Es ist kurz vor Einbruch der Dunkelheit und regnet in Strömen. Die nächste Straße ist stundenweit entfernt - und da, wo eben noch ein Waldpfad war, blockiert jetzt eine riesige Schlammlache den Weg. Knietief sinken die Autos darin ein, schlittern übers Bodenblech, und auch mit allem Schwung der Welt ist da nicht durchzukommen - erst recht, wenn es auch noch steil bergauf geht.
Zugegeben, wer sein SUV wie die allermeisten nur zwischen Garage und Geschäft fährt und am Wochenende vielleicht mal an den Waldrand, der wird nie vor solchen Herausforderungen stehen. Doch die wenigen, die den Namen Geländewagen beim Wort nehmen, die suchen solche Situationen bisweilen sogar und zahlen bei Abenteuern wie dem Offroad-Wettbewerb Superkarpata in Rumänien ein Heidengeld dafür, dass sie jemand auf vermeintlich ausweglose Pisten schickt.
Denn für sie ist es eine sportliche Herausforderung, ihren eigenen Weg durch dick und dünn zu finden. Und wie bei jedem Sport kommt es dabei neben der Einstellung auf die richtige Ausrüstung oder - um beim Auto zu bleiben - Ausstattung an, so der Österreicher Georg Müller-Hartburg, der das Spektakel für über 100 Autos seit fast 20 Jahren organisiert.
"Wo andere auf Alufelgen Wert legen, auf Sitzheizung oder elektronische Wellnessprogramme, ist für uns die Winde das wichtigste Extra", sagt Teilnehmer Florian Graf aus dem hessischen Bischoffen, der im Hauptberuf Kfz-Gutachter ist und sich zum ersten Mal ins Abenteuer im rumänischen Nirgendwo gestürzt hat.
Rustikale Fahrgeräte
Daheim im Land Rover Defender unterwegs, sitzt er diesmal am Steuer eines Ineos Grenadier und freut sich an der Kraft der Winde, die ihn Zentimeter für Zentimeters durch den Schlamm zieht. Der Geländewagen ist einer der wenigen, der sogar ab Werk mit einem solchen Extra ausgerüstet werden kann: Im vorderen Stoßfänger integriert und mit einer Fernbedienung gekoppelt kann sich der Grenadier damit auch aus diesem Dreck ziehen.
Aber die Winde allein ist nur die halbe Miete, so Graf - man braucht auch eine große Menge an Zubehör. Mit sogenannten Baumgurten wird das Seil um die Stämme geschlungen, ohne dass die Rinde Schaden nimmt. Schäkelhaken sind nötig, um das Seil an anderen Autos zu befestigen, und mit Umlenkrollen oder Verlängerungen findet man vielleicht auch dort noch einen Halt, wo eigentlich gar kein Befestigungspunkt ist.
Die Winde brauchen Offroader aber nicht nur, um sich selbst aus dem Dreck zu ziehen oder um den Wagen an einem steilen, schlammigen Gefälle zu sichern, erklärt Elmar Schulz, der als Offroad-Guide für den Veranstalter Abenteuer 4x4 im Einsatz ist.
"Sondern vor allem, wenn man im Team unterwegs ist, wird man mit Winde zu einem gern gesehen Begleiter und kann festgefahrene Kollegen bergen." Die stärksten Autos im Team und natürlich die mit Winde sollten deshalb immer als erste den Berg rauf oder als letzte wieder herunterfahren und können den anderen dann helfen, so der Experte.
Von der Axt bis zum Zusatzscheinwerfer
Mit der Winde kommt man zwar weit, doch für Etappen fernab der Zivilisation sind noch ein paar mehr Ausrüstungsgegenstände hilfreich, sagt Georg Müller-Hartburg.
"Da sind die Packlisten gerne mal etwas länger". Darauf gehören nach seiner Erfahrung etwa sogenannte Sandbleche. Die werden mittlerweile längst auch aus Kunststoff angeboten und verhindern, dass der Wagen im losen Untergrund einsinkt. Mit einem Spaten lassen sich Bodenwellen glätten oder Löcher zuschaufeln
Und eine Axt oder eine Kettensäge sind so wichtig, dass viele Teilnehmer sie sogar außen am Wagen befestigen - weil sich damit entweder der Weg freischneiden lässt, oder weil man damit Holzstücke zurechtstutzt und in allzu tiefe Spurrillen legen kann.
Spätestens nach Einbruch der Dämmerung sind auch die Zusatzscheinwerfer und LED-Leisten sinnvoll, die sich viele Expeditionsteilnehmer ans Dach oder an die Stoßfänger schrauben. Und wer abends endlich das Etappenziel erreicht hat, freut sich über die Dachreling, an der zwischen zwei Autos eine Plane über das Nachtlager gespannt wird.
Wiederholungstäter montieren an ihren Geländewagen bisweilen sogar Markisen und Vorzelte, wie man sie sonst vom Campingplatz kennt, hat Schulz beobachtet.
Immer in Bewegung bleiben und den Weg erkunden
"Die Ausrüstung ist extrem wichtig", sagt Müller-Hartburg, "aber wichtiger noch ist das Fahrkönnen". Wer sich auf Abenteuer wie die Superkarpata einlasse, der müsse sein Fahrzeug absolut beherrschen und wissen, wie man im Gelände unterwegs ist.
Das beginne bei der groben Wahl der Route, der Absprache mit den betreffenden Behörden und der Polizei und der Orientierung auf Karten und GPS. Und das endet bei den grundlegenden Fahrtugenden abseits des Asphalts.
"Immer in Bewegung bleiben und nur dort anhalten, wo man auch sicher wieder anfahren kann", formuliert Offroad-Instruktor Elmar Schulz als Grundregel.
Er mahnt genügend Schwung an, wenn es durch schweres Terrain oder auf steile Hügel geht, und vor allem Streckenkunde: So müssten im Zweifel die Beifahrer aussteigen, um nach der Beschaffenheit des Weges zu schauen, die Wassertiefe an einem Bachlauf zu prüfen oder den Fahrer mit klar definierten Handzeichen Millimeter für Millimeter durch Engstellen oder über Hindernisse zu lotsen.
Wasser Marsch am Ende - oder den Schmutz als Auszeichnung feiern
Die Winde mit Seil und Haken, Sandbleche, Axt, Säge und Spaten - all das kann helfen, damit ein Geländewagen seinen eigenen Weg durchs Niemandsland findet. Doch es gehören noch zwei weitere Gerätschaften zur Ausrüstung, die spätestens am Ende des Abenteuers zum Einsatz kommen, so Teilnehmer Andreas Ignaz: der Kompressor mit 12-Volt-Anschluss und der mobile Hochdruckreiniger.
"Ersteren braucht man, um den im Gelände oft abgesenkten Reifendruck für die Straße wieder anzuheben. Und mit letzterem sollte man den Dreck runter spritzen, bevor man sich wieder in den normalen Verkehr mischt." Zumindest von den Scheinwerfern, dem Kennzeichen und aus den Radkästen, damit andere Autofahrer nicht gefährdet werden und die Polizei keinen Grund zum Klagen hat.
"Überall sonst darf der Dreck allerdings bis zu Hause dran bleiben", sagt Ignaz: "Sportler tragen ihre Medaille auf dem Heimweg schließlich auch um den Hals und nicht im Handgepäck."