoch, dass die meisten Rentner in ihrem Ruhestand ein gutes Auskommen haben.
Bündnis will langsam wachsen
Mit Blick auf das neu gegründete Bündnis sprach Wagenknecht von etwa 15.000 Anträgen, mit denen bisher eine Unterstützung für die neue Partei bekundet wurde. Das mache sie sehr zuversichtlich, etwas bewegen zu können. Trotzdem wolle die neue Partei langsam und mit Bedacht wachsen. "Wir möchten die Menschen kennenlernen, bevor sie in unsere Partei kommen", betonte Wagenknecht. Damit will sie ausschließen, dass Kräfte in die Partei gelangen, die ihr eine andere Richtung geben, als es die Gründungsmitglieder geplant haben. "Ich will mir nicht einmal vorwerfen, eine Partei gegründet zu haben, wo ich nach zwei oder drei Jahren nicht mehr in den Spiegel schauen kann", so Wagenknecht.
Meistgelesen
- 1.
Mehrere PKW im Straßengraben gelandet: Unfälle nach Schnee und Glätte im Erzgebirge
- 2.
Abriss nach Scheunenbrand in Gersdorf: THW und Feuerwehr weiter am Einsatzort
- 3.
27-jähriger Fußgänger von Bahn erfasst: Einschränkungen im Schienenverkehr
- 4.
Rentner rammt beim Ausparken drei PKW: Frau zwischen Fahrzeugen eingeklemmt
- 5.
Polizeieinsatz in Leipziger Mehrfamilienhaus: Eine Person tot