Crimmitschau/Region. Die eine ist jung, groß und forsch - der andere nicht mehr ganz so jung, nicht ganz so groß und etwas gemütlicher: Die Rede ist von Kristina vom Dorf, die als Sachsen-Muddi auf Instagram der absolute Hit ist - und Gunter Böhnke, der sächsischen Kabarett-Legende, Mitbegründer der "Academixer" in Leipzig und bildete jahrzehntelang ein kongeniales Dialekt-Duo mit Bernd-Lutz Lange. Wie passt das zusammen? "Perfekt", da sind sich die beiden einig. BLICK.de-Redaktionsleiter Marcus Hansel führte ein Doppelinterview mit den beiden, die im Herbst gemeinsam auf Tour gehen und so beispielsweise am 2. November in Crimmitschau zu erleben sind.

Als Einstiegsfrage: Wie kam das Kennenlernen zustande und was gab den Ausschlag, gemeinsam auf Tour zu gehen?

Gunter Böhnke (GB): "Kristina hat mich im Sommer 2023 interviewt. Sie wollte ein Buch über Sachsen schreiben und dazu mit einem echten Sachsen, der auch noch sächsisch spricht, reden. Das war in der Kümmelapotheke in Leipzig. Und: Sie war mir völlig unbekannt. Aber ich habe mich ab dem ersten Moment gefreut, sie zu sehen und kennenlernen - das ist auch heute noch so (lächelt).

Kristina vom Dorf (KvD): Ich kannte Gunter Böhnke aus meinen Recherchen, aber die vielen Hintergründe und seine Sketche aus dem TV waren mir beim ersten Treffen völlig unbekannt. Als ich ihm angeschrieben habe, war er sofort dabei und hat mir stundenlang alle Fragen beantwortet, die ich hatte. Dabei habe ich gemerkt, dass es zwischen uns passt und wir eigentlich unbedingt zusammen auf die Bühne müssen. Da meinte er "Frau Kristina, das machen wir i- ch frage bei den "Academixern" an. Und drei Tage später rief er mich an und hat mir Terminvorschläge genannt. Dafür bin ich ihm heute noch dankbar. Im Herbst 2023 hatten wir dann unseren ersten gemeinsamen Auftritt.

 

Worauf dürfen sich die Zuschauer bei den gemeinsamen Auftritten freuen?

GB: Das weiß ich noch nicht. Was jedoch auf der Bühne zu finden sein wird, ist eine erstaunliche Harmonie zwischen einer sehr jungen Frau und einem alten, weißen Mann. Wir haben uns über die sächsische Sprache gefunden. Und die Zuschauer dürfen sich sicher auch auf ein paar kleine Pannen freuen.

KvD: Denkst du, wir sind doch absolute Profis?!

GB: Ich kann mich erinnern, dass ich beim letzten Mal etwas übersprungen habe. Und dann wusste ich nicht, ob ich zurückrudern soll und das nachholen. Aber du hast das ja gar nicht gemerkt.

KvD: Das stimmt: Und wie du eben gesagt hast, ist das Interessante bei uns die Mischung: Alt gegen Jung, Klein gegen Groß. Der eine stand schon gefühlte 1000 Jahre auf der Bühne und ich bin durch Social Media auf die Bühne gekommen. Die Mischung macht es einfach. Ach ja: Und wir sollten BLICK.de sicher auch nicht verraten, dass du deine Manuskripte hinter der Bühne vergessen hast.

GB: Nein, das machen wir nicht. Da ich noch beweglich bin, hab ich die drei Stufen zweimal geschafft und die Zettel noch geholt.

 

Warum ist Sächsisch eigentlich so wichtig und wie wäre eine Welt ohne sächsisches Wortgut?

GB: Sächsisch ist eine Sprache der Verständigung. Das heißt: Der Sachse sagt nicht gleich "nee, das machmor ne", sondern eher "nuja, da missmer ma guggn, vielleischt findn wir da ne Mehschlichgeit". Der Sachse ist kompromissbereit und passt sich immer an - im positiven wie im negativen.

KvD: Und nicht nur Sächsisch ist wichtig, sondern Dialekt allgemein. Es gibt immer mehr "Dialektfluencer" in den sozialen Medien - wie man das inzwischen nennt - und das ist richtig so.

GB: Es gibt ja keine Sprache ohne Dialekt. Das ist mir auch auf Reisen nach Irland und Schottland aufgefallen, wo ich als jemand, der die englische Sprache kennt (Anm. der Redaktion: Böhnke ist studierter Anglistiker und arbeitete jahrzehntelang als Übersetzer), plötzlich nichts mehr verstanden habe.

KvD: Und viele glauben ja auch, dass Dialekte nur schmutziges Hochdeutsch sind bei uns, doch das ist Irrglauben. Denn die Dialekte waren zuerst da.

GB: Mein Kollege Bernd-Lutz Lange hat immer einen polnischen Wissenschaftler zitiert, der sagte: "Der Dialekt ist der Aufstand gegen die Hochsprache". Doch diese war noch gar nicht da, als es den Dialekt schon lange gab. Und beispielsweise hat Martin Luther die Bibel ins Obersächsisch übersetzt - nicht ins Hochdeutsche.

 

Wieso ist Sächsisch einer der unbeliebtesten Dialekte? Und beispielsweise Bayrisch der beliebteste?

GB: Wieso gerade Bayrisch so beliebt ist, ist mir auch unklar. Aber bereits in den 1920er Jahren haben die Sachsen sich sprachlich infrage gestellt. Da wurde immer eine Gemütlichkeit und Langsamkeit unterstellt und auch eine sprachliche Unterschätzung betrieben. Da wurde immer viel ins Lächerliche gezogen. Und auch heute noch: Wenn jemand mit sächsischer Sprache im TV auftritt, dann ist das meist kein echter Sachse - und das merkt man sofort.

KvD: Und es hängt auch ganz oft damit zusammen, dass die Leute von Kleinauf eingeredet bekommen, dass Sächsisch nicht schön klingt. Und es kommt auf den Menschen anl. Wenn man mit einem richtigen Ekel redet, der aus Bayern kommt und bayrisch spricht, dann verbindet man mit diesem Dialekt zukünftig eher etwas Negatives. Und wenn man einer tollen Sächsin, die richtiges sächsisch spricht, begegnet, dann hat man sicher eher eine positive Verbindung damit. Man darf keine Vorurteile haben.

 

Wie wird es mit dem Dialekt weitergehen? Wird in 100 Jahren noch Sächsisch gesprochen?

GB: Es ist schon so, dass es den ursächsischen Dialekt fast nicht mehr gibt. Nur noch in ein paar Dörfern im Erzgebirge. Die habe ich aber noch nicht besucht. Aber das habe ich mir fest vorgenommen. Und es wird auch in 100 Jahren noch Sächsisch gesprochen werden, aber weniger als heute.

 

Was kann ein richtiger Sachse, was kein anderer Mensch kann?

GB: In dem Buch von Jürgen Hart "Die unernste Geschichte Sachsens" gibt es eine Aussage: Die sächsische Geschichte ist eine Folge von mehr oder weniger gutartigen Katastrophen aus deren Ergebnis der Sachse schließlich ein Mensch von vorsichtigem Draufgängertum, emsiger Bequemlichkeit, engstirniger Weitsicht, gemütlicher Unleidlichkeit und erfindungsreicher Anpassung geworden ist.

 

Gibt es Menschen aus Sachsen, die Sie bewundern und zu denen Sie aufschauen?

KvD: Das war einer der Hauptgründe für mich, mein Buch zu schreiben. Denn es gibt viele Sachsen aus der Vergangenheit, zu denen man aufblickt. Aber jetzt brauchte es auch mal eine Frau unter 40, die für sächsisches Wortgut steht. Da musste ich mich beeilen (lacht).

GB: Obwohl ich ja mittelgroß bin, schaue ich zu den vielen Erfindern aus Sachsen auf. Es gab einen Wissenschaftler aus Sachsen, Hebestreit hieß er, de wurde von August dem Starken zu einer Expedition nach Afrika geschickt um exotische Tiere für den Kurfürsten mitbringen. Leider ist August jedoch zur Zeit der Expedition gestorben, als Hebestreit auf dem Fluss Senegal unterwegs war und das Vorhaben wurde abgebrochen. Aber er hat neben Tieren auch Kunstgegenstände und ethnologische Gegenstände mitgebracht. Seine Aufzeichnungen sind später in Halle veröffentlichen worden, aber die mitgebrachten Sachen sind in der Julirevolution in alle Winde verstreut worden. Und die Sachen haben viele Sachen mit "M" erfunden: Meißner Porzellan, Melitta-Kaffeefilter, Malimo-Handtücher und die TherMoskanne.

Welche Lieblingsorte haben Sie in Sachsen?

GB: Ich habe seit kurzem einen Lieblingsort in Sachsen: Wir waren im Urlaub in Sayda bei Freiberg, ein einstiger Bergbaugebiet. Dort gibt es das Schloss Purschenstein, das jetzt ein Holländer gekauft hat. Dazu gehörten eins zwei Vorwerke, wo Angestellte wohnten, die sich um die Ländereien gekümmert haben. Das große Vorwerk ist heute in Privatbesitz. Und das kleine Vorwerk ist ein wunderbarer Gasthof mit Übernachtungsmöglichkeit.

KvD: Aber das kann doch nicht dein Lieblingsort sein. Die Antwort akzeptiere ich nicht. Mein Lieblingsort ist immer mein Heimatsort Langenreinsdorf. Dort fühle ich Heimat und rede auch ganz schnell richtigen Dialekt.

GB: Ich muss ehrlich sagen, dass ich 20 Jahre in Dresden gelebt habe, die Stadt, in der ich geboren bin. Aber mit zunehmender Zeit ist das Heimatgefühl, wenn ich von Leipzig Richtung Dresden gefahren bin, immer weniger geworden. Jetzt ist Leipzig meine gefühlte Heimatstadt. Nach dem Studium war ich zwei Jahre in Berlin - und trotzdem hat es mich nach Leipzig zurückgezogen. Daran hat natürlich auch das Kabarett einen Anteil. Ich kann es nicht erklären, aber die damals wirklich verwahrloste Stadt, in der die Birken in den Dachrinnen wuchsen, hat mich in ihren Bann gezogen.

KvD: Ich kenn ja Leipzig nur schön, aber die Stadt hat es mir angetan. Ich liebe dort die Mischung aus nicht zu groß und nicht zu klein als gebürtiges Dorfkind.

GB: Ich bin ja auch in einem kleinen Dorf groß geworden, was später zu Dresden eingemeindet wurde. Meine Großmutter hat immer gesagt: "Komm, heute fahren wir in die Stadt auf den Postplatz - und du bleibst schön auf dem Trottoir (ein altes Wort für Gehweg).

 

Die Tourdaten von Kristina vom Dorf im Herbst:

September

Do., 26.9: Academixer Leipzig mit Gunter Böhnke (19.30 Uhr) - Tickets bei Eventim.

Fr., 27.9: Taura (19 Uhr) Tickets über das Gemeindeamt Taura unter 03724/131619

Oktober

Fr., 11.10: Lesung im Haus der Begegnung Olbernhau, Ticketreservierung im Theater Variabel: 037360/75797, Vorverkauf: Tourist-Information Olbernhau

Sa. ,12.10: Börse Coswig mit Gunter Böhnke (20 Uhr) Tickets bei Eventim.

November :

Sa, 2.11: Theater Crimmitschau mit Gunter Böhnke (19.30 Uhr) Tickets bei Eventim.

Do., 14.11: LVZ Kuppel Leipzig mit Gunter Böhnke Tickets: Ticketgalerie.de