Plauen. Heute vor 33 Jahren gingen in Plauen die Menschen auf die Straße. Sie brachten den Stein ins Rollen, der das Ende der DDR-Diktatur besiegeln sollte. Für die Spitzenstadt geht es derzeit um unglaublich viel Geld und etwas ganz Großes. Denn der Bund stellt 200 Millionen Euro für die Errichtung des "Zukunftszentrums für Deutsche Einheit und Europäische Transformation" bereit. Plauen und Leipzig haben sich im Doppelpack gemeinsam beworben. Die beiden "Heldenstädte der Wende" haben inzwischen zahlreiche Fürsprecher.
Wofür gibt der Staat 200 Millionen Euro aus?
Zum besseren Verständnis: Das Zukunftszentrum ist eines der wichtigsten Projekte für die Festigung der Deutschen Einheit und des Zusammenhalts in Europa in den kommenden Jahren. "Es ist ein Symbol für das vereinte Deutschland und die hier lebenden Menschen. Wir starten jetzt den Standortwettbewerb", kündigte Carsten Schneider, Staatsminister und Beauftragter der Bundesregierung für Ostdeutschland, an. Eine Jury muss die Kandidaten beurteilen. Als aussichtsreich gelten Plauen/Leipzig ebenso wie Frankfurt/Oder, Jena beziehungsweise vielleicht auch Halle? Es gibt noch mehr Bewerber! Der künftige Standort bekommt dann übrigens jährlich weitere 40 Millionen Euro "Unterhalt" für die Betreibung des "Zukunftszentrums". Das erklärt, weshalb die sogenannten Heldenstädte Plauen und Leipzig nicht automatisch zum offiziellen Symbol der deutschen Einheit gemacht werden. Bei solchen Summen ist der "Andrang" entsprechend groß.
Bundesbeauftragte für die Opfer der SED-Diktatur begrüßt die Bewerbung
Im Vogtland und in Leipzig hofft man, dass die Expertenkommission unter Vorsitz des früheren Ministerpräsidenten Matthias Platzeck sich für den sächsischen Doppelstandort des Zukunftszentrums entscheidet. Das "Urteil" soll Ende 2022 verkündet werden. Der Bau soll bis 2028 fertig sein. Bemerkenswert: Die Bundesbeauftragte für die Opfer der SED-Diktatur - Evelyn Zupke - folgte jetzt der Einladung der Bundestagsvizepräsidentin Yvonne Magwas (CDU). In Plauen stellte Evelyn Zupke klar: "Als SED-Opferbeauftragte bin ich in der Kandidaten-Frage natürlich unparteiisch und freue mich über jede Stadt, die für sich wirbt. Der Bezug zur Friedlichen Revolution wie ihn Plauen aufweist, ist etwas, was mich persönlich anspricht. Der Deutschen Einheit ging schließlich die Friedliche Revolution und jahrzehntelanger Widerstand voraus. Es waren mutige Menschen in der DDR und ebenso auch in weiteren osteuropäischen Ländern, die die Freiheit erkämpft haben. Vor der Einheit kam die Freiheit, wie Joachim Gauck es einmal ausgedrückt hat", so Evelyn Zupke. In der historisch so bedeutsamen Woche vom 3. bis 7. Oktober setzte Evelyn Zupke als Bundesbeauftragte für die Opfer der SED-Diktatur ein Zeichen. Auf der Agenda standen ein Schulgespräch, der Besuch der "Blackbox" zum Thema Jugendwerkhöfe in der DDR, ein Austausch mit Opfern des SED-Regimes sowie die eingangs erwähnte Bewerbung Plauen/Leipzig um das "Zukunftszentrum für Deutsche Einheit und Europäische Transformation".
Eine Würdigung der mutigen Menschen
Yvonne Magwas betonte: "Mir war es wichtig, dass die SED-Opferbeauftragte Plauen kennenlernt. Die Stadt bringt alles mit, was der Standort für das geplante Zukunftszentrum für Deutsche Einheit und Europäische Transformation benötig. Die Spitzenstadt ist ein Ort mit einer historisch unglaublich großen Identität. Wir leben Transformation, können unsere Erfahrungen aus der Arbeit und den Beziehungen im Vier-Ländereck sowie der Euregio-Egrensis einbringen. Für das Vogtland als ländlicher Raum bietet der Wissenschafts- und Forschungsteil des Zukunftszentrums eine große Chance. Aber vor allem geht es um Anerkennung, um die Würdigung der mutigen Menschen, die 1989 für Freiheit und Demokratie auf die Straße gingen", sagt Yvonne Magwas.
Gespräch zum Zukunftszentrum
Bei einem gemeinsamen Treffen stellten Plauens Oberbürgermeister Steffen Zenner und CDU-Fraktions- und Stadtverbandsvorsitzender Jörg Schmidt der SED-Opferbeauftragten das Konzept für das geplante Zukunftszentrum vor. Evelyn Zupke resümierte: "Mit der ersten Großdemonstration in der DDR, am 7. Oktober 1989, hat Plauen einen wesentlichen Beitrag zur Friedlichen Revolution und Deutschen Einheit geleistet. Es ist aus meiner Sicht nur folgerichtig, dass Plauen gemeinsam mit Leipzig seinen Hut in den Ring wirft für das Zukunftszentrum Europäische Transformation und Deutsche Einheit", so Evelyn Zupke.
Austausch mit vogtländischen Opfern des SED-Regimes
Nachdem die Stasi-Unterlagenbehörde Teil des Bundesarchivs wurde, hat der Deutsche Bundestag 2021 das Amt der SED-Opferbeauftragten neu geschaffen. Evelyn Zupke will den Opfern eine Stimme geben. Sie hat selbst erlebt, wie erbarmungslos das DDR-System sein konnte. Deshalb brachte Yvonne Magwas sie bei ihrem Besuch mit Akteuren der Friedlichen Revolution und Opfern des SED-Systems aus dem Vogtland zusammen. Bei dem intensiven und emotionalen Austausch ging es neben persönlichen Schicksalen unter anderem um den Bundeshärtefallfonds, bessere Entschädigung bei Zwangsaussiedlungen und die Erhöhung der Opferrente.
"Aufklärung und Aufarbeitung sind auch nach über 30 Jahren Friedliche Revolution und Deutsche Einheit erforderlich. Gerade bei uns im Vogtland ist die Zahl der Menschen, die Opfer von staatlicher Repression wurden, besonders hoch. Viele kämpfen seit Jahren um Gerechtigkeit und Entschädigung, leiden bis heute unter den Folgen von damals", erklärt die vogtländische Bundestagsabgeordnete.
Schülergespräch an Dittes-Oberschule und Besuch der "Blackbox"
Beim Besuch der Plauener Dittes-Oberschule erzählte Evelyn Zupke den Mädchen und Jungen der 10. Klasse aus ihrem Leben als DDR-Bürgerrechtlerin. Sie berichtete von ihren Anfängen als "sozialistisches Musterkind", wie sie als Jugendliche nach und nach die Widersprüche des Systems erkannte und schließlich zur Oppositionellen wurde. Die Klasse war sehr interessiert und stellte viele Fragen. Der Besuch der "Blackbox" diente im Anschluss der Aufarbeitung. Knapp 30 Jugendwerkhöfe zur Umerziehung "schwieriger" Jugendlicher gab es in der DDR. Gemeinsam mit der SED-Opferbeauftragten besuchte Yvonne Magwas auf dem Plauener Theaterplatz die "Blackbox" - ein interaktiver Lernort zur repressiven DDR-Heimerziehung. Mit Dr. Christian Gaubert, Projektmitarbeiter der Gedenkstätte Geschlossener Jugendwerkhof Torgau, sprachen sie über den Jungendwerkhof "Schloß Voigtsberg" Oelsnitz und das Spezialkinderheim "Friedenswacht" Triebel. "Das Kapitel um die DDR-Jugendwerkhöfe benötigt mehr Aufarbeitung, auch bei uns im Vogtland. Mit den damaligen Geschehnissen in Oelsnitz und Triebel wird sich noch zu wenig auseinandergesetzt. Danke an den Colorido e.V., der die Wanderausstellung zu uns ins Vogtland brachte und damit für dieses Thema sensibilisiert", betonte Yvonne Magwas.
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