Einkaufen, zum Arzttermin, einfach mal an die frische Luft: Ein Rollstuhl soll diese sogenannte Erschließung des Nahbereichs möglich machen. Doch was, wenn das Unterwegssein aus eigener Kraft nur unter Schmerzen möglich ist? Darf die gesetzliche Krankenkasse sich weigern, die Kosten für ein elektrisches Zuggerät zu übernehmen? 

Nein, zeigt ein Urteil des Sozialgerichts Köln, auf das die Arbeitsgemeinschaft Sozialrecht des Deutschen Anwaltvereins (DAV) aufmerksam macht. 

Es ist eine Entscheidung, die der Rechtssprechung des Bundessozialgerichts folgt, ordnet der DAV ein. In einem Urteil vom 7. Mai 2020 hatten die Richterinnen und Richter dort entschieden, dass die Krankenkassen Versicherten eine zumutbare und angemessene Mobilität im Nahbereich der Wohnung ermöglichen müssen.

Bei kleinen Steigungen starke Schmerzen

Im konkreten Fall ging es um einen Mann, der an chronischer Polyarthritis - also einer Entzündung vieler Gelenke - und an Rheuma erkrankt und dauerhaft auf einen Rollstuhl angewiesen ist. Der Mann nutzte einen Aktivrollstuhl, also ein Modell, das aus eigener Körperkraft bewegt wird.

Er beantragte bei seiner Krankenkasse die Kostenübernahme für ein bestimmtes elektrisches Zuggerät, das mit einer Kurbel betrieben wird. Dies begründete er mit Schmerzen unter anderem in Händen und Schultern, die er - selbst bei alltäglichen Erledigungen - habe. Schon bei kleinen Steigungen müsse er daher einen Umweg wählen. 

Die gesetzliche Krankenkasse lehnte die Kostenübernahme jedoch ab. Ihre Begründung: Das beantragte Zuggerät sei ein Rollstuhl-Bike. Daher komme es nicht als Hilfsmittel, das von der gesetzlichen Krankenkasse übernommen werde, infrage. Um Besorgungen des Alltags zu erledigen, sei dieses Gerät nicht notwendig - und Radfahren selbst zähle nicht als Grundbedürfnis. 

Verweis auf UN-Behindertenrechtskonvention

Die Krankenkasse bot dem Mann für die Erschließung des Nahbereichs stattdessen einen Elektrorollstuhl an. Eine Lösung, die für den Kläger nicht infrage kam: Beim Umsetzen in einen Elektrorollstuhl sei er auf fremde Hilfe angewiesen, beim An- und Abkoppeln des gewünschten Zuggerätes jedoch nicht. Der Mann verwies auf die UN-Behindertenrechtskonvention, nach der Betroffene nicht auf die Hilfe anderer verwiesen werden dürften. 

Das Kölner Sozialgericht entschied: Der Mann hat Anspruch auf die Versorgung mit dem gewünschten Zuggerät. Die Begründung: Ein Versicherter sei so auszustatten, dass er die Wohnung verlassen kann, um Alltagsbesorgungen zu erledigen oder auch nur etwas frische Luft zu schnappen. Wenn Wege nur unter Schmerzen oder mit der Hilfe anderer bewältigt werden können, sei das nicht zumutbar.