Achtsamkeit ist gut für die Gesundheit. So weit, so bekannt. Doch wer auf seine Psyche achtet, kann dadurch auch erfolgreicher im Job sein. Und: Ein glückliches Arbeitsleben sorgt wiederum für ein Gefühl von Sinnhaftigkeit und Erfüllung.
Psychologe Prof. Hannes Zacher von der Universität Leipzig erforscht die immer intensiver und komplexer werdende Arbeitswelt und ihre Herausforderungen. Die Erholungsforscherin Prof. Verena Haun weiß, wie man mit einfachen Mitteln effizient seine Akkus laden kann. Beide geben Ihnen wertvolle Tipps für Ihren Arbeitsalltag.
Wenn Sie gestresst oder sogar unzufrieden sind, hilft zunächst ein tieferer Blick auf die Herausforderungen, die Ihnen im Job begegnen - und die möglichen Lösungen.
Was bremst Sie im Job aus?
Vieles kann uns daran hindern, unsere Bestleistung zu zeigen: Es ist zu laut im Büro, das Arbeitspensum stimmt nicht, man streitet dauernd mit Kolleginnen und Kollegen. Oder die Aufgabe passt nicht zu uns.
In diesen vier Bereichen lauern Herausforderungen:
1. Körperliche Faktoren
Arbeiten bei 30 Grad ohne Klimaanlage oder dicht an dicht in einem Großraumbüro: Äußere Faktoren wie Lärm, Hitze, Enge und Staub können uns physisch und psychisch zusetzen.
2. Geistige Faktoren
Überforderung und Unterforderung können demotivieren und sogar krank machen. Ein großes Thema ist auch Verantwortung: Nicht jeder möchte im Arbeitsleben komplexe Entscheidungen treffen (müssen). Andere leiden wiederum, wenn sie solche nicht treffen dürfen. Zu viel oder zu wenig Verantwortung kann je nach Persönlichkeit die Psyche belasten.
3. Soziale Faktoren
Probleme mit Kollegen oder der Vorgesetzten können ausbremsen. Ständiger Ärger mit Kunden ist ebenfalls ein Störfaktor. Und wer sozial isoliert ist - zum Beispiel im permanenten Homeoffice - fühlt sich unter Umständen auch nicht wohl.
4. Emotionale Faktoren
Wer im Kundendienst arbeitet, muss immer freundlich sein. Wer Erzieher ist, muss ab und zu auch mal streng sein. Einigen Menschen macht das nichts aus, anderen schon. Wer gegen seine Überzeugung agieren muss, der kann das als Belastung empfinden.
So organisieren Sie Ihre Arbeit optimal
Versuchen Sie die ausgemachten Störfaktoren in einem nächsten Schritt zu beseitigen. Sind zum Beispiel der Workload oder die Anforderungen zu hoch, muss die Arbeit anders gestaltet werden.
Im Zentrum stehen dann die Fragen:
- Wie kann die Arbeit anders organisiert werden?
- Lässt sich die Arbeit besser verteilen oder verringern?
Hilfreich sind dabei Strategien wie die ALPEN-Methode fürs Zeitmanagement. Die Idee dahinter: Geplante Arbeit sorgt für Struktur. Erledigtes kann abgehakt werden. Man weiß immer, wo man gerade steht. Und so funktioniert es:
- A steht für Aufgaben notieren, also Termine und geplante Aktivitäten.
- L steht für Länge schätzen, also die Zeit, die Sie zur Bewältigung jeder Aufgabe brauchen.
- P steht für Pufferzeiten einplanen. Am besten so: 60 Prozent verplanen, 40 Prozent Puffer lassen.
- E steht für Entscheidungen treffen: Welche Priorität gebe ich jeder Aufgabe?
- N steht für Nachkontrolle: Sind alle Aufgaben erledigt? War mein Plan realistisch? Mit zunehmender Erfahrung klappt die Einschätzung immer besser.
Sagen Sie öfter mal Nein
Nicht alle Aufgaben müssen Sie selbst erledigen. Delegieren oder verschieben ist erlaubt. Etwas abzulehnen ist kein Zeichen von Schwäche.
Tipp: "Machen Sie weniger und das dafür richtig", rät Zacher.
Das ist auf Dauer gut für Erfolg und Seelenheil. Statt sich mit vielen Projekten zu überfordern, ist es günstig, sich auf ein Projekt zu fokussieren und so Entlastung zu schaffen.
Konflikte am Arbeitsplatz klug lösen
Konflikte am Arbeitsplatz lassen sich nicht immer vermeiden. Kommt es zum Disput, verhalten Sie sich am besten so:
- Sprechen Sie den Konflikt direkt an.
- Tragen Sie Ihre Haltung in der Ich-Perspektive vor.
- Erklären Sie dem Gegenüber, was Sie sich wünschen.
- Verzichten Sie auf Vorwürfe.
Handelt es sich um ein klärendes Gespräch mit dem Vorgesetzten, sollten sich Arbeitnehmer besonders gut vorbereiten.
Fragen Sie sich:
- Was ist mir als Mitarbeiterin oder Mitarbeiter in der Zusammenarbeit mit meiner Führungskraft persönlich wichtig?
- Was benötige ich, um einen guten Job zu machen?
Im Gespräch mit dem Vorgesetzten sollten Sie dann konkret benennen, was schiefläuft - und was sich künftig ändern sollte. Erklären Sie, warum es wichtig ist, dass sich etwas ändert und wie sich das gemeinsame Ziel besser erreichen lässt.
Sie entscheiden, wer Ihr Vorgesetzter wird
29 Prozent der Beschäftigten, die schon mal den Arbeitgeber gewechselt haben, gaben 2023 in einer Umfrage an, dass das Führungsverhalten der Vorgesetzten Grund dafür war. Das ergab eine Studie des Marktforschungsinstituts Teleresearch im Auftrag der Beratungs- und Prüfungsgesellschaft Ernst & Young (EY).
Konflikte mit Vorgesetzten sind sehr belastend für Arbeitnehmer. Häufiger gelingt es nicht, sich zusammenzuraufen.
Tipp: Achten Sie bereits beim Vorstellungsgespräch darauf, dass es zwischen Ihnen und dem potenziellen neuen Chef passt.
Das macht einen guten Chef aus:
- Der ideale Chef oder die ideale Chefin setzt Grenzen.
- Er oder sie will nicht freundschaftlich mit seinen oder ihren Mitarbeitern verbunden sein.
- Der Vorgesetzte sieht sich nicht in Konkurrenz mit seinen Mitarbeitern.
Ihren Optimismus nimmt Ihnen keiner
Es stört Sie etwas am Arbeitsplatz, an der Arbeit oder Ihrem Umfeld, es lässt sich aber (gerade) nicht ändern? Dann können Sie immer noch eine Wunderwaffe zücken: Ihr Mindset, also Ihre Denkweise, Ihre Überzeugungen und Verhaltensmuster.
Tipp: "Wer schwierige Umstände als Herausforderung bewertet und nicht als Belastung, bewältigt sie besser", sagt Hannes Zacher.
Die Bewältigung einer schwierigen Situation - etwa die Zusammenarbeit mit schwierigen Kollegen oder die Erledigung einer komplexen, trockenen Aufgabe - könnte zum Beispiel zu einem Erfolgserlebnis führen, das man vorher nicht hat kommen sehen.
Positiv denken gelingt Ihnen nicht? Versuchen Sie, zu ergründen, wann und warum es Ihnen schwerfällt, optimistisch und positiv an eine Aufgabe heranzugehen. Wer Zusammenhänge versteht und weiß, warum er wann wie reagiert, kann aktiv in Prozesse eingreifen.
Beispiel: Wer schon am Anfang einer negativen Gedankenspirale merkt, dass diese soeben begonnen hat, kann sie noch stoppen.
Erholung ist die Mutter des Erfolgs
Erholung ist der Prozess, der einem negativen Stressprozess entgegenwirkt und die Stressreaktionen überschreibt.
Sorgen Sie für einen guten Ausgleich, denn Stress ist anstrengend. Er verbraucht Ressourcen. Die Folgen: Ermüdung und schlechte Stimmung.
Deshalb ist es wichtig, regelmäßig abzuschalten. Dafür muss man nicht stundenlang in der Hängematte liegen. Es geht auch anders:
- Machen Sie während der Arbeit öfter Pausen.
- Treffen Sie Freunde.
- Machen Sie Sport oder sorgen Sie auf anderem Weg für Bewegung.
- Gehen Sie raus in die Natur, statt auf die Couch und vor den Fernseher.
Wichtig: Erholungsforscherin Verena Haun rät vor allem, das zu tun, was einem guttut. "Wichtig ist, gedanklich Abstand von den Anforderungen der Arbeit zu gewinnen."
Dabei ist Erholung nicht mit Ruhe zu verwechseln. Nicht nur die Seele baumeln zu lassen, sorgt für seelischen Ausgleich. Sondern auch, eine Herausforderung zu meistern. Sich kompetent und tüchtig zu fühlen. Und das Gefühl, selbst bestimmen zu können, wie man seine Freizeit verbringt und gestaltet.
So gelingt die Work-Life-Balance
Die Work-Life-Balance beschreibt das Gleichgewicht zwischen Arbeit und Privatleben. Sie ist wichtig für die psychische Gesundheit und damit auch die Leistungsfähigkeit. Doch wie gelingt sie?
Hilfreich ist ein Fahrplan für den Feierabend.
Helfen Sie mit Ritualen nach, die signalisieren: Bis hierher war Arbeit, jetzt kommt Freizeit. Konkrete Rituale können das Ablegen der Arbeitskleidung sein, das Ausspülen der Kaffeetasse oder das Herunterfahren des Laptops im Homeoffice.
Hat man nicht alle Aufgaben bis Feierabend erledigt, schreibt man sie am besten für den nächsten Tag auf, um sie aus dem Kopf zu bekommen.
Sorgen Sie zudem für eine kurze Zeit der Reizarmut, um die Gedanken zu ordnen. Verzichten Sie zum Beispiel bewusst drei Minuten auf TV, Radio oder Gespräche.
Wie viel Zeit sollte ich für die Erholung einplanen?
Hier gibt es kein Patentrezept. Wichtig ist: "Sie sollten mit der Aufteilung Ihrer Zeit zufrieden sein", sagt Hannes Zacher.
Die Work-Life-Balance ist etwas sehr Individuelles. Die persönlichen Präferenzen und Werte sind entscheidend. Sie geben vor, wie die optimale Verteilung der Zeit zwischen den Lebensbereichen aussehen sollte. Hören Sie in sich hinein. Finden Sie Ihre ideale Balance.
Ich bin trotz Erholung erschöpft - was ist los?
Wer über eine längere Zeit hinweg lustlos, leer und antriebslos ist, hat womöglich eine Depression.
Wenn diese im Kontext einer Überlastung etwa im Berufsleben auftritt, ist häufig auch die Rede von einem Burn-out.
Das spricht für einen Burn-out:
- Sie fühlen sich ausgelaugt.
- Sie sind nicht mehr leistungsfähig.
- Sie werden etwa bei der Arbeit zynisch. Beispiel: Kunden oder Patienten werden nicht mehr als Menschen, sondern als Objekte gesehen.
Treffen diese Punkte auf Sie zu, wenden Sie sich an Ihren Betriebs- oder Hausarzt.
Auch der Vorgesetzte sollte informiert werden, wenn es einem Mitarbeiter psychisch schlecht geht. Aus Angst vor Stigmatisierung scheuen viele Arbeitnehmer diesen Schritt allerdings.
Tipp: Forschen Sie nach, ob es ähnliche Fälle im Unternehmen schon einmal gegeben hat. Ist der Arbeitgeber professionell vorgegangen, spricht das dafür, mit den Problemen offen umzugehen.
Stress im Job: Wann ist ein neuer Arbeitsplatz die Lösung?
Der Jobwechsel sollte das letzte Mittel sein, rät Hannes Zacher. Bevor ein solch radikaler Schritt gegangen wird, empfiehlt er, an sich selbst zu arbeiten oder innerhalb des Jobs das zu ändern, was zu ändern ist.
Kann ein Coaching helfen?
Ein Coaching kann für Personen sinnvoll sein, die sich beruflich weiterentwickeln wollen, auch für Führungskräfte.
Bei psychischen Schwierigkeiten sollte man aber lieber ärztlichen oder therapeutischen Rat einholen. So lässt sich herausfinden, ob es sich noch lohnt, am Job festzuhalten oder ein Wechsel sinnvoll ist.
Wer sich für ein Coaching entscheidet, sollte auf Folgendes achten:
- Der Coach sollte einen psychologischen Hintergrund haben.
- Er sollte von einem Coaching-Verband zertifiziert sein.
Warum ist das so wichtig? Coaching ist kein zertifiziertes Berufsfeld. Viele Anbieter arbeiten nicht evidenzbasiert - das ist aber empfehlenswert.
- Pflegenetzwerk Deutschland: So beugen Sie einem Burnout vor
- Karrierehelden: So geht gesundes Stressmanagement
- Uni Leipzig: Auf einen Kaffee mit dem Arbeitspsychologen Hannes Zacher
- RKI: Informationen zum Themenschwerpunkt psychische Gesundheit
- Share & Grow – Der Podcast für Positive Psychologie & ein starkes Mindset
- Management Circle: Konflikte im Arbeitsleben richtig lösen
- Initiative neue Qualität der Arbeit: Diese sechs Maßnahmen helfen gegen Stress