Zwickau. Drei Jahre nachdem der zweifachen Rallye-Weltmeister Walter Röhrl zu einer gediegenen Abendveranstaltung im August-Horch-Museum Zwickau weilte und Rallye-Fans erstklassig unterhielt, kam dessen langjähriger Beifahrer Christian Geistdörfer zu einem ähnlich aufgezogenen Event in die westsächsische Automobilbau-Stadt. Der Ideengeber war diesmal Peter Weidinger. Der Sportvorstand des ADAC Sachsen nahm in diesem Jahr wieder an der traditionell in Zwickau beginnenden Sachsen Classic teil und hatte sich Christian Geistdörfer als Co-Piloten in seinen privaten Porsche geholt. Dabei entspann sich die Idee eines Rallye-Abends für die Zwischensaison.
Monolog statt Dialog
Gemäß des Mottos " Ein Abend mit Rallye-Copilot Christian Geistdörfer" gab dieser, zwangsläufig und seiner ehemaligen Position im Auto entsprechend, aus einem etwas anderen Blickwinkel ebenfalls tiefe Einblicke in den Rallyesport der 1970er- und 1980er-Jahre. Während Walter Röhrls Erlebnisse einst in Interview-Form dargereicht wurden, unterhielt der 69-jährige Münchner die rund 170 Gäste mit einem etwa dreistündigen Monolog. Dieser wurde durch nette Videoeinspielungen aufgelockert und durch eine Pause geteilt. Pause hatten allerdings nur die Gäste und Rallye-Fans, denn Christian Geistdörfer hatte in dieser alle Hände voll zu tun, alles Mögliche zu signieren. Vornehmlich sein Ende 2020 erschienenes vierte Buch "Unsere 4 Monte-Siege - Walter Röhrls Meisterstück", welches zum Kauf zum Preis von 49,90 Euro angeboten wurde. Gleichzeitig wurden die aufgepeppten Bücher der auf 400 Stück limitierten Sonderausgabe zum Preis von 300 Euro feilgeboten. Diese waren aber nur die Notvariante, denn eigentlich sollte Christian Geistdörfers fünftes und jüngstes Buch von diesem Jahr mit dem Titel "Walter Röhrl: 75 Jahre einer Legende" im Mittelpunkt stehen. Dieses war im Frühjahr anlässlich des 75. Geburtstages des "Jahrhundert-Rallye-Fahrers" erschienen, "... doch das ist leider vergriffen und wird jetzt nachgedruckt", so der Autor.
Episoden mit Aha-Erlebnissen
Beim Streifzug durch seine Karriere, die von 1974 bis 1990 andauerte und von September 1977 bis 1987 parallel mit jener von Walter Röhrl verlief, wurden einige alte Geschichten, vor allem aber bis dato weniger bekannte Episoden vom gelernten Bankkaufmann hervorgekramt. So zum Beispiel über seine einstige Manipulation einer Stempeluhr mittels einer dänischen Krone, seine Horrorfahrten auf dem wirklich heißen Sitz neben dem zügellosen Draufgänger Walter Smolej als Opel-Werks-(Bei-)fahrer und seinem angedachten sofortigen Rücktritt nach einem schweren Unfall mit selbigem. Ebenso thematisierte er seine Erlebnisse mit dem finnischen Haudegen Rauno Altonen, der schon mal beim Abendessen seine Erklärungen auf Tischdecken im wahrsten Sinne des Wortes untermalte oder wie er von Walter Röhrl im legendären Audi Quattro S1 mit über 260 Sachen durch den Wald chauffiert wurde. "Was beim Aufschrieb Bäume am Wegesrand waren, erschien mir auf der Prüfung als langer Zaun mit Holzlatten. Das war gar nicht lustig", führte Christian Geistdörfer dazu aus.
WM-Lauf in Kanada
Zuvor war er nach einer losen Freundschaft, die er mit dem "Langen" zum Beispiel beim gemeinsamen Skifahren unterhielt, quasi über Nacht von Opel ins Werksteam zu Fiat übergelaufen. Bei der zur EM zählenden Rallye San Martino di Castrozza in Italien hatten Walter Röhrl und Christian Geistdörfer im September 1977 den Fiat-Sportchef Daniele Audetto mit Walter Röhrls privaten Porsche derart überzeugt, dass er sie stehenden Fußes für den nachfolgenden Rallye-WM-Lauf in Kanada verpflichtete. Während Walter Röhrl per Telefon dem Opel-Teamchef Jochen Berger kurz und knapp mitteilte, dass sie jetzt erst einmal eine Rallye für Fiat bestreiten würden und die Verbindung unmittelbar danach aus unerklärlichen Gründen schlechter wurde und schließlich ganz zusammenbrach, bestellte Christian Geistdörfer einen Koffer voll Wäsche für weitere drei Wochen bei seiner Mutter, den sie nachschicken sollte.
Mercedes-Projekt
Eine weitere Episode drehte sich um Mercedes, die 1981 beginnend mit Röhrl/Geistdörfer die Rallye-Welt erobern wollten, um drei Jahre später das 100-jährige Bestehen mit dem Rallye-WM-Titel zu feiern. Das Projekt wurde aber wieder eingestellt, bevor es so richtig Fahrt aufgenommen hatte.
"Es war die geilste Zeit"
Am Ende des unterhaltsamen Abends verabschiedete sich Christian Geistdörfer mit den Worten: "Es war die geilste Zeit, die ich im Rallye-Sport erleben durfte und ich bin froh, heute hier bei guter Gesundheit vor ihnen zu stehen."
erschienen am 25.11.2022