Als die Spielerin, auf die alle warteten, endlich da war, wurde es ziemlich kuschelig im Bauch des Duisburger Stadions. Auftritt Alexandra Popp, ihr letzter. Kamera an. Was noch nicht gesagt worden war, musste spätestens jetzt raus. Es folgten die Fragen nach dem großen Ganzen, ihrem fußballerischen Erbe, und die kleinen: Warum bloß durfte die langjährige Kapitänin bei ihrem Abschied aus dem DFB-Team nur 15 Minuten ran?

"Ich kann jetzt nicht leugnen, dass es Spaß gemacht hat, weil wir doch gut am Drücker waren", sagte die 33-Jährige mit Blick auf die frühe 1:0-Führung durch Selina Cerci (5. Minute). Gern hätte sie beim 1:2 gegen Australien, Kyra Cooney-Cross (39.) und Clare Hunt (77.) drehten das Testduell, noch länger gespielt. "Schade, ist schon vorbei", habe sie bei ihrer Auswechslung gedacht.

Wück bleibt hart

26.623 Fans in ihrer alten Heimat Duisburg hätten es wohl begrüßt, wenn Popp länger mitgewirkt und vielleicht sogar noch ein Tor – ihr dann 68. im 145. Länderspiel – erzielt hätte. Auf den Tribünen hielten sie Popp-Trikots und Plakate hoch, riefen nach Autogrammen und schenkten der Torjägerin selbst gemalte Bilder. Dankbarkeit und Nostalgie waberten durchs Stadion, am Ende eines emotionalen Abends verbeugte sich Popp vor ihrer Anhängerschaft.

Nur der neue Bundestrainer wollte sich von der Folklore nicht so richtig mitnehmen lassen. "Es ist einfach für mich unheimlich wichtig, dass ich Spielerinnen austeste", erklärte Christian Wück, warum Popp so früh im Spiel für Nicole Anyomi von Eintracht Frankfurt weichen musste. "Viel Spaß mit dem Haufen", lauteten Popps letzte Worte auf dem Platz als Kapitänin, als sie ihrer designierten Nachfolgerin Giulia Gwinn die Kapitäninnenbinde überstreifte.

Popp hinterlässt große Lücke

"Die Lücke, die Poppi hinterlässt, ist natürlich sehr groß", sagte Wück im ZDF, doch seine warmen Worte überdeckten kaum dessen Sinn fürs Kerngeschäft. Als Popp unter viel Applaus und mit Tränen in den Augen vom Platz schritt, war Wück schon damit beschäftigt, sein Team anzuweisen. Sie ist nun Vergangenheit, Wück muss die Zukunft gestalten. Und drückt dabei aufs Tempo.

Aus 30 bis 40 Spielerinnen wolle er bis zur EM im kommenden Juli in der Schweiz seinen Kader schmieden. Experimente scheut er keine, gegen Australien schob er Außenverteidigerin Sarai Linder ins Abwehrzentrum. Die Debütantinnen Lisanne Gräwe (gegen Australien auf der Sechser-Position) und Giovanna Hoffmann (gegen England im Sturm) erhielten Startelfeinsätze. "Für mich ist auch zum Beispiel wichtig, wer mit wem harmoniert", erklärte Wück.

Nicht leicht gegen Fünferkette

Beim phasenweise fulminanten 4:3 in England vor wenigen Tagen und dem vor allem in Hälfte zwei eher biederen 1:2 gegen Australien sah er vielversprechende Ansätze, aber auch alte Probleme. "Es war für uns nicht leicht, gegen eine Fünferkette, teilweise gegen eine Sechserkette zum Schluss, zu Torchancen zu kommen", merkte er zum Australien-Spiel an. "Aber es war mir ja bewusst, dass wir nicht alle Spiele bis zur Europameisterschaft gewinnen." Wichtig sei ihm, weiter Erkenntnisse zu sammeln. "Deswegen haben wir das Ergebnis in London auch nicht zu hoch gehängt."

Auffällig: Altbewährte Kräfte wie Bayerns Linda Dallmann, Lina Magull von Inter Mailand oder Sara Däbritz (Olympique Lyon), unter Interimstrainer Horst Hrubesch oft abgemeldet, haben unter Wück wieder eine Perspektive. Vor allem Dallmann zeigte gegen England ihre ganze Klasse. "Die eine ist ein bisschen offensiver, die andere ist ein bisschen defensiver. Was diese drei aber auszeichnet, ist die Ballsicherheit", sagte Wück.

Popp sieht die sportliche Zukunft entspannt. Zwar benötige das Team noch Zeit, um sich weiterzuentwickeln. "Aber ich glaube, man hat schon gesehen, wozu die Mannschaft in der Lage ist." Auch ohne die langjährige Anführerin.