Reuth. Die Bagger und die gesamte Produktionsanlage standen still. Kein Lkw mit der Aufschrift Derichebourg fuhr. Am Donnerstag Punkt um sechs Uhr in der Frühe waren die knapp 30 Beschäftigten da, aber sie blieben vor dem Betriebstor. Warnstreik war in der Derichebourg Umwelt GmbH in Reuth, einer Recyclingfirma, angesagt.
Warum gestreikt wird?
Es geht ihnen um eine ordentliche Bezahlung und bessere Arbeitsbedingungen, sagen die Arbeiter. Sie stehen bei Wind und Wetter auf dem Platz, es ist eine körperlich schwere Arbeit. Sie tragen Ohren- und Augenschutz. "Aber das Billigste", sagt einer von ihnen. Gespart wird nicht nur beim Arbeitsschutz, sondern auch bei der Bezahlung. Wo diese liegt? "Knapp über dem Mindestlohn", so die Antwort. Unterstützung bekamen die Reuther Arbeiter von der IG Metall Zwickau. "Bei einem Unternehmen mit Standorten in Ost- und Westdeutschland wird mit zweierlei Maß gemessen", sagt Gewerkschaftssekretär Stefan Fischer. "Während die Beschäftigten der Derichebourg-Niederlassung Nürnberg gerade einen Tarifvertrag abgeschlossen haben, wehrt sich dasselbe Unternehmen für den ostdeutschen Standort im vogtländischen Reuth nach Leibeskräften gegen Mitbestimmung und mehr Demokratie im Betrieb." Mehr als 30 Jahre nach der Wende müsse endlich Schluss sein mit dieser Mauer in den Köpfen.
Deutlicher Unterschied
Am dritten Standort des Unternehmens in Karlsruhe, wo es einen Tarifvertrag gibt, zeigt sich der Unterschied noch deutlicher. Hier bekommen die Mitarbeiter bei einer Wochenarbeitszeit von 37 Stunden bei einem Lohn von mindestens 2900 Euro brutto (zuzüglich mehrerer Sonderzahlungen), so Fischer. "Die Belegschaft in Reuth arbeitet jede Woche drei Stunden länger und das zum Teil für knapp über dem Mindestlohn." Nach Schätzungen der IG Metall Zwickau beträgt der Lohnabstand zu den anderen beiden Standorten in Karlsruhe und Nürnberg 40 bis 50 Prozent. "Genau sagen können wir es nicht, da sich die Geschäftsleitung weigert, uns die in der ersten Tarifverhandlung im November 2023 zugesicherten Zahlen zu übermitteln", erläutert Stefan Fischer.
"Bessere Kommunikation und Transparenz"
Jahrelang gab es in dem Reuther Unternehmen keinen Betriebsrat. Voriges Jahr wurde ein solcher gegründet. "Wir wollten eine bessere Kommunikation untereinander und Transparenz, dass man uns in die Entscheidungen des Betriebes mit einbezieht", begründet Philipp Röhn, der Vorsitzende. Ihm zur Seite stehen Ingo Hering und Mike Bruneit. Die Gründung sei schwierig gewesen, erinnern sie sich. Auch da bekam man Unterstützung von der IG Metall Zwickau. Im September begannen dann die Tarifverhandlungen. Und am 19. März gab es erstmals einen Warnstreik, damals nur einen halben Tag.
In Reuth hat sich nichts bewegt
Während am Nürnberger Standort die Tarifverhandlungen zwischen Arbeitnehmervertretung und Arbeitgeber im April zum Abschluss gebracht wurden, so Fischer, habe sich in Reuth wenig getan. "Im Vogtland setzt man auf Verzögerungstaktik und ein spärliches Angebot von 2,3 Prozent mehr Lohn sowie eine Einmalzahlung von je 150 Euro für 2024 und 2025."
Damit wollen sich die Beschäftigten nicht abspeisen lassen. "Uns wurde gesagt, die fetten Jahre sind vorbei, wir hätten einige Jahre vorher mit unseren Forderungen kommen sollen", sagt Ingo Hering. Als Gründe, dass nicht mehr gezahlt wird, würden die schlechte Wirtschaftslage und die niedrigeren Lebenshaltungskosten im Vogtland genannt.
Keine Verhandlungsbereitschaft?
"Verhandlungsbereitschaft oder Spielraum der Derichebourg Umwelt GmbH sind nicht im Ansatz zu erkennen. Wenn es nach der Geschäftsleitung geht, können die Beschäftigten das Angebot genauso nehmen oder es lassen - dieses Verhalten passt zur Stimmung im Betrieb, aber nicht zu einem wertschätzenden Umgang mit der eigenen Belegschaft in Zeiten des Fachkräftemangels und deutlich gestiegener Lebenshaltungskosten, auch hier im Vogtland", kommentiert Thomas Knabel, Erster Bevollmächtigter der IG Metall Zwickau, die schleppenden Tarifverhandlungen, die sich so lange hinziehen.
"Die Kolleginnen und Kollegen kämpfen für gleiche Arbeitsbedingungen wie sie für die Beschäftigten in Karlsruhe schon seit Jahren gelten und ihnen ist auch klar, dass das nicht von heute auf morgen, sondern in Angleichungsschritten passiert. Aber zumindest ein echter Anfang muss jetzt her", sagt Stefan Fischer. Dafür standen die Mitarbeiter den ganzen Arbeitstag vor dem Tor der Reuther Derichebourg Umwelt GmbH, die sich als verantwortungsvoller Recycling-Spezialist in der Aufbereitung des hochwertigen Wertstoffs Metall bezeichnet. Eine Stellungnahme der Geschäftsführung in Düsseldorf war trotz Nachfrage vor Ort und auch telefonisch nicht möglich, soll aber noch schriftlich erfolgen.
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