Plauen. 273 Kilometer in einem Ritt rund um den Bodensee laufen? Das schafft doch keiner. "Jeder Mensch kann über sich hinauswachsen. Ich möchte genau das am 12. September schaffen und hoffe, dass ich am 14. September wieder zurück in Lindau bin", kündigt Christin Ziehr ein neues Ziel an. Die zierliche Frau bringt derzeit das Vogtland immer wieder zum Staunen. Heute hat die Unternehmerin 5.655 Euro übergeben. Das Geld haben 25 Spender locker gemacht, nachdem die Plauenerin binnen 24 Stunden im Vogtlandstadion 140 Kilometer und damit 350 Runden gewandert war. Für die Weltmeisterin im Ultra-Wandern war dieser Spendenlauf "wirklich eine Herzensangelegenheit. Ich möchte mit diesem Geld schwerkranken Kindern und deren Familien eine Freude machen", betonte Christin im Beisein ihrer Eltern, Gerd und Kerstin Ziehr.

Wenn Petra von ihrer Arbeit spricht, verschlägt es einem die Sprache

Wie die alleinerziehende Mama alles unter einen Hut bringt, das fragen sich viele. Denn die Pflegedienstleiterin ist die Junior-Chefin im Ambulanten Pflegedienst mit Herz. Das Plauener Unternehmen ist seit 1995 erfolgreich und im Familienbetrieb ist Christin quasi auf- und hineingewachsen. Die 37-Jährige ist scheinbar besonders empathisch für alle, die "ein gutes Herz" haben. So wie Petra Zehe zum Beispiel. Wenn diese Frau von ihrer Arbeit spricht, verschlägt es einem die Sprache. Denn Petra hat den Ambulanten Hospiz- und Beratungsdienst Nächstenliebe e.V. gegründet. Der Verein betreut derzeit rund 200 kranke Menschen, elf Familien mit schwerstkranken Kindern und außerdem noch 61 trauernde Kinder. "Wenn der Tod gekommen ist, geht für die Angehörigen das Leben weiter. Für Eltern und Geschwister beginnt oft eine unglaublich schlimme Zeit, in der wir diesen Betroffenen die Hand halten", erzählt die Krankenschwester.

Wann der Tod kommt, weiß man nie...

Petra ist als Master Palliative Care & pädiatrische Palliative Care zusammen mit 80 Ehrenamtlichen rund um die Uhr im Einsatz: "Wann der Tod kommt, weiß man nie." Es ist ruhig geworden im Raum. Erst jetzt wird deutlich, wofür dieser Spendenlauf gewesen ist. Es war so schönes Wetter im Vogtlandstadion, als Christin freudestrahlend durchs Ziel lief. Jetzt regnet es draußen und es geht um sterbende Kinder. Um Familien, die bald eine Tragödie erfahren und das alles vorher schon wissen. Fragen stellt keiner mehr. Alle hören nur noch zu. Und Petra erzählt weiter: "Am 8. Juni besuchen wir den Waldpark Grünheide. Dort machen wir uns einen schönen Tag. Mit diesem Spendengeld können wir auch noch Kinobesuche, Jugendweihefeiern, kleine Einkaufsbummel und Weihnachtsgeschenke finanzieren." Für manche ihrer Schützlinge ist es das letzte Mal. Petra spricht es nicht aus. Aber die Anwesenden können es spüren.

80 Ehrenamtliche vom Hospizdienst wachsen über sich hinaus

Thomas Fritzlar, der Präsident des VFC Plauen, senkt den Blick zu Boden. Als Unterstützer des Spendenlaufs war dem Sportfunktionär genau wie allen anderen Spendern nicht klar, wie dramatisch die Lage für Hospizfamilien ist. Und weil diese vom Leben tödlich getroffenen Menschen den gesellschaftlichen Rückzug antreten, um alleine zu sein, erfährt die Welt nur ganz wenig über dieses Tabuthema. "Ich habe jetzt in dieser kurzen Zeit, unglaublich viel gelernt und mitgenommen", stellte der Fußballpräsident nach dem "Kaffeekränzchen" fest. Christin Ziehr will übrigens am 28. Juni die 171 Kilometer rund um den Kölner Dom wandern und am 3./4. August wartet der Rennsteig-Weltcup. Dann wird sie vielleicht wieder über sich hinauswachsen. So wie es die 80 Ehrenamtlichen vom Ambulanten Hospiz- und Beratungsdienst Nächstenliebe e.V. ständig tun. Ein besonderes Dankeschön geht an das Audizentrum Vogtland (1.750 Euro), den Berufsverband ABVP (1.000 Euro) und den Ambulanten Pflegedienst mit Herz (500 Euro) sowie alle weiteren Spender.