Was ist Liebe? Fünf Theorien zum schönsten Gefühl der Welt

Forschung Schmetterlinge im Bauch, die rosarote Brille oder einfach ein Kribbeln: Was die Liebe so mit uns anstellt, wissen wir alle. Doch was ist eigentlich Liebe?

Liebe ist für die meisten von uns unfassbar. Dennoch versuchen Wissenschaftler, dieses Gefühl immer wieder zu erforschen. Hier einige ihrer Theorien. Entscheiden Sie selbst, ob Sie sich darin wiederfinden.

Liebe auf den ersten Blick gibt es nicht

So kann man das Ergebnis einer Studie von Wissenschaftlern der Universität im niederländischen Groningen etwas zugespitzt zusammenfassen. Sie haben rund 400 Versuchsteilnehmern Fotos von Männern und Frauen vorgelegt oder ein Speed Dating zwischen ihnen arrangiert. Nach den Treffen beziehungsweise dem intensiven Studium der Bilder mussten die Teilnehmer Fragebögen ausfüllen. Was waren ihre Gefühle, als sie ihren Gegenüber sahen? Körperliche Anziehung? Intimität? Verbundenheit?

Ist Liebe nur körperliche Anziehung?

Immerhin 32 Probanden erging es offenbar so. Sie gaben an, "Liebe auf den ersten Blick" gespürt zu haben. Und welche Gefühle hatten sie nun konkret bei den Begegnungen oder dem Ansehen der Fotos? Es war vor allem körperliche Anziehung. Intimität, Bindung und Leidenschaft wurden hingegen kaum genannt. Genau diese Gefühle sind es aber, die kennzeichnend für Liebe sind. Zumindest sehen die Autoren der Studie das so und kamen deswegen zu dem Schluss: "Liebe auf den ersten Blick" ist keine besondere Form der Liebe, sondern eine besondere Form der körperlichen Anziehung.

Die Liebe als Dreieck

Die "Liebe auf den ersten Blick"-Studie ist recht neu. Sie kann also auf den Ergebnissen anderer Forscher aufbauen, etwa den Arbeiten des US-Psychologen Robert J. Sternberg, der eine der bekanntesten Analysen zur Liebe durchgeführt hat. Sternberg hat Mitte der 1980er-Jahre die Liebe in drei Komponenten zerlegt, nämlich Intimität, Leidenschaft und Bindung. Inzwischen hat er sein Modell mehrfach erweitert und ergänzt, hinzugekommen ist zum Beispiel der Faktor "gemeinsame Vorstellung von Liebe".

Wichtig bei Sternbergs Modell ist nicht, dass Paare auf irgendwelchen Intimitäts-, Leidenschafts- oder Bindungs-Skalen besonders hohe Werte erzielen, sondern dass sie ähnliche Einstellungen dazu haben. Dass sie also zum Beispiel grundsätzlich darin übereinstimmen, ob sie viel oder wenig Freiraum brauchen und viel oder wenig Sex. Erst dann, so Sternberg, könne eine Beziehung gelingen, und man könne von Liebe sprechen.

Liebe ist, den anderen zu kennen

Eine ähnliche Liebe-Theorie hat auch der Psychologe und Buchautor Wolfgang Krüger ("So gelingt die Liebe - auch wenn der Partner nicht perfekt ist"). Krüger nennt sie aber anders, nämlich das "innere Drehbuch der Liebe". Seiner Ansicht nach hat jeder Mensch so ein Drehbuch im Kopf und gleicht es mit der Realität ab.

Doch auch wenn es dieses Drehbuch weitgehend ins wahre Leben geschafft hat, ist langjährige Liebe noch nicht garantiert. Denn spätestens, wenn die Partner zusammenziehen und Kinder bekommen, müssten Konflikte geklärt und Nähe neu ausgehandelt werden, so Krüger. "Liebe ist dann das Gefühl von Zusammengehörigkeit und Wertschätzung, wenn man den anderen wirklich kennengelernt hat und die ersten Konflikte meistern konnte", sagt er. Die Rolle von Hormonen bei der Liebe will Krüger nicht überschätzt sehen: "Natürlich unterstützen die Hormone das Verlangen nach Nähe, aber Liebe ist nicht im Kern ein hormoneller Prozess."

Ein Hormonschwall löst den anderen ab

Der Evolutionsbiologe und Buchautor Thomas Junker ("Die verborgene Natur der Liebe: Sex und Leidenschaft und wie wir die Richtigen finden") glaubt hingegen schon, dass Hormone eine große Rolle spielen. "Es gibt drei wichtige Hormonsysteme: Testosteron und Östrogen für die sexuelle Anziehung, Dopamin für die Verliebtheit und Oxytocin für die längerfristige Bindung", sagt er. Wenn zwei Menschen gut zueinander passten, folge eine Stufe auf die nächste. Wenn nicht, werde diese Kette unterbrochen.

Evolutionsbiologisch erklären lassen sich laut Junker aber nicht nur der Beziehungsanfang, sondern auch das Ende. So sei es in den Anfängen der Menschheit zunächst wichtig gewesen, dass der Mann einige Jahre bei der Familie blieb, sagt er. Wenn das Kind aber aus dem Gröbsten raus war, seien nicht mehr beide Elternteile permanent für die Kindererziehung nötig gewesen. Zeit also, sich nach etwas Neuem umzusehen.

Doppelte Fortpflanzungsstrategie

Eine ähnliche Erklärung hat vor einigen Jahren die Anthropologin Helen Fisher in einem "Spiegel"-Interview dafür gegeben, dass viele Ehen nach ungefähr vier Jahren geschieden werden. "Im Glücksfall", sagte sie, werde aus der etwa 18 Monate andauernden Verliebtheit mithilfe der sogenannten Kuschelhormone Oxytocin und Vasopressin Liebe. Aber eben nur im Glücksfall.

Viel wahrscheinlicher sei es, dass Beziehungen nach ein paar Jahren enden. Denn: "Der Mensch scheint dafür gebaut zu sein, jeweils ein Kind mit einem Partner zu haben und dann weiterzuziehen", so Fisher. Vor diesem Hintergrund ergibt auch eine andere ihrer Thesen Sinn. Dass man nämlich jemanden lieben und gleichzeitig verliebt sein kann. Denn theoretisch habe man so gleich zwei Fortpflanzungsoptionen, erklärte Fisher.

Sie haben es wahrscheinlich gemerkt: Die meisten Studien sind nichts für Romantiker. Das Gute ist aber, dass Sie, wenn Sie sich das nächste Mal verlieben, garantiert an keine davon denken werden.



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