Alle an einem Tisch versammelt und ins Spiel versunken statt jeder für sich am Smartphone: Gemeinsam zu spielen ist für Eltern und Kinder ein tolles Erlebnis. Mit ein paar Tipps und Tricks gelingt das auch.

Es braucht ein wenig Vorbereitung - und die richtigen Spiele.

Wie motiviere ich meine Kinder zum Spielen?

Fernsehen, Smartphone, Apps, Videospiele, Gesellschaftsspiele: Selten gab es mehr Konkurrenz um die Aufmerksamkeit der Kinder.

Wichtig ist es, früh genug die richtigen Anreize zu setzen. Dann motivieren Kinder sich selbst zum Spielen, sagt Prof. Jens Junge, Spielforscher am Institut für Ludologie.

"Jeder Mensch versucht, spielend seine Umgebung und seine Mitmenschen zu begreifen", sagt der Ludologe. "Alle Spiele und Spielmittel in der Wohnung haben einen Aufforderungscharakter."

Eltern haben es also in der Hand, wie motiviert ihr Kind für Gesellschaftsspiele ist. Auch durch das eigene Vorbild. 

"Wenn Kinder ihre Eltern beim Spielen beobachten, wird das wahrgenommen. Und irgendwann kommt die Lust auf, dabei zu sein", so Prof. Karin Falkenberg, Leiterin des Nürnberger Spielzeugmuseums.

Sie sagt: "Man muss das schon leben." Kindern einfach ein Brettspiel vor die Nase zu setzen, wird wenig Erfolg haben.

Wie bringe ich mehrere Kinder für ein Spiel zusammen?

Vielleicht kennen Sie das: Ein Kind will spielen, das andere nicht. Dem dritten ist alles egal. Was tun?

Brettspielexpertin Christina Valentiner-Branth, Leiterin der Brettspiel-Akademie, rät dazu, von Beginn an Fairness herzustellen. Also Spiele zu wählen, die für alle Beteiligten machbar sind.

Damit es keinen Streit darüber gibt, wer anfangen darf, wird das ausgewürfelt. Alle sehen: es geht gerecht zu.

Wenn die Kinder noch sehr klein sind, lasse ich mich auch darauf ein, dass sie anfangen dürfen. Aber sobald ältere Geschwister mit dabei sind, wird ausgewürfelt. Und dann darf auch mal der Papa oder die Mama anfangen.

Was noch hilft: eine schöne Spielathmosphäre herstellen mit Ruhe, Geduld und ungeteilter Aufmerksamkeit. Eine Packung Kekse zum Spiel hat auch noch nie geschadet.

Wichtig zur Vorbereitung: Nachschauen, ob das Spiel vollständig und schon spielbereit ist. Wer erst am Spieltisch die Anleitung liest, nimmt unnötig Tempo raus.

Und dann müssen noch Störfaktoren wie Smartphones vom Spieltisch verschwinden - auch die der Eltern.

Warum sind Gesellschaftsspiele so gut für Kinder?

Kinder erschließen sich ihre Umgebung und die Welt. Zunächst durch Anschauen, in den Mund nehmen und Ertasten. Später durch Fantasiespiele, Rollenspiele und mehr.

Gesellschaftsspiele sind für Kinder eine Chance, ihre Welt noch besser kennenzulernen und sich in verschiedenen Rollen auszuprobieren, sagt Jens Junge.

So lernen Kinder auch Regeln, Rücksicht und Empathie.

"Je mehr und je unterschiedlicher die Kinder spielen, desto besser lernen sie sich selbst kennen und desto besser kommen sie später mit unterschiedlichen Situationen klar", sagt Junge.

Durch das Ausprobieren im Spiel erlernen sie also, verschiedene Lösungsmöglichkeiten für eine Situation zu entwickeln - generell hilfreich im Leben. "Man kann sich austesten", so Junge.

Wie neugierig, verträglich, emotional, gelassen, tolerant und stabil bin ich in bestimmten Situationen? Das zeigt das Spiel.

"Impulskontrolle und faires Verhalten kann man nicht lernen, indem man ein Arbeitsblatt in der Schule ausfüllt", sagt Coach Christina Valentiner-Branth. Deswegen findet sie Gesellschaftsspiele für Kinder so wichtig. "Hier lernt man im besten Sinne Soft Skills wie emotionale Kontrolle und Teamfähigkeit."

Das heißt: Man muss sitzen, abwarten, Regeln einhalten und sich mal ein wenig für die Gruppe zurücknehmen. Das kann für Kinder ganz schön fordernd sein, nutzt ihnen aber auf lange Sicht.

Ganz nebenbei schulen viele Spiele auch Fähigkeiten im mathematischen, sprachlichen oder naturwissenschaftlichen Bereich.

"Im Spiel bereiten sich Kinder auf das vor, was in der nächsten Entwicklungsstufe kommt", sagt Valentiner-Branth. Das Spiel ist ein Feld zum Üben und Experimentieren, ob nun Rollenspiele, Konstruktionsspiele oder eben Regelspiele so wie es Brettspiele sind.

Ab welchem Alter können Kinder Brettspiele mitspielen?

Zuschauen geht immer, aber richtig mitspielen? Das geht frühestens ab einem Alter von vier Jahren, sagt Jens Junge. "Mit fünf sollte jedes Kind in der Lage sein, Brettspiele zu spielen."

Dann haben Kinder in der Regel ein Verständnis dafür, Regeln zu akzeptieren. Sie verstehen die Spielabläufe und wissen, wer wann und wie mitspielen darf.

Allerdings sollte man die Erwartungen nicht zu hoch hängen. Wirklich geordnet und diszipliniert mitzuspielen, muss der Nachwuchs erst lernen. Am besten geht man geduldig mit gutem Beispiel voran.

Und wählt Spiele, die für das Alter und die Fähigkeiten der Kinder geeignet sind.

Und wenn es mal nicht auf Anhieb klappt? 

"Bei ganz kleinen Kindern bin ich noch großzügig, was das Auslegen der Regeln angeht", sagt Christina Valentiner-Branth. Aber spätestens ab 5 Jahren müssen sich alle an die Spielregeln halten.

"Das fällt manchmal schwer, und genau das können wir im Spiel üben. Ich darf als Eltern bei Eskalation das Spiel einfach beenden und ein paar Tage später noch mal anbieten." Vielleicht klappt es dann ja schon besser.

Auch Frustration ist Teil des Spiels. Eltern stellen sich besser darauf ein. Beim Spiel kann und darf es ruhig auch mal hoch hergehen, sagt Karin Falkenberg.

Kinder sollten auch mal das Spielbrett hochschmeißen können, wenn sie verloren haben. Danach geht es dann eben nicht weiter, das würden sie dann sehen.

"Man lernt so, dass man auch mal verlieren kann", sagt Jens Junge. "Mit Schmerz und Niederlage umgehen zu lernen, ist wichtig."

Andersherum lernen die Kinder auch, sich mit Mitspielern zu freuen, wenn diese erfolgreich sind.

Wie finde ich gute und vor allem geeignete Spiele?

Mit Empfehlungslisten tun sich die Expertinnen und Experten schwer. Zu viele unterschiedliche Kinderinteressen, zu viele Spiele, um eines besonders auszuwählen.

Christina Valentiner-Branth empfiehlt diese Spieleklassiker für den Einstieg mit Drei- bis Sechsjährigen:

  1. "Tempo kleine Schnecke" (ein einfaches Farbwürfelspiel)
  2. "Obstgarten" (ein kooperatives Würfelspiel, das Farberkennung und Teamplay fördert)
  3. "Lotti Karotti" (Rennspiel mit einem lustigen Drehmechanismus)

Für ältere Kinder kommt es auf Fähigkeiten und Interessen an. Hier kann man sich an Klassiker wie "Catan: Das Spiel", "Monopoly" oder "Carcasonne" heranwagen. Oder man entscheidet sich für aktionsbetonte Spiele wie "Tabu".

Empfehlung für Eltern, die neue Spiele suchen: Was als "Spiel des Jahres" ausgezeichnet wurde, kann keine schlechte Sache sein. Dieses Siegel wird jedes Jahr von einer Expertenjury verliehen.

Für Kinder besonders geeignete Spiele sind mit der blauen Spielfigur "Kinderspiel des Jahres" ausgezeichnet.

Tipp: Ein Hinweis auf Spiele, die man über Altersgrenzen hinweg gut spielen kann, ist das Siegel "Generationenspiel". Es wird vom Verein "Spielecafé der Generationen – Jung und Alt spielt" verliehen und zeichnet Spiele aus, die man mit Kindern und Erwachsenen spielen kann - und die darüber hinaus auch eine gewisse Qualität haben.

Christina Valentiner-Branth rät außerdem zum Besuch der Stadtbibliothek. Hier gebe es häufig eine große Auswahl geeigneter Spiele und gute Beratung. "Außerdem kann man da mal mehr Spiele mitnehmen und schauen, was gefällt." 

Sie selbst stellt unter ihrem Instagram-Konto @brettspielakademie regelmäßig Spiele vor.

Wie verlässlich sind die Altersangaben?

Den aufgedruckten Altersangaben können Eltern folgen - es kommt allerdings auch ein wenig auf die Kinder an.

Manch ein Kind mag alt genug für ein bestimmtes Spiel, aber mit der Spieldauer überfordert sein. Und die richtige Alterseinstufung ist noch lange keine Garantie, dass ein Spiel gut bei den Kleinen ankommt.

Manchmal wählen Eltern ein Spiel nicht nur für die eigenen Kinder aus, sondern auch für eingeladene Freundinnen und Freunde. Dann setzen Sie besser nicht zu viel voraus.

"Es gibt Kinder, die haben auch mit acht Jahren noch nicht gewürfelt oder ein Kartenspiel gespielt", berichtet Christina Valentiner-Branth von ihrer Arbeit mit Schülerinnen und Schülern.

Faustregel: Ein höheres empfohlenes Alter als das Alter des Kindes ist schwierig - jünger geht aber immer.

Soll ich meine Kinder gewinnen lassen?

Spiel-Expertin Christina Valentiner-Branth sagt ganz klar: nein.

Dafür gibt es gute Gründe:

  • "Wenn ein Kind merkt, dass ich es mit Absicht gewinnen lasse, dann heißt das ja, ich traue ihm nicht zu, eigenständig zu gewinnen. Damit beschäme ich das Kind."
  • Die Kinder gewinnen zu lassen, nimmt dem Spiel etwas von seinem positiven Lerneffekt. Valentiner-Branth fragt: "Wie sollen die Kinder sonst lernen, ihre Gefühle auszuhalten?"

Alternative: Wenn die drohende Niederlage Kinder zu sehr frustriert, bietet man ihnen einen Ausweg - etwa eine Chance, auszusteigen.

Damit es erst gar nicht so weit kommt, ist die Auswahl des richtigen Spiels so wichtig. Laut der Expertin sollte...

  • das Kind das Spiel bewältigen können.
  • das Kind auch realistischerweise gewinnen können.
  • das Spiel einen höheren Glücksanteil haben.

Immer wichtig: Nie hänseln, niemanden auslachen oder kleinmachen, wenn das Spiel mal nicht gelingt.

"Wenn Kinder einen pfleglichen Umgang mit ihren Gefühlen beim Verlieren erleben, stärkt das die Frustrationstoleranz", sagt Valentiner-Branth.

Und dann macht das Spielen allen auch wirklich Spaß.