"Ich mag das Gemüse nicht." Eltern kennen Sätze wie diese. Von Süßigkeiten können die Kleinen nicht genug kriegen, alles Gesunde bleibt liegen. Verbote und Ermahnungen helfen da meist wenig.
Natürlich, Kinder sollten sich gesund ernähren. Doch was heißt das genau? Und vor allem: Wie gelingt das, ohne die Freude am Essen zu verlieren? So viel vorweg: Gesund kann auch lecker sein. Und kleine Veränderungen bewirken oft Großes.
Welche Ernährung ist gesund für Kinder?
Sobald Kinder nicht mehr gestillt werden oder Brei bekommen, sieht ihre Ernährung gar nicht so anders aus als bei Erwachsenen.
"Was für die Gesamtbevölkerung empfohlen wird, gilt ganz ähnlich auch für Kinder ab dem Kleinkind- und Vorschulalter aufwärts", sagt Prof. Berthold Koletzko aus München. Er ist Vorsitzender der Stiftung Kindergesundheit und der Ernährungskommission der Deutschen Gesellschaft für Kinder- und Jugendmedizin (DGKJ).
Doch es gibt ein paar Besonderheiten:
- Für Wachstum und Entwicklung brauchen Kinder große Mengen an Energie und essenziellen Nährstoffen. "Das gilt vor allem in den Phasen, in denen sie rasch wachsen, also im frühen Kindesalter und dann wieder während des Wachstumsschubs in der Pubertät", sagt Koletzko, der als Kinder- und Jugendarzt am Klinikum der Ludwig-Maximilians-Universität München arbeitet.
- Außerdem sind Kinder anfälliger für die Folgen von unausgewogener Ernährung als Erwachsene. "Das macht sich viel schneller bemerkbar", sagt der Experte. "Nicht nur an einer Gewichtszunahme, sondern auch an Störungen der Funktionen des Organismus."
Konkret heißt das: Ungesunde Ernährung schwächt das Immunsystem. Infektionen können nicht mehr so gut abgewehrt werden. Auch die körperliche und geistige Leistungsfähigkeit lässt nach.
- Für Übergewicht wird laut Koletzko oft in der Kindheit der Grundstein gelegt. Auf lange Sicht können sich daraus Folgeerkrankungen wie Diabetes, Schlaganfall und Krebs entwickeln.
Was gehört unbedingt auf den Kinderteller?
1. Hochwertiges Eiweiß
Für das Wachstum brauchen Kinder Eiweiß. Es hilft, dass sich die Muskulatur und die Körper- und Organzellen gut entwickeln, erklärt die Ökotrophologin Rebecca Kunz aus Niedernberg in Bayern.
Neben Fleisch, Fisch, Eiern und Milchprodukten enthalten viele pflanzliche Nahrungsmittel Eiweiß. "Zwei Drittel des Eiweißbedarfs sollten aus pflanzlichen Quellen stammen", sagt Kunz.
Tipp: Achten Sie darauf, dass jede Mahlzeit eine hochwertige Eiweißquelle enthält. Das sind zum Beispiel Linsen, Erbsen oder Bohnen, die sich in einer Suppe oder auch in einem Brotaufstrich befinden können. Ebenfalls gut: dunkelgrünes Gemüse wie Grünkohl und Brokkoli, Nüsse, Samenkörner, generell Vollkornprodukte.
2. Wichtige Nährstoffe
Kalzium und Vitamin D sind für die Entwicklung von Knochen und Zähnen wichtig. Kalzium findet sich in Milchprodukten und grünem Gemüse, Vitamin D in Fischen wie Hering, Makrele und Lachs.
Ein Mangel an Eisen macht schlapp und müde. Vor allem Mädchen brauchen viel Eisen, wenn sie ihre Periode bekommen.
Weil Fleisch Eisen enthält, empfiehlt Kinderarzt Koletzko ein- bis zweimal pro Woche eine Portion Fleisch. "Natürlich können sich Kinder aber auch vegetarisch ernähren." Eine rein vegane Ernährung für Kinder sieht der Experte dagegen kritisch.
Das Netzwerk Gesund ins Leben - ein Netzwerk von Institutionen, Fachgesellschaften und Verbänden - sieht das ähnlich.
"Grundsätzlich steigt das Risiko für eine unzureichende Nährstoffversorgung umso stärker, je mehr Lebensmittelgruppen aus der Ernährung ausgeschlossen werden", erklärt das Netzwerk.
Vor allem Vitamin B12 ist demnach bei veganer Ernährung kritisch, aber auch Kalzium, Vitamin B2 und Selen.
Die Experten raten Eltern, die ihr Kleinkind vegan ernähren wollen, sich auf jeden Fall eingehend beraten zu lassen. Außerdem sollten regelmäßig die kindlichen Blutwerte überprüft und fehlende Nährstoffe durch Nahrungsergänzungsmittel zugeführt werden.
Tipp: Pflanzliche Eisenlieferanten sind zum Beispiel Samen wie Kürbiskerne, Sesam oder Leinsamen. Auch Nüsse wie Pistazien, Mandeln und Haselnüsse sind gute Eisenquellen. Damit das Eisen besser vom Körper aufgenommen werden kann, gleichzeitig Vitamin C zu sich nehmen - zum Beispiel durch ein Stückchen Obst.
3. Weniger Zucker
Vor allem kleine Kinder lieben es süß. Das ist angeboren und hat mit der Entwicklungsgeschichte des Menschen zu tun, erklärt Ernährungsexperte Koletzko: "Süße Lebensmittel waren reich an Energie und sie waren nicht verdorben. Wenn Bakterien Lebensmittel verderben, werden sie sauer. Also war Süßes vergleichsweise sicher."
Heute dagegen ist Zucker ein großes Problem in der westlichen Ernährung. Dabei geht es nicht nur um Süßigkeiten, sondern auch um den versteckten Zucker, etwa in Fertigprodukten. "In 100 Gramm einer Tiefkühlpizza stecken zum Beispiel im Mittel viereinhalb Stück Würfelzucker", so Koletzko.
Zucker als Zutat versteckt sich hinter vielen Begriffen. Dextrose, Laktose, Fructosesirup und Agavendicksaft sind nur einige davon.
"Es gibt über 70 verschiedene Begriffe", sagt Ernährungsberaterin Kunz. "Man kann sich merken: Alles, was mit -ose endet, ist auf jeden Fall eine Art von Zucker."
Soweit die Theorie. Doch wie lassen sich diese Empfehlungen in der Praxis umsetzen? Wenn Kinder den Teller mit dem gesunden Essen von sich schieben oder immer wieder um Süßigkeiten betteln, brauchen Eltern gute Nerven und einen langen Atem.
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Gummibärchen sind eindeutig ungesund - doch Zucker steckt in vielen Lebensmitteln. Foto: Andrea Warnecke/dpa-tmn
Hier kommen 10 Experten-Tipps für den Alltag:
1. Gelassen bleiben
Grundsätzlich können Eltern erst einmal entspannt sein. Vor allem dann, wenn sich das Kind offensichtlich gut entwickelt.
"Gesunde Kinder holen sich das, was sie brauchen, wenn ihnen das Angebot gegeben wird", sagt Kunz. Da müsse nicht ein Tag genauso aussehen wie der andere. "Es kann Tage geben, an denen Kinder viel Süßes essen, und dann essen sie vielleicht eine Woche lang viel Gemüse und Obst und nicht so viel Süßes."
Kunz hält wenig vom erhobenen Zeigefinger. Sie schlägt stattdessen vor, ein Kind zum Probieren zu ermuntern. "Nicht: Du musst das jetzt essen. Sondern: Probier das bitte und danach weißt du, ob du es magst oder nicht." Das Ergebnis müssen Eltern allerdings akzeptieren.
2. Vorbild sein
"Man sagt ja, Kinder brauche man gar nicht zu erziehen, denn sie machen sowieso alles nach, was die Eltern machen", sagt Kinder- und Jugendarzt Koletzko. Und das stimmt eigentlich auch.
Was ist also das Beste, das Eltern für die Ernährung ihrer Kinder tun können? Sich selbst gute und gesunde Ernährungsgewohnheiten zu eigen machen!
"In den wenigsten Fällen ist die Ernährung des Kindes an sich das Problem", sagt Rebecca Kunz. "Sondern, dass keine ausgewogene Ernährung vorgelebt wird." Wer sich über die Essgewohnheiten seines Kindes ärgert, sollte vielleicht einmal die Ernährung der ganzen Familie in den Blick nehmen - und bei sich selbst beginnen.
3. Bewusstsein wecken
Wie verstehen Kinder, was gesund ist und was nicht? Zuerst einmal sei der Begriff "gesund" tabu, sagt Kunz. "Der wird von Kindern ganz oft mit etwas ganz Negativem verbunden, weil das immer die Sachen sind, die ich essen soll, aber nicht mag." Es gibt einen anderen Weg.
Führt Kunz zum Beispiel Schulprojekte durch, fragt sie die Kinder, was diese besonders interessiere. Darüber lässt sich gut in das Thema Ernährung einsteigen. Ein konkretes Beispiel sieht so aus:
"Wenn ein Kind gerne Fußball spielt, sage ich: Guck mal, du brauchst viel Energie, wenn du über den Bolzplatz rennst, du musst dich gut konzentrieren können, du musst deine Füße schnell bewegen können. Dafür braucht dein Körper die richtige Energie."
Tipp: Um Kindern deutlich zu machen, wo überall Zucker enthalten ist, können Sie neben ein Produkt entsprechend viele Zuckerwürfel legen. Die Angaben dazu gibt es online auf der Zuckerliste der Landesarbeitsgemeinschaft Berlin zur Verhütung von Zahnerkrankungen.
4. Die Kinder mitmachen lassen
Beziehen Sie Ihr Kind von Anfang an in alles mit ein, was mit dem Essen zu tun hat. Das beginnt beim gemeinsamen Einkauf und geht über das Kochen und Tischdecken bis zum Anlegen einer Kräuterecke im Garten. Wer keinen Garten hat, lässt die Kinder Kressesamen im Töpfchen auf der Fensterbank aussäen.
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Kinder sind begeisterungsfähig - auch für das Schnibbeln von Gemüse. Foto: Bodo Marks/dpa-tmn
Tipp: Richten Sie einen festen gemeinsamen Kochtag in der Woche ein. Ihr Kind ist noch zu klein, um Zutaten mit dem Küchenmesser zu schnippeln? "Man kann auch ganz kleine Kinder schon Obst und Gemüse waschen lassen", schlägt Kunz vor.
Dieses Rezept von Rebecca Kunz können Sie mit Ihrem Kind kochen:
Gustavs bunte Gemüsepommes mit Karinas Kräuterquark.
Zutaten:
- 2 Süßkartoffeln
- 6 bunte Möhren (lila, orange, gelb)
- 2 Rote Bete
- 5 Kartoffeln
- 3 EL Stärke
- 4 EL Olivenöl
- Salz, Pfeffer, Paprika edelsüß, mediterrane Kräuter (Thymian, Majoran, Basilikum)
- 250 g Quark
- 100 g Naturjoghurt
- Frische oder TK-Kräuter (Schnittlauch, Petersilie)
Zubereitung:
1. Süßkartoffeln, Möhren, rote Beete und Kartoffeln gut waschen und schälen. Das Gemüse in gleich große Stifte schneiden.
2. Alle Gemüsestifte - außer der Roten Bete - in eine große Schüssel geben. Die Rote Bete in eine separate Schüssel geben, da ansonsten alle anderen Gemüse verfärbt werden. Paprikapulver, Salz, Pfeffer und Stärke vermischen, über das Gemüse geben und alles gut vermengen.
3. Das Olivenöl zugeben und erneut vermengen. Auf zwei mit Backpapier ausgelegte Backbleche verteilen. Die Stifte sollten nebeneinanderliegen, dann werden sie knuspriger.
4. Bei 200 Grad für ca. 20 bis 25 Minuten backen, bis alles knusprig ist.
5. In der Zwischenzeit Quark und Naturjoghurt in eine Schüssel geben. Gehackte Kräuter hinzufügen und mit Salz und Pfeffer würzen. Alles zu einer cremigen Masse verrühren.
Und dann: servieren und gemeinsam schmecken lassen!
5. Die Brotdose optisch aufpeppen
Das Auge isst auch bei Kindern mit. Eine lustige Brotboxgestaltung macht dem Kind Lust aufs Essen. "Geben Sie zum Beispiel eine Banane mit und malen mit dem Stift auf die Schale einen Smiley", gibt Kunz als Beispiel. Käse, Brot oder Gemüse können mit einer Plätzchenform ausgestochen und so interessanter gemacht werden.
Tipp: Versuchen Sie es mal mit dem "Piratenspieß": Eine Scheibe Brot wird in Stücke geschnitten und auf einen Schaschlikspieß aus Holz geschoben. Dazwischen kommen eine Cocktailtomate, ein Stück Gurke und ein Stückchen Käse. Simpel und gesund, aber neu präsentiert.
6. Naschen geht auch gesund
Dem Kind die Kekspackung überlassen? Besser nicht. Lieber einen Becher Naturjoghurt nehmen, ein kleines bisschen Zucker oder Honig einrühren, eine Handvoll frisch geschnittenes Obst dazugeben und obendrüber einen Schokokeks zerbröseln.
"So hat man eine gute Kombination aus Eiweiß, frischem Obst und trotzdem etwas Süßem", sagt Kunz. "Das Kind hat das Gefühl, etwas genascht zu haben, hat aber keine zehn Kekse gegessen."
Frühe Gewohnheiten setzen sich fest. Am besten ist daher, Kinder sind von klein auf daran gewöhnt, Obst zu naschen - und Schokolade, Gummibärchen und Co. nicht täglich zu verzehren. "Kleingeschnittenes Obst ist die ideale Süßigkeit", sagt Berthold Koletzko.
7. Süßes einteilen
Kommt ein Kind ständig an und will etwas Süßes, können Eltern die Zeit für eine feste tägliche Naschpause festlegen.
Der beste Zeitpunkt dafür ist nach dem Mittagessen. Dann ist der Blutzuckerspiegel schon angestiegen und fällt auch nicht wieder so schnell ab. "Außerdem ist das Kind schon satt und neigt nicht dazu, sich an Süßigkeiten satt zu essen", sagt Ernährungsberaterin Kunz.
Ist ein Kind schon im Schulalter, kann man ihm auch in puncto Süßigkeiten etwas mehr Verantwortung übertragen: Jeden Tag darf es sich eine vereinbarte Menge Süßigkeiten nehmen.
Tipp: Basteln Sie aus einem Sechser-Eierkarton ein Naschkästchen. In jedes Fach darf sich das Kind eine Süßigkeit legen. Ein Tag in der Woche ist damit naschfrei. Wer es etwas großzügiger gestalten will, nimmt einen Zehnerkarton. Dann dürfen an einem Tag zwei Portionen genommen werden und zwei Fächer sind für Freunde gedacht, die zu Besuch kommen.
"Eltern müssen dann aber auch konsequent sein", sagt Kunz. "Wenn der ganze Naschvorrat schon an zwei Tagen aufgegessen ist, gibt es auch nichts mehr, bis die Woche rum ist."
Was Eltern vermeiden sollten: Kinder mit Süßigkeiten belohnen. Sonst bekommt Süßes einen zu hohen Stellenwert. "Allein durch diese besondere Stellung wollen Kinder erst recht noch viel mehr davon."
8. Durst richtig löschen
Saft und Limonade sind problematisch, weil zu zuckerhaltig. "Süße Getränke sind ein eigenständiger Risikofaktor für Übergewicht", warnt Ernährungskommissionschef Koletzko. Am besten trinken Kinder daher vor allem Wasser.
Wenn Kinder im Alltag lernen, ihren Durst über Wasser zu löschen, wird das nach einer Weile zur guten und selbstverständlichen Gewohnheit, so der Experte.
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Wasser trinken sollte für Kinder normal sein. Foto: Patrick Pleul/dpa-Zentralbild/dpa-tmn
Tipp: Verbannen Sie Säfte und Limonaden möglichst aus dem Kühlschrank und stellen Sie immer Wasser zum Durstlöschen zur Verfügung.
9. Gute Fertigprodukte nutzen
Frisch und natürlich ist am besten. Was aber, wenn es doch schneller gehen muss?
Fertigprodukte müssen nicht per se schlecht sein, sagt Ökotrophologin Kunz. "Man kann zum Beispiel tiefgefrorenes Gemüse, das nicht vorgewürzt ist, in die Pfanne füllen und braten."
Wer nach fertigen Gerichten aus dem Kühlregal greift, sollte sich die Zutatenliste ansehen. Zwei Dinge sind hier wichtig:
- Die Liste sollte so kurz wie möglich sein. "Und ich sollte alle Begriffe kennen, die darauf stehen", sagt Kunz.
- An den ersten drei Stellen sollte nicht Zucker stehen oder ein anderer Begriff für Zucker, rät die Expertin.
Tipp: Nutzen Sie den Nutri-Score für eine grobe Einschätzung oder für den Vergleich zwischen ähnlichen Produkten. Der ist zwar nicht auf allen, aber auf einigen Verpackungen angegeben. "Hat man einen Nutri-Score von A oder B, also grün oder hellgrün, sollte man das einem Produkt mit schlechterer Bewertung vorziehen", rät Koletzko. "Produkte ohne Nutri-Score sollte man möglichst vermeiden."
10. Wochenplan erstellen
Wer nicht von Tag zu Tag spontan entscheidet, was auf den Tisch kommt oder sich nach dem richtet, was zufällig im Haus ist, hat den besseren Überblick und kann gezielter planen.
"Beim Aufschreiben kann ich genau schauen: Ist bei jeder Mahlzeit Gemüse oder Obst dabei und habe ich immer eine gute Eiweißquelle integriert?", sagt Rebecca Kunz.
Tipp: Planen Sie die Mahlzeiten für die ganze Woche und machen Sie, wenn möglich, einmal die Woche einen Großeinkauf für die Familie.
Bei einem weiteren kleineren Einkauf ein paar Tage später werden dann nur noch frische Zutaten erneuert.