Plauen. "Wir müssen was tun!" Vor 33 Jahren saß der 19-jährige Gunnar Tessarczyk ganz heimlich mit seinen Arbeitskollegen zusammen. Sie haben damals - im Oktober 1989 - in Plauen einen Stein ins Rollen gebracht, der letztlich das Ende der DDR-Diktatur und die Wiedervereinigung des damals geteilten Deutschlands bedeutete. Denn Gunnar gehörte zu den "Organisatoren" der friedlichen Revolution von Plauen. 15.000 Menschen gingen auf die Straße. Zu viele für die DDR-Parteispitze, um den Aufstand blutig niederzuschlagen. Der eingesetzte Wasserwerfer wurde abgezogen. Der Rest ist Geschichte. "Wir sind das Volk" eroberte die Freiheit. "Dass wir jetzt in einer Demokratie leben, das ist nicht selbstverständlich. Deshalb müssen wir sie auch verteidigen", stellte Oberbürgermeister Steffen Zenner als Gastgeber voran.
Kerzen waren das Symbol einer beispiellosen Friedensbewegung
Heute ist der ehemalige Wenzel-Verner-Oberschüler aus dem Mammengebiet in der Ostvorstadt genau wie damals ein bescheidener, beliebter Arbeiter, der einst sogar zu den Klassenbesten gehörte. Gunnar Tessarczyk erlebte am Freitagabend die Gedenkveranstaltung zur Friedlichen Revolution in Plauen mit. Und der heute 52-Jährige zündete zusammen mit Dr. Skadi Jennicke ganz leise eine Kerze am Nebeneingangsportal der Lutherkirche an. Für alle jüngeren Leser: Die Kerzen waren seinerzeit das Symbol einer beispiellosen Friedensbewegung. Hunderttausende gingen in der ehemaligen DDR auf die Straße, weil sie nicht in Freiheit leben und reisen oder gar die eigene Meinung frei äußern durften.
Demonstranten von 1989 haben das nicht gewusst wie die Geschichte ausgeht
Dr. Skadi Jennicke ist die Bürgermeisterin der Messestadt Leipzig. Sie sagte den Plauenern: "Wir haben es heute leicht drüber zu sprechen. Denn wir wissen wie die Geschichte ausgegangen ist. Die Demonstranten vom 7. Oktober 1989 haben das nicht gewusst. Es ist ganz wichtig, dass wir ihren Mut zur Veränderung, zur Transformation, für immer würdigen. Das Zukunftszentrum kann nach meinem Empfinden nur in Sachsen entstehen, weil hier der Mut zur Veränderung am größten war und ist", stellte die Leipziger Bürgermeisterin und Beigeordnete für Kultur für sich fest. Unter anderem wird von Sachsen aus ein Zukunftszug zu den Menschen in Europa fahren, um mit ihren ins Gespräch zu kommen und für die Demokratie zu werben.
Viel Prominenz in Plauen
Auf der Bühne am Wende-Denkmal begrüßte Plauens Oberbürgermeister hochkarätige Prominenz. Die Bundestagsvizepräsidentin Yvonne Magwas sprach ebenso zu den Plauenern wie Staatssekretär Dr. Frank Pfeil, der genau wie Yvonne Magwas das "Zukunftszentrum für Deutsche Einheit und Europäische Transformation nach Sachsen holen möchte. Mich hat das Plauen-Leipziger Konzept überzeugt. Leider sitze ich nicht in der Jury", scherzte Dr. Frank Pfeil. Yvonne Magwas hatte am Freitag noch einmal ausführlich über den Besuch der Bundesbeauftragten für die Opfer der SED-Diktatur informiert. Evelyn Zupke hatte sich wegen ihrer Neutralität nicht positioniert, aber den Plauenern für die Bewerbung ganz herzlich gedankt. "Der Bezug zur Friedlichen Revolution wie ihn Plauen aufweist, ist etwas, was mich persönlich anspricht. Der Deutschen Einheit ging schließlich die Friedliche Revolution und jahrzehntelanger Widerstand voraus. Es waren mutige Menschen in der DDR und ebenso auch in weiteren osteuropäischen Ländern, die die Freiheit erkämpft haben."
Einer der bekanntesten Leipziger Bürgerrechtler war auch zu Gast
In dieser wunderbaren Atmosphäre traten im Anschluss der ehemalige Bundestagsabgeordnete und Mitglied des Neuen Forums Rolf Schwanitz vom Verein Vogtland 89 e.V. sowie der Leipziger Bürgerrechtler Tobias Hollitzer auf die Bühne. Sie verlasen einen Aufruf, der ab 9. Oktober dann auch die Stadt Leipzig präsentiert. "Dieser Aufruf richtet sich insbesondere an die Jury und die politischen Entscheidungsträger in Berlin. Er wurde bei den Gedenkveranstaltungen zur Friedlichen Revolution am 7. Oktober 2022 in Plauen und am 9. Oktober 2022 in Leipzig erstmalig veröffentlicht und per Akklamation unterstützt. Der Aufruf trägt den Titel: Zukunft braucht Erinnerung und Erinnerung braucht Ereignisorte. Wir sagen: Das Zukunftszentrum gehört nach Leipzig und nach Plauen!" Der gesamte Text ist online unter der Adresse https://idz-plauen89.de/zukunftszentrum.html veröffentlicht worden.
Über 100 Kerzen als Mahnmal
Das Blechbläserquartett des Vogtlandkonservatoriums machte diesen 7. Oktober zu einem eindrucksvollen Bekenntnis einer ganzen Region, die durch die Hofer Bürgermeisterin Angela Bier komplettiert wurde. Zu dieser Gedenkveranstaltung der Friedlichen Revolution gehört traditionell das Kerzenanzünden. Über 100 Kerzen leuchteten vor dem Portal der Lutherkirche in Richtung Rathaus, wo die Demonstranten vor 33 Jahren die bewaffneten Streitkräfte der DDR-Organe mit ihrem Mut in die Knie gezwungen hatten. Plauen wurde damals als Heldenstadt gefeiert!
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