Schlafstörungen? Diese 7 Dinge sollten Sie wissen

Ursachen, Formen, Selbsthilfe Nur müde oder schon krank? Schlafprobleme sind noch keine Schlafstörung. Hält der Zustand aber länger an, sollten Sie sich Hilfe suchen. Was Sie wissen sollten, wenn Ihre Nachtruhe dauerhaft gestört ist.

Schwalmstadt/Köln. 

Sie haben immer wieder Probleme beim Einschlafen, wachen viel zu früh auf oder können nicht durchschlafen? Dann könnten Sie zu den Menschen zählen, die unter einer dauerhaften Schlafstörung leiden. Fachleute sprechen von chronischer Insomnie.

Hier kommen 7 Fakten zu einem Thema, das überraschend viele Menschen betrifft:

Fakt 1: Schlafstörungen sind weitverbreitet

Auch wenn Sie oft das Gefühl haben, nachts allein wach zu liegen - so allein sind Sie mit ihrem Leiden gar nicht. Seit Jahren steigt in Deutschland die Zahl der Menschen mit Schlafstörungen. Eine Untersuchung der Krankenkasse Barmer zeigt, dass der Anteil der Menschen mit entsprechender Diagnose zunimmt. 2012 waren fünf Prozent der Barmer-Versicherten betroffen, 2022 waren es schon sieben Prozent. Hochgerechnet auf die deutsche Bevölkerung ergibt das rund sechs Millionen Fälle.

Insomnie - was ist das überhaupt?

Insomnie sei als "nicht organisch bedingte Ein- und/oder Durchschlafstörung mit Beeinträchtigung des Tagesverhaltens" definiert, sagt Alfred Wiater, Schlafmediziner und früherer Vorstandsreferent bei der Deutschen Gesellschaft für Schlafforschung und Schlafmedizin (DGSM).

In der Schlafmedizin geht es vor allem um chronische Insomnien. Um diese handelt es sich, wenn:

  • sie einen Krankheitsverlauf von über drei Monaten haben
  • Störungen mehr als dreimal pro Woche auftreten.

Beeinträchtigungen können sich so zeigen:

  • Sie fühlen sich tagsüber schläfrig und demotiviert.
  • Sie leiden an Konzentrationsmangel.
  • Sie sind schnell reizbar.
  • Die Leistungsfähigkeit in Schule oder Beruf lässt nach.
  • Es kommt zu Problemen im sozialen Miteinander.

"Folgen von nicht erholsamem Schlaf sind Leistungsstörungen und depressive Verstimmungen", sagt Wiater.

Fakt 2: Alter und Geschlecht begünstigen Schlafstörungen

  • Laut Wiater leiden Männer rund anderthalbmal so häufig unter einer Schlafstörung wie Frauen.
  • Frauen klagen vor allem in der Adoleszenz, der Übergangszeit zwischen Kindheit und Erwachsenenalter, und in der Menopause häufiger über schlaflose Nächte.
  • Mit dem Wechsel vom Berufsleben in den Ruhestand scheint sich das Problem generell zu verschärfen: Im Alter ab 65 Jahren steigt die Häufigkeit von Insomnie auf bis zu 33 Prozent, macht Wiater deutlich.

Zu den Risikofaktoren zählen laut dem Experten weniger der Alterungsprozess selbst als vielmehr die Folgen von "Inaktivität und Unzufriedenheit im sozialen Umfeld".

Fakt 3: Es gibt verschiedene Formen der Schlafstörung

Was eine Schlafstörung im medizinischen Sinne ist, legt die internationale Klassifikation (ICSD-3) der Weltgesundheitsorganisation WHO fest.

Neben der typischen, nicht organisch bedingten Insomnie sind viele weitere Formen aufgeführt. "Etwa 90 verschiedene Diagnosen werden unterschieden", sagt Schlafmediziner Wiater.

Nach Auskunft des Zentrums für Schlafmedizin & Schlafforschung Intersom mit Sitz in Köln unterteilt die WHO Schlafstörungen in fünf Gruppen:

  • Insomnien: Dabei handelt es sich um Ein- und Durchschlafstörungen - die häufigste Form der Schlafstörung.
  • Schlafbezogene Atmungsstörungen wie krankhaftes Schnarchen, auch Obstruktives Schlafapnoe-Syndrom genannt.
  • Hypersomnien: Dahinter verbergen sich übermäßige Schläfrigkeit sowie die Schlafkrankheit Narkolepsie, bei der Betroffene tagsüber unwillkürlich einschlafen.
  • Parasomnien: Dazu zählen das Schlafwandeln, Alpträume, schlafbezogene Essstörungen oder nächtliche Panikzustände (Pavor nocturnus).
  • Schlafbezogene Bewegungsstörungen: Beispiele sind das Syndrom der unruhigen Beine (Restless-Legs-Syndrom) und das nächtliche Zähneknirschen (Bruxismus).

Nicht alle Schlafstörungen müssen zwangsläufig krankhaft sein.

Einschlafzuckungen oder Sprechen im Schlaf wertet die WHO zwar als Abweichung von der Norm, aber nicht als krankhaft - ebenso wie langes oder kurzes Schlafen.

Manche Menschen benötigen eben nur vier Stunden Schlaf, andere sind erst nach zehn Stunden ausgeschlafen. In Deutschland liegt der Durchschnitt laut Umfragen bei sieben bis siebeneinhalb Stunden, so Alfred Wiater.

Fakt 4: Häufige Ursache ist Stress

Die Ursachen für Schlafprobleme sind vielfältig. Was die Nachtruhe stören kann:

  • Erkältungen
  • Aufregung und Vorfreude vor einem bestimmten Ereignis
  • Finanzielle Sorgen oder Probleme in der Beziehung
  • zu wenig körperliche Bewegung

Kurzum: Häufig ist eine Form von Stress Schuld an Schlafstörungen.

Aber auch Krankheiten können eine Ursache sein - etwa solche, die mit chronischen Schmerzen oder starkem Juckreiz einhergehen, so Mediziner Wiater. Dazu zählten Rheuma oder Neurodermitis.

Auch Depressionen und Angstzustände oder posttraumatische Belastungsstörungen gingen oft mit Schlafstörungen einher.

Ebenso wie eine Schilddrüsenüber- oder -unterfunktion, ergänzt Susanne Diekelmann, Privatdozentin in Kognitiven Neurowissenschaften und Diplom-Psychologin vom Universitätsklinikum Tübingen.

Weitere Erkrankungen, die oft zusammen mit Schlafstörungen auftreten, sind laut Hans-Günter Weeß, Leiter des Schlafzentrums am Pfalzklinikum in Klingenmünster:

  • Herz-Kreislauf-Erkrankungen
  • Atemwegserkrankungen
  • Magenleiden und Sodbrennen
  • Gelenk- und Muskelerkrankungen
  • Kopfschmerzen und Migräne
  • Neurologische Erkrankungen
  • Hormonstörungen
  • Suchterkrankungen wie Alkoholismus

Fakt 5: Schlafmittel können Schlafstörungen verursachen

Schlafexperten raten aufgrund der vielen verschiedenen möglichen Ursachen davon ab, sich bei Schlafstörungen mit frei verkäuflichen Schlafmitteln selbst zu behandeln. Nehmen Sie solche Mittel zu spät am Abend ein, kommen Sie womöglich morgens schlechter aus dem Bett, sind den Tag über schläfrig und eingeschränkt reaktionsfähig.

Nach Auskunft der Bundesapothekerkammer können sie sogar selbst Schlafstörungen auslösen.

Rezeptfreie Schlafmittel sollten demnach immer nur eine Übergangslösung sein und nicht länger als zwei Wochen täglich eingenommen werden. Wer die Dosis danach plötzlich absetzt, riskiere erst recht Schlafstörungen, so die Kammer.

"Selbst wirksame Schlafmittel können immer nur Symptome überdecken", sagt Schlafmediziner Weeß. Besser sei es, die Ursache der Probleme zu suchen und zu lösen.

Fakt 6: Eine kognitive Therapie hilft besonders gut

Wann sollten Sie mit Ihren Schlafproblemen zum Arzt gehen? Nicht ganz eindeutig zu beantworten. "Der subjektive Leidensdruck ist ausschlaggebend", sagt Susanne Diekelmann.

Und der kann manchmal plötzlich entstehen:

  • Bei Akutereignissen wie Krampfanfällen oder akuter Atemnot müsse unverzüglich ein Arzt aufgesucht werden, rät Alfred Wiater.
  • Auch wenn sich eine chronische Insomnie eingeschlichen hat, sollte professionelle Hilfe in Anspruch genommen werden.

Laut den Experten lässt sich eine typische Schlafstörung am besten mit einer Psychotherapie kurieren. "Die effektivste Behandlung ist die kognitive Verhaltenstherapie", sagt Diekelmann. "Hier haben wir bei chronischen Insomnien die besten Erfolgsquoten, auch bessere als bei der medikamentösen Behandlung."

Gut zu wissen: Inzwischen gibt es zur Unterstützung die App Somnio, den Lizenzcode gibt es auf Rezept. In jedem Fall begleitet ein Experte die Therapie. Diese hat laut Diekelmann folgende drei Säulen:

  1. Entspannungstechniken: Begleitend kommen etwa autogenes Training, progressive Muskelentspannung oder Atemtherapie zum Einsatz. Die Techniken dienen der körperlichen, aber auch gedanklichen Entspannung.
  2. Kognitive Techniken: "Jetzt kann ich schon wieder nicht weiterschlafen, das wird morgen ein schwieriger Tag" - verfestigen sich solche Gedanken, sprechen Experten von einem kognitiven Teufelskreis und sich selbst erfüllenden Prophezeiungen. "Man arbeitet an negativen Grübelschleifen", beschreibt Diekelmann das therapeutische Vorgehen.
  3. Bettzeitrestriktion: Die Bettzeit wird verkürzt, um den Schlafdruck am Abend zu erhöhen. "Es geht darum, Vertrauen zu schaffen, dass der Körper sich den Schlaf holt, wenn er ihn braucht", sagt die Expertin. Wichtig sei, dass der Patient sein Schlafdefizit nicht tagsüber etwa durch einen Mittagsschlaf ausgleicht.

Bei erfolgsversprechenden Verläufen greife ab der vierten oder fünften Nacht ein "natürlicher Regulationsmechanismus". Idealerweise hätten Betroffene die Erkenntnis: "Auch ich kann schlafen." Nach einigen Wochen könne die natürliche Schlafdauer des Patienten wieder erreicht sein - und damit eine "hohe Schlafeffizienz".

Manche Schlafstörungen lassen sich mit Medikamenten behandeln, zum Beispiel das Restless-Legs-Syndrom.

Für die Wirksamkeit homöopathischer Mittel gibt es aus schulmedizinischer Sicht dagegen "wenig Evidenz, dass es hilft", sagt Diekelmann. Möglich sei jedoch ein Placebo-Effekt, der dazu führe, dass sich Betroffene zumindest weniger Sorgen machen.

Fakt 7: Schlafmangel kann krank machen

So vielfältig die Ursachen, so vielfältig sind auch die langfristigen Folgen, wenn Schlafstörungen länger anhalten und nicht erfolgreich therapiert werden. Dann steigt laut Alfred Wiater und anderen Schlafmedizinern das Risiko für:

  • Herz-Kreislaufprobleme: Ein dauerhafter Mangel an gesundem Schlaf kann Herzinfarkte und Bluthochdruck begünstigen.
  • Metabolische Störungen: Das sind Stoffwechselerkrankungen wie Fettleibigkeit (Adipositas) und die Zuckerkrankheit (Diabetes mellitus).
  • Immunologische Störungen: Wer zu wenig schläft, schwächt seine Abwehrkräfte und ist anfälliger für Infektionskrankheiten.
  • Psychische Erkrankungen: Dazu zählen Depressionen und Angststörungen. Bei älteren Menschen besteht ein erhöhtes Risiko, an Demenz zu erkranken.

Auch wer eine obstruktive Schlafapnoe - eine schlafbezogene Atmungsstörung - nicht behandelt, riskiert seine Gesundheit. Betroffene schnarchen häufig laut, haben nächtliche Atemaussetzer und fühlen sich tagsüber gerädert.

"Diese Atemaussetzer sind langfristig sehr gesundheitsschädlich und können ebenfalls zu Herz-Kreislauferkrankungen, Schlaganfällen und Diabetes führen. Auch verfrühte Sterblichkeit ist bei diesen Patienten nachgewiesen", sagt Susanne Diekelmann.

Als Standardtherapie empfiehlt die DGSM "Continuous Positive Airway Pressure" - dazu setzen Patienten nachts eine ärztlich verordnete CPAP-Maske auf, die über Nase und Mund getragen wird. Über einen Schlauch wird kontinuierlich Luft mit leichtem Überdruck in die Atemwege geblasen. "Der Gedanke daran ist für viele unangenehm", sagt Diekelmann. "Aber mit dieser Maske zu schlafen ist hilfreich."

Aus der Hanfpflanze gewonnen: Hilft CBD weiter?

Auch das nicht verschreibungspflichtige Cannabidiol (CBD), das u.a. in Tropfenform verkauft wird, ist laut Schlafmedizinern keine klare Empfehlung wert.

Forschungsergebnisse seien bislang nur vorläufig, betont Schlafexperte Wiater. Sie deuteten zwar darauf hin, dass CBD bei einer Reihe von Schlafstörungen helfen könne – darunter Schlaflosigkeit, Störung der Traumschlafphase und übermäßige Tagesschläfrigkeit. CBD zeige eine beruhigende Wirkung auf das Nervensystem.

Doch laut der US-amerikanischen Sleep Foundation ist die wissenschaftliche Gültigkeit der Wirksamkeit von CBD noch weitgehend unklar. "Die Forschung über die Auswirkungen von CBD auf Schlafstörungen ist noch nicht abgeschlossen", so die Stiftung.

So hätten Schmerzpatienten berichtet, nach der Einnahme von Cannabidiol besser zu schlafen. Es sei jedoch noch unklar, ob sie aufgrund einer schmerzlindernden Wirkung besser schlafen oder weil CBD ihren Schlaf direkt beeinflusst.

"Weitere Forschung ist erforderlich, um unser Verständnis von CBD als Mittel gegen Schlafstörungen zu vertiefen", resümiert die Sleep Foundation.

Klar ist: Im Gegensatz zu Tetrahydrocannabinol (THC) führt CBD laut Sleep Foundation selbst in großen Dosen nicht zum Gefühl, "high" zu sein. Studien hätten zudem gezeigt, dass zumindest kurzfristiger Konsum nicht zu Entzugserscheinungen führe.



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