Plauen. Seine Einraumwohnung in Plauen sieht eher nicht aus wie die eines Senioren. Joachim Panneks Zimmer gleicht eher einem betriebsamen Büro, mit Stiften, Schere, Zetteln, Papieren und noch mehr. Auch wenn man es auf den ersten Blick kaum zu denken vermag, der 95-Jährige weiß, wo er was findet, wo alles seinen Platz hat in seiner ganz persönlichen Ordnung. An neuen Sachen tüfteln und Zaubertricks vorführen, da ist Joachim Pannek voll in seinem Element. Jetzt will er sich einem aktuellen Problem widmen, der Energieeinsparung. Dabei denkt er an ein Patent.
Behende holt er seine Zeichnung auf einem A4-Blatt Papier hervor. "Auf der ganzen Welt fahren Züge. Deren Achsen drehen sich und tun nichts, dabei könnten sie das doch", erklärt er. Durch eine Motorradkette oder etwas Ähnliches, Schlitze im Boden der Eisenbahnwaggons und kleine Generatoren. "Diese laden die Akkus voll und erzeugen Strom. Kostenlos." Ob es funktionieren würde? "Jede Sache ist neu." Panneck grübelt gerne, so wie früher sein Vater und er als Kind.
Verschmitzt von Anfang an
"Schon in der ersten Klasse sollte ich mit Kreide eine Linie ziehen. Da habe ich die Kreide längs an die Tafel gelegt." Der Lehrer habe nicht schlecht geschaut. Der Senior schaut verschmitzt. Seine Familie stammt aus Breslau. "In der Schule war ich in der Mittelklasse. Mit 18 Jahren wurden wir alle eingezogen, kamen im Januar 1945 zum Ersatzbataillon in der Tschechei."
Über seine Familie:
Die Mutter flüchtete mit den beiden kleineren Kindern, seine Schwester war beim Roten Kreuz tätig. Der Krieg ging zu Ende. "Wir verstecken uns am Tage, wanderten nachts durch die Tschechei. Eines Tages waren früh alle 15 weg, und ich stand allein da", erinnert sich Joachim Pannek. Der junge Mann landete in Merseburg. Dort erfuhr er, dass er in Halle nach seiner Familie schauen sollte, weil dort viele Breslauer wären. "In jeder Stadt hingen Suchzettel, mit denen Menschen ihre Angehörigen suchten." Pannek hatte Glück, er fand seine Familie im Sommer 1945 wieder. "Ich wollte dann Feinmechaniker oder Uhrmacher lernen, aber es gab keine Lehrstelle. Ich sollte Müller lernen, weil wir Verwandte in Schlesien hatten, die eine Mühle besaßen." Die Mutter fragte beim Chef einer Wassermühle an. "Ich stand auf Platz 60, hatte eigentlich keine Chance auf eine Lehrstelle. Dann kam der Chef, seine Sekretärin wäre geflüchtet und die Liste mit den 60 Namen weg. So rutschte ich auf Platz eins." Fast ein Wunder. Und zum christlichen Glauben fand der junge Mann auch noch. "Bei einer Jugendstunde fragte der junge Pfarrer uns: 'Wer will sein Leben Jesus übergeben?' Ich sagte: 'Ich will mehr von Jesus wissen.'" Heute hängt ein Kreuz über seiner Zimmertür.
Ein Aufruf das Wismut, dass Leute gebraucht werden, brachte Joachim Pannek nach Johanngeorgenstadt. "Ich arbeitete zehn Jahre unter Tage." Im Erzgebirge lernte er auch seine Frau kennen; sie starb später an einer Krankheit. An die dortige Kirchgemeinde fand er Anschluss. Nebenbei lernte er Uhrmacher. Durch seine zweite Frau, die auch christlich war, kam Pannek schließlich nach Plauen, wo er heute lebt.
40 Jahre Zauberer
"Ich war auch 40 Jahre als Zauberer tätig", sagt er und zeigt sogleich einen Zaubertrick mit einem Gürtel und einen zweiten mit Karten. "Ich mach' das, was augenscheinlich nicht geht." Sein Vorbild darin war sein Vater. Er hatte im Leuna-Werk damals einen Magnetmotor "Mamo" konstruiert. "Nur gab es in der DDR nicht genug Material." Durch eine weitere Erfindung sollte Altöl wiederverwendet werden. "Mein Vater hatte einen Renator erfunden, ein Ölreinigungsgerät." Das Reichspatent, das er damals in München bekam, hat der Sohn in Breslau wiedergefunden. "Unser Haus steht noch, dort lag es."
"Ich suche das nicht, es fällt mir ein"
Immer wieder zu tüfteln, daran hält er fest. "Ich suche das nicht, es fällt mir ein", sagt er. Wie etwa die Lupe über dem kleinen Tisch am Bett, die an einem Hebel befestigt ist, damit er Zeitung lesen kann und dabei beide Hände freihat.
Gesellig ist der heute alleinstehende Senior auch, seine Freundin und er rufen sich regelmäßig an oder besuchen sich. "Sie habe ich am Tunnel getroffen, als ich auf dem Rollator saß und wie sie auf die Straßenbahn wartete." Da kam man ins Gespräch. "Sie spielt mir jeden Abend am Telefon auf der Mundharmonika vor. Sie war mal in einem Orchester."
Joachim Pannek selbst spielte mal Posaune in einem Chor, aber das geht heute nicht mehr. Wegen der Prothese. Aber erfinden, das funktioniert. Für seinen Knackfinger, der nachts weh tut, hat er eine Schiene gebaut, aus Plastik und einem Strumpfende. "Geht nicht, gibt's nicht", ist seine Überzeugung.
erschienen am 27.02.2023