Julian Nagelsmann hat angesichts der bevorstehenden WM-Vergabe an Saudi-Arabien vor einer erneuten Moraldebatte gewarnt. "Wir haben in Katar gesehen, dass zu viele politische Themen eine Mannschaft schon belasten können. Da sollten wir alle draus lernen", sagte der Bundestrainer vor dem letzten Länderspiel der Fußball-Nationalmannschaft des Jahres am Abend (20.45 Uhr/ZDF) in Ungarn in einem Interview von RTL/ntv. 

Die FIFA wird am 11. Dezember das Turnier 2034 an das wegen seiner Menschenrechtspolitik umstrittene Königreich vergeben. Da die Abstimmung en bloc mit dem Turnier 2030 erfolgt, das nach Eröffnungsspielen in Südamerika in Spanien, Portugal und Marokko stattfinden soll, befindet sich der Deutsche Fußball-Bund in einem sportpolitischen Dilemma. Ein Nein-Votum und auch eine Enthaltung würden die europäischen Partner verprellen, die erwartete Ja-Stimme für viel Kritik in Deutschland sorgen.

Matthäus: Kritik ja, Unterstützung auch

Rekord-Nationalspieler Lothar Matthäus forderte eine Ausgewogenheit zwischen Kritik am Ausrichter und Unterstützung für die Mannschaft. "Wir müssen den Finger in die Wunde legen. Aber wenn es dann so weit ist, braucht die Mannschaft unsere Unterstützung, unsere Unterstützung von Experten, von Journalisten und von den Fans", sagte Matthäus ebenfalls bei RTL/ntv. Für einige Wochen müsse man den Fußball in den Vordergrund stellen, so sein Appell.

Nagelsmann machte deutlich, dass er jenseits seiner privaten Meinung zu Saudi-Arabien, die er nicht äußern wolle, den Fokus auf die sportlichen Belange legen müsse. "Dass nicht alle Dinge top funktionieren in Saudi-Arabien, glaube ich, liegt auf der Hand. Aber das sind nicht unsere Bewertungsgrundlagen. Wir müssen uns sportlich so präparieren – ob das unter meiner Regie stattfindet oder nicht, werden wir sehen – dass wir ein gutes Turnier spielen können", betonte der Bundestrainer. 

Katar als mahnendes Beispiel

Bei der WM 2022 hatte der DFB ein schlechtes Bild abgegeben und sich im Streit mit dem Weltverband FIFA um Menschenrechtsfragen zum Gastgeber Katar sportpolitisch ins Abseits gestellt. In Deutschland gab es derweil scharfe Kritik, dass demokratische Prinzipien nicht energisch genug durchgesetzt wurden. Besonders heftig wurde der Konflikt vor allem beim Thema der sogenannten Regenbogenbinde für Kapitäne. Es folgte das Aus in der Gruppenphase als sportliche Enttäuschung. 

"Am Ende treffen wir als Trainer und als Mannschaft nicht die Entscheidung, sondern das sind ganz andere Bereiche, andere Sphären, wo diese Entscheidungen getroffen werden", sagte Nagelsmann. Der Bundestrainer hatte im April seinen Vertrag bis zur kommenden WM 2026 in den USA, Mexiko und Kanada verlängert. 

Kritik von Amnesty International

Am Montag war Kritik von Amnesty International an dem möglichen Wahlverhalten des DFB lautgeworden. Das DFB-Präsidium werde sich "mit der Angelegenheit im zeitlichen Vorlauf des FIFA-Kongresses final befassen und anschließend selbstverständlich die Öffentlichkeit informieren", teilte der Verband mit. 

Bei der WM-Vergabe, die bei einem digital abgehaltenen FIFA-Kongress getroffen wird, haben alle 211 Mitgliedsverbände eine Stimme. An dem Zuschlag mit überwältigender Mehrheit für die Ausrichter 2030 und 2034 gibt es keine Zweifel.