Tausende Eisdielen gibt es in Deutschland. Doch laut Union der italienischen Speiseeishersteller (Uniteis) stellt nur ein Drittel von ihnen Eis selbst her.
Erkennen Sie den Unterschied? Wodurch zeigt sich Qualität auf höchstem Niveau? Und woran, dass ein Eismacher sein Handwerk versteht? Wir haben die Meister des Fachs gefragt.
Was zeichnet ein Spitzeneis aus?
"Eis ist ein Luxus", sagt Giorgio Ballabeni, der in München mehrere Eisdielen betreibt. "Aber ein bezahlbarer." Doch allein am Preis pro Kugel lässt sich kaum ermessen, wie hochwertig ein Eis ist.
Trotzdem versuchen einzelne Eismacher, sich über skurrile Kreationen und Mondpreise von der Masse abzuheben. Zwei Beispiele:
- Das Eiscafé San Marco in Krefeld verkauft auf Nachfrage sein "Tartufo Oro & Cappucci Oro" für sagenhafte 289,90 Euro. Die Grundlage des Edelbechers sei seine "Eiskreation Afrika", bestehend aus kolumbianischen Bananen, erklärt der Eismacher Mario Bevacqua. Dazu kommen karibischer Rum, brasilianischer Kaffee, kalabrische Feigen und Stracciatella-Schokolade aus Ostafrika. Als dekadentes Finish wird das Tartufo mit 32-karätigem Gold bestreut.
- Noch eine Preisklasse darüber rangiert das "Black Diamond", das 2015 im Scoopi Café in Dubai auf der Karte stand. Rund 700 Euro kostete dort der wohl teuerste Eisbecher der Welt. Was bekam der zahlende Kunde dafür? Vanille aus Madagaskar, den teuersten Safran aus Iran, schwarzen italienischen Trüffel, besprenkelt mit 23-karätigem Blattgold. Immerhin: Die Versace-Schale und den goldenen Löffel durften die Gäste behalten.
Natürlich ist hervorragendes Eis auch eine Nummer günstiger zu haben. Entscheidend sind zwei Faktoren:
- beste Zutaten
- handwerkliches Können
Beides können ein geübter Blick und Gaumen durchaus erkennen.
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Ob wirklich Pistazie im Eis steckt, können Profis sehen. Foto: Franziska Gabbert/dpa-tmn
Was sind die edelsten Zutaten?
Vanilleeis mag gewöhnlich erscheinen. Doch echte Vanilleschoten sind derzeit das Teuerste, was im Eis steckt.
"Die Tagespreise schwanken wie bei Aktien", sagt Adriano Colle, der 2014 den deutschen Meistertitel der Eismacher gewann. So hat sich der Preis für Vanilleschoten schon einmal innerhalb von drei Jahren von 200 auf rund 600 Euro pro Kilo verdreifacht.
Ein Anzeichen für echte Vanille sind die schwarzen Pünktchen im Eis.
Ob ein Eismacher mit ganzen Schoten oder nur mit Extrakt arbeitet, ist allerdings nicht zu erkennen. Dem Kunden bleibt nur eine Möglichkeit: nachfragen. Qualitativ sei Extrakt zwar auch gut, sagt Colle, aber eben "Stangenware".
Noch eine Edel-Zutat: Pistazien kosten bei einer guten Ernte rund 40 Euro pro Kilo. Fällt die Ernte mies aus, klettert der Preis locker auf 60 Euro, so Colle. Und für Bio-Pistazien bezahlt man bis zu 90 Euro pro Kilo.
Deshalb rührten manche Eismacher nur halb so viele Pistazien ins Eis, wie im Rezept steht, erklärt der Profi - und kaschierten das mit grüner Farbe.
Auch bei Pistazien gibt es große Unterschiede. Sizilianische wachsen auf Vulkanboden und schmeckten deshalb sehr intensiv, sagt Colle. Pistazien aus Pakistan seien dagegen eher mild.
Woran erkenne ich herausragende Eismacher?
Leider gibt es bisher keine Liste der besten Eismacher in Deutschland. Weder online, noch gedruckt.
Eis-Liebhaber können die Top Ten der Stadtmagazine studieren, Internetrezensionen lesen oder einfach einen Selbsttest machen und von Eisdiele zu Eisdiele im Viertel spazieren.
"Wo die Leute nicht nur bei 30 Grad Schlange stehen, gibt es meist gutes Eis", sagt Adriano Colle, der in Kempten das Eiscafé Venezia leitet.
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Ein Zeichen für gutes Eis ist eine cremige Textur. Foto: Jens Kalaene/dpa/dpa-tmn
10 Tipps: Darauf sollten Sie vor dem Bestellen achten
- Hygiene: Wichtig sei bereits der erste Eindruck, sagt Colle. Wenn die Theke schön sauber sei, werde wahrscheinlich auch im Labor ordentlich gearbeitet.
- Struktur: Lassen wir nun in Ruhe den Blick über die Vitrine schweifen. "Alle Sorten sollten die gleiche Struktur haben", sagt Colle. "Bekommt der Eismacher bei allen den gleichen Gefrierpunkt hin, kennt er sich mit seinen Zutaten aus."
- Konsistenz: Schauen Sie den Verkäufern auf die Finger. "Wenn sie manche Sorten kaum portionieren können, andere dagegen schon schmelzen, wird nicht sorgfältig gearbeitet", sagt Uwe Koch, Gründer der Eisfachschule in Werl. Auch wenn das Eis schon in der Vitrine glänzt oder sich sogar Pfützen um die Schaber bilden, hat der Eismacher laut Colle schlecht gearbeitet.
- Duft: Schnuppern Sie. Riecht es nach Kaffee, nach frischen Früchten? Ein frischer Geruch sei wie ein Vorgeschmack, sagt Colle. Und ein Hinweis darauf, dass natürliche Zutaten im Eis stecken. Emulgatoren wie Glyceride dagegen nehmen den Geruch weg.
- Vielfalt: Auswahl ist natürlich schön. Aber allzu viele Sorten sieht Giorgio Ballabeni eher skeptisch. Mehr als etwa zwölf Sorten könne eine Eisdiele nicht in handwerklicher Qualität herstellen, sagt er.
- Optik: Bunte Eisberge, die sich in wilden Wellen emporschwingen, sehen in der Vitrine hübsch aus - sind aber ein Alarmzeichen. "Wenn das Eis aufgetürmt ist, kann man es gleich lassen", sagt Stefano De Giglio, der Gründer der Bio-Eismarke Del Fiore. "Das ist klar auf industrieller Basis hergestelltes Eis von minderwertiger Qualität."
Auch Uwe Koch warnt: "Wenn die Eistürme in der Theke hoch sind und mit bunter Fruchtsauce hantiert wird, sollte man vorsichtig sein." Denn ohne gehärtete Pflanzenfette und Emulgatoren würde das Eis oberhalb der Behälter schnell schmelzen. - Farbe: Auch bei der Farbe lässt weniger meist auf mehr Qualität schließen. "Wenn ich ein Pistazien-Eis sehe, das knallgrün ist, dann ist es eindeutig kein Pistazien-Eis", sagt De Giglio. Von Natur aus seien Pistazien nicht grün, sondern eher senffarben-bräunlich.
- Saisonales: Auf gutes Eishandwerk lassen regionale und saisonale Sorten schließen, sagt Colle. In seinem Eiscafé Venezia bietet er zum Beispiel Schokoladeneis mit Latschenkiefer-Extrakt an. Und die Milch und Sahne kommen vom fünf Kilometer entfernten Bauernhof. Kurze Wege sind gut fürs Klima und für den Geschmack, sagt Colle. Lagert das Eis lange, gehen Aromen verloren.
- Zutatenliste: Ob der Eismacher fertige Pulvermischungen verwendet, sehen Sie dem Eis meist nicht an. Aber Sie können es leicht herausfinden. "Einfach den Verkäufer hinter der Theke nach der Zutatenliste fragen", rät Uwe Koch. Jeder, der lose Ware anbiete, müsse laut Gesetz den Kunden alle Zusatzstoffe und Allergene mitteilen. E-Nummern auf dieser Liste bedeuten aber nicht per se Chemie, erklärt Koch. Auch natürliche Zutaten wie das Bindemittel Johannisbrotkernmehl oder der Farbstoff Rote Bete tragen E-Nummern.
- Schmelzpunkt: Noch ein letzter Blick auf die anderen Kunden. Läuft ihnen schon beim Bezahlen das Eis von der Waffel über die Finger? Dann ist Skepsis angebracht. "Eis muss schmelzen, aber es darf nicht zerfließen", sagt Colle. Ansonsten sei die Rezeptur nicht ausgewogen. Oder der Eismacher habe falsche Bindemittel eingesetzt.
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Erdbeer pur: Eis aus Fruchtpüree enthält kaum Fett. Foto: Klaus-Dietmar Gabbert/dpa-tmn
Und wie schmeckt gutes Eis?
Natürliche Zutaten, nachhaltige Herstellung und handwerkliche Präzision sind wunderbar - am Ende bleibt Eis aber ein Genussmittel. Der Gaumen und das Bauchgefühl entscheiden.
"Wenn man sofort Kindheitserinnerungen hat, ist es ein gutes Zeichen, dass die Zutaten nicht verfälscht sind", sagt Colle. Biosahne zum Beispiel dürfe keine Bindemittel enthalten. "Sie hat diesen Urgeschmack, an den ich mich von früher als Junge erinnere. Ein bisschen nach Stall. Und im Frühjahr grasig nach Löwenzahn."
Wie erkennen Kunden industrielle Mischungen?
Mindere Qualität lässt sich mit etwas Übung erschmecken. "Bleibt ein Fettfilm auf der Zunge, spricht das für Pflanzenfette, die einen anderen Schmelzpunkt haben", erklärt Stefano De Giglio. "Da geht es schon in Richtung richtig schlechtes Eis."
Für Eis, das mithilfe von industriellen Mischungen gemacht ist, gibt es laut De Giglio zwei deutliche Anzeichen:
- bitteren, metallischen Nachgeschmack, der von chemischen Stabilisatoren wie Mono- und Diglyceriden verursacht wird
- starken Durst nach dem Schlecken, weil Stabilisatoren den Mund austrocknen
"Eis muss einen sauberen Gaumen hinterlassen, wie ein guter Wein", sagt De Giglio.
Welche Eissorten sind gute Testkandidaten?
Uwe Koch rät, beim ersten Besuch in einer Eisdiele nur eine Kugel Joghurt-Eis zu bestellen. "Lassen Sie das Eis im Mund anschmelzen und schieben Sie es dann mit der Zunge über den Gaumen nach hinten", rät er. "Wenn es nicht nach Pulver schmeckt und kein Fettfilm am Gaumen klebt, haben Sie einen Handwerker gefunden, der mit Natur-Joghurt arbeitet."
De Giglio dagegen misst jeden Gelatiere an seinem Vanilleeis. "Denn Vanille ist ein sehr delikater Geschmack, bei dem man die Qualität der Milch, der Sahne, der Eier richtig herausschmeckt." Um dabei Top-Qualität zu erkennen, müssen die Geschmacksknospen geschult sein.
"Wir kennen Vanillegeschmack oft nur von Vanillin", sagt De Giglio, also von einem chemisch hergestellten Aroma. Doch Vanillin sei nur eines, wenn auch das bestimmende von Hunderten Geschmacksmolekülen, die in der Vanille enthalten sind.
Eine Tahiti-Vanille schmecke eher würzig, erklärt Adriano Colle, Bourbon-Vanille aus Madagaskar oder Réunion dagegen mild und blumig.
Der Klecks Sahne ist für ernsthafte Eis-Liebhaber übrigens tabu. Er übertünche bei Spitzen-Eis nur den Geschmack, sagt Ballabeni.
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Schmelzen darf Eis, aber nicht sofort zerfließen. Foto: Christoph Schmidt/dpa-tmn
Übrigens: Das Gerücht, dass Eismacher angeblich Mohn oder gar Kaffeesatz in ihr Gelato rühren, um echte Vanille vorzutäuschen, ist laut Colle ein Märchen. Mohn würde zwischen den Zähnen knirschen, und Kaffeesatz würde man sofort herausschmecken.
Zudem gibt es klare Vorschriften: Wer mit synthetischem Vanillin arbeitet, muss es Eis "mit Vanillegeschmack" nennen.
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