Die Lage angespannt, der Druck gigantisch - und der Trainer bedröppelt: Krisenclub Borussia Dortmund und sein immer mehr in die Kritik geratener Chefcoach Nuri Sahin stehen gegen RB Leipzig vor einer richtungsweisenden Prüfung mit Knall-Potenzial. Ausgerechnet im Duell mit dem Tabellenzweiten und Ex-Coach Marco Rose muss unbedingt ein Sieg her. "Es ist eine schwierige Situation, das ist doch klar", sagte Sahin mit betretener Miene vor dem Bundesliga-Topspiel am Samstagabend (18.30 Uhr/Sky). "Ich weiß, in welcher Rolle ich bin."
Die Vorzeichen stehen schlecht. Das Selbstvertrauen ist im Keller, der Gegner seit 19 Bundesliga-Spielen nacheinander ungeschlagen und der Dortmunder Kader arg ausgedünnt. Gleich zehn Ausfälle hat Sahin am Samstag zu beklagen, nun muss auch noch Stammkeeper Gregor Kobel passen. "Das ist schon eine Hausnummer. Das habe ich so auch noch nie erlebt", sagte Sahin. Seine Hoffnung ruht einmal mehr auf der Heimstärke. "Wir brauchen das Stadion mehr denn je - auch bei der Personalsituation, in der wir gerade sind", sagte der 36 Jahre alte BVB-Coach.
Beim Aus im DFB-Pokal nach Verlängerung in Wolfsburg äußerte sich der Unmut der mitgereisten BVB-Fans in fassungslosem Schweigen. Nun sollen die Anhänger der so dringend benötigte Rückhalt sein. Zu Hause hat der BVB bislang jedes Saisonspiel gewonnen.
Sahin soll eigentlich die Trainerbaustelle schließen
Sowohl der 44 Jahre alte Kehl als auch Geschäftsführer Lars Ricken geben sich alle Mühe, Debatten um Sahin im Keim zu ersticken. "Wir führen ausschließlich Diskussionen darüber, wie wir unsere Qualität auf den Platz bekommen bzw. Spiele gewinnen. Über nichts anderes", sagte Ricken zuletzt der "Bild" auf die Frage, ob es auch bei einer weiteren Niederlage gegen Leipzig keine Trainer-Diskussion geben werde.
"Ich sehe Nuri nach Spielen natürlich auch nachdenklich, aber trotzdem fokussiert und kommunikativ", erklärte Ricken. Sein Verhältnis zur Mannschaft ist intakt, er bereitet die Spiele mit seinem Team sehr gut vor und nach. Das ist akribisch, analytisch."
Sahin soll beim BVB eigentlich eine Ära prägen. Seit dem Ende der Ära von Jürgen Klopp, der in den bei vielen Dortmunder Fans so verhassten Red-Bull-Kosmos wechselt, zu dem auch RB Leipzig gehört, ist die Trainer-Position beim Revierclub eine Art Dauer-Baustelle. Mit Sahin soll sie geschlossen werden - eigentlich.
Schon als Jugendlicher spielte der heute 36-Jährige für Dortmund, wurde dort Profi. Das BVB-Idol als Erfolgstrainer, die Idee ist gut. Sie droht sich aber nach nicht einmal fünf Monaten zu einem Missverständnis zu entwickeln. Die große Frage bei weiteren Misserfolgen, insbesondere dann, wenn die Stimmung im Stadion kippt, ist: Wie viel Geduld bringen die Bosse tatsächlich auf?
Eine schlechte Saison hätte auch finanziell große Auswirkungen
Die einzig wirklich realistische Chance auf einen Titel ist mit dem Aus im DFB-Pokal bereits verspielt. Im Meisterkampf sind Spitzenreiter Bayern und Leipzig schon sieben Punkte enteilt. Noch wichtiger ist allerdings: Setzt sich der Dortmunder Abwärtstrend fort, droht der BVB auch im Rennen um die wichtigen Champions-League-Plätze arg ins Hintertreffen zu geraten. "Auch über die Champions League-Quali finanzieren wir unser Geschäftsmodell. Wir haben keine Punkte mehr zu verschenken, der Ernst der Lage ist selbstverständlich erkannt", sagte Ricken. Das Erreichen der Königsklasse sei die "gemeinsame Messlatte". Das wisse jeder BVB-Trainer.
Ob gerade gegen die in der Liga noch ungeschlagenen Leipziger aber nun die Wende gelingt, darf bezweifelt werden. Zumal Sahin wie schon in Wolfsburg im Pokal kaum personelle Variationsmöglichkeiten hat. Als Ausrede will er dies eigentlich nicht gelten lassen. "Wir werden eine gute Mannschaft auf dem Platz haben", sagte Sahin. Immer wieder gab der Jungcoach aber auch dezente Hinweise auf die Kaderzusammenstellung, für die er nicht verantwortlich ist und die Ausfälle in dieser Form eben besonders problematisch machen.
"Gerade bei dem Kader, so wie wir ihn dieses Jahr zusammen haben, ist es schon extrem bitter gerade", sagte Sahin etwa, gab sich indes auch Mühe, nicht verzweifelt zu wirken: "Resignation kann es bei Borussia Dortmund nicht geben."
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