Der Sachsenring-Sieger, der eigentlich keiner war

Motorsport Frantisek Stastny starb heute vor 20 Jahren

Sachsenring . 

Heute am 8. April vor 20 Jahren verstarb Frantisek Stastny im Alter von 72 Jahren. Der tschechische Motorradrennfahrer gehörte in den 1950er- und 1960er-Jahren zu den Publikumslieblingen am Sachsenring, was der ein oder andere Fan mit einem gleich lackierten Helmdesign zum Ausdruck brachte. 1954 stand er hier erstmals im Programmheft und 1958 nach dem Rennen der 350-ccm-Klasse als Zweiter hinter dem Schweizer Luigi Taveri erstmals auf dem Podest. Vier Motorrad-WM-Läufe konnte er in seiner Karriere gewinnen, wobei über seinen kuriosen Sieg 1966 auf dem Sachsenring seit dem und sicherlich noch viele weitere Jahre gesprochen wird bzw. gesprochen werden dürfte.

Vom Rennrad aufs Rennmotorrad

Frantisek Stastny erblickte am 12. November 1927 im mittelböhmischen Kochanky das Licht der Welt. Im Alter von 15 Jahren verschlug es ihn zunächst zum Radrennsport. Unter anderem nahm er 1948 an der Städtefahrt Prag-Warschau teil, was praktisch die Geburtsstunde der Friedensfahrt war. Dabei ereignete sich eine lustige Randgeschichte, denn nachdem Frantisek Stastny mit seinem Rennrad eine unliebsame Begegnung mit einer Straßenbahnschiene hatte und dieses daraufhin defekt war, fuhr er die Etappe mit dem Damenrad einer Zuschauerin zu Ende.

Unter falschem Namen

Sein erstes Motorradrennen bestritt er 1947 mit einer DKW 350 aus ehemaligen Wehrmachtsbeständen unter dem Namen seines Stiefbruders, denn eine Fahrerlaubnis besaß er damals sowie die nächsten vier Jahre nicht. 1952 startete er erstmals beim Grand Prix der Tschechoslowakei in Brno. Nach seinem siebenten Platz nahm ihn Jawa unter Vertrag, was seinem Aufstieg natürlich dienlich war. Dem tschechischen Motorradhersteller blieb er, bis auf kleine Ausnahmen mit einer ČZ oder einer MZ, immer treu.

1954 gewann er in der Klasse bis 250 ccm erstmals den tschechoslowakischen Grand Prix, der damals noch nicht zur Motorrad-Weltmeisterschaft zählte, aber international schon recht gut besetzt war. Im weiteren Verlauf seiner Karriere gewann er sein Heimrennen in Brno noch sechs Mal. In dieser Zeit entsandt Jawa seine Rennabteilung, zwar mit weniger Nachdruck als MZ, aber immerhin, fallweise auch zu WM-Läufen. So sammelte Frantisek Stastny 1957 im niederländischen Assen als Fünfter des 250er-Rennens seine ersten Weltmeisterschaftszähler.

Drei Jahre später folgte beim Saisonauftakt im französischen Clermont-Ferrand sein erster WM-Podestplatz. Bei den 350ern wurde er hinter dem Rhodesier Gary Hocking auf MV Agusta Zweiter, wie auch beim Finale im italienischen Monza. In der Endabrechnung belegte er den guten vierten Rang.

Internationale Erfolge mehren sich

Sein erster Triumph im Ausland gelang ihm beim nicht zur WM zählenden Großen Preis von Österreich ebenfalls 1960 in der Klasse bis 350 ccm. Danach folgte sein erfolgreichstes Jahr. Sowohl beim ersten 350er-WM-Rennen des Jahres in Hockenheim wie auch beim letzten im schwedischen Kristianstad gewann er vor seinem Landsmann und Teamkollegen Gustav Havel und musste in der WM-Gesamtwertung nur dem vierfachen Saisonsieger Gary Hocking den Vortritt lassen. So auch am Sachsenring, wo er beim WM-Debüt der sächsischen Rennstrecke als Zweiter zum zweiten Mal auf dem Podest stand.

1962 gelangen ihm zwei 350er-Podestplätze sowie der vierte WM-Rang und 1963 ein weiterer, ausgerechnet auf der gefürchteten Isle of Man. Nach einer mageren Ausbeute 1964 war 1965 mit dem dritten Grand-Prix-Sieg seiner Karriere beim Ulster-GP auf dem Dundrod Circuit bei Belfast sowie WM-Endrang sechs ein weiteres sehr gutes Jahr für Frantisek Stastny.

Der Sieg der keiner war

Waren seine drei bisherigen GP-Siege mit unterlegenem Material gegen überlegene westliche Motorrad-Marken hochverdient, kam sein vierter und letzter Sieg in einem WM-Lauf eher glücklich, vor allem aber skurril zustande. Man schrieb den 17. Juli 1966. Ort des Geschehens war der Sachsenring bei Hohenstein-Ernstthal. Ins letzte Motorradrennen des Tages (Klasse bis 500 ccm, es folgte zum Abschluss noch ein internationales Rennen der Formel III) gingen der Italiener Giacomo Agostini und der Brite Mike Hailwood als haushohe Favoriten. Nachdem Hailwoods Honda den Dienst quittierte, hatte Agostini freie Fahrt und fuhr einem ungefährdeten Sieg entgegen. Nachdem er alle Gegner sogar überrundet hatte, stürzte er in der 20. und letzten Runde nach dem "Heiteren Blick", zum Glück ohne sich ernsthaft zu verletzen. Nun tauchte der zweitplatzierte Frantisek Stastny als vermeintlich Erster bei Start und Ziel auf und wurde abgewinkt. Allerdings hatte der erst 19 Runden absolviert und wurde daraufhin für noch eine weitere Runde noch einmal ins Rennen geschickt.

Nach der ganzen Konfusion wurde das Rennen mit dem Stand nach der 19. Runde gewertet und Frantisek Stastny anstatt Giacomo Agostini zum Sieger erklärt, was nachweislich falsch war. Dennoch wurde an diesem Rennausgang nicht mehr gerüttelt und Frantisek Stastny hatte seinen vierten GP-Sieg in der Tasche. Später sagte die ehrliche Haut Frantisek Stastny einmal, dass er sehr stolz sei, mit meist unterlegenem Maschinenmaterial alle seine Gegner mindestens einmal auf der Strecke besiegt zu haben - außer Giacomo Agostini. Dass dies nur mit entsprechendem Einsatz möglich war, leuchtet ein. So sind seine 33 Knochenbrüche im Laufe seiner Karriere wenig verwunderlich, wenngleich er nie ein Kamikaze-Pilot war. 1971 stand Frantisek Stastny zum letzten Mal bei einem Motorradrennen auf dem Siegerpodest.

Inselgeschichten

Als die größten Erfolge seiner Karriere nannte er später einmal nicht seine Siege in WM-Rennen oder seinen Vize-WM-Titel 1961, sondern seine beiden Podiumsplätze auf der Isle of Man 1962 und 1963 jeweils in der Junior TT (Klasse bis 350 ccm). Hier war er 1957 erstmals und 1966 letztmalig am Start. In seinem Abschiedsjahr nahm er gleich in drei Klassen teil und erlebte im Training bei zirka 230 Kilometern pro Stunde einen seiner schwersten Stürze. Zwar kam er vergleichsweise glimpflich davon, war danach aber alles andere als renntauglich. Dennoch schwang er sich wenige Tage später wieder in den Sattel, verpasste im Rennen der Klasse bis 250 ccm als Vierter das Podium nur knapp. Im Rennen der Halbliterklasse belegte er Platz fünf.

Kurz vor seinem Tod im Jahr 2000 wurde ihm die vielleicht größte Ehre zuteil, als man ihm mittels einer Umfrage des tschechischen Autoklubs zum tschechischen "Motorsportler des Jahrhunderts" wählte.



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