Wird der Lehrermangel schlimmer als befürchtet?

Studie 81.000 Lehrkräfte könnten bald fehlen - zu wenig Neueinstellungen in Sachsen

In Deutschland gibt es etwa 40.000 Schulen und Berufsschulen, 11 Millionen Schülerinnen und Schüler und mehr als 800.000 Lehrkräfte. Doch die hohe Zahl an Lehrerinnen und Lehrern täuscht. Nach einer aktuellen Studie im Auftrag der Bildungsgewerkschaft VBE fehlen bis 2030 mindestens 81.000 Lehrkräfte. Der Lehrermangel werde in den kommenden Jahren viel größer sein, als in den Berechnungen der Kultusministerkonferenz (KMK). Die KMK geht in ihrer Prognose bisher nur von 14.000 fehlenden Lehrkräften aus. Als Hauptursachen für den Lehrermangel werden veränderte Geburtenzahlen und die Zuwanderung genannt.

Gleichzeitig haben viele Länder mit einer hohen Zahl von Pensionierungen zu kämpfen. Auf der anderen Seite zu lange zu wenig Nachwuchs eingestellt. Die Folge: Der Unterrichtsausfall in den Schulen wird zunehmen. Schon heute geht die Bildungsgewerkschaft GEW Sachsen davon aus, dass ein Schüler, der in Sachsen zehn Jahre lang zur Schule geht, insgesamt ein halbes Jahr gar keinen Unterricht erhält.

Nach den Ferien: 81 Stellen zu wenig besetzt

Der massive Mangel an Lehrkräften wird weiter eines der größten Probleme im Bildungssystem sein. Kaum ein Bundesland ist davon ausgenommen. Schon jetzt können viele Schulen ihren Bedarf nicht mit ausgebildeten Fachkräften decken. Das zeigt der aktuelle Länderüberblick des deutschen Schulportals zur Personalausstattung zum Schuljahresstart 2021/22.

Demnach sei es in Sachsen vor allem schwierig, Lehrkräfte für den ländlichen Raum oder für Schularten wie die Oberschule zu gewinnen. Nach den Winterferien starten die 1.400 öffentlichen Schulen mit insgesamt 719 neu eingestellten Lehrerinnen und Lehrern, 139 davon sind Seiteneinsteiger. Von den geplanten 800 Einstellungen konnten 81 Stellen bislang noch nicht besetzt werden", teilt Sachsens Kultusministerium mit.

Hürden für Seiteneinsteiger in MINT-Fächern senken?

Besonders dramatisch werde der Fachkräftemangel bundesweit im MINT-Bereich ausfallen, prognostiziert die VBE-Studie. Hier würden nur für etwa ein Drittel der bis 2030 zu besetzenden Stellen neu ausgebildete Lehrkräfte zu Verfügung stehen. Das bestätigt auch Sachsens Kulturminister Christian Piwarz: "Nach wie vor gelingt es uns nicht, genügend junge Lehrerinnen und Lehrer für MINT-Fächer zu begeistern."

MINT ist eine Abkürzung, die die Fächer Mathematik, Informatik, Naturwissenschaft und Technik zusammenfasst. Um dort mögliche Lücken zu schließen, wird in Sachsen derzeit darüber diskutiert, die Hürden für Seiteneinsteiger zu senken. So könnten künftig auch Absolventinnen und Absolventen von Fachhochschulen ohne Fachzuordnung und von Berufsakademien als Lehrkräfte tätig werden. Zudem ist geplant, Seiteneinsteiger in den MINT-Bereichen auch für Gymnasien einstellen zu können, was bisher nicht notwendig und daher nicht vorgesehen war. Auch das Anerkennungsverfahren für Lehrkräfte aus dem Ausland soll beschleunigt werden.

Mehr Lehramtsstudierende, aber kaum Effekt

Der Kultusminister betonte, dass die deutlich gestiegenen Lehramtsstudienplätze von 1.700 (2012/2013) auf 2.400 (2017/2018) und seit 2021 auf 2.700 noch nicht in vollem Umfang auf dem Lehrermarkt zu spüren sind. Ein Grund dafür ist vermutlich auch die Corona-Pandemie, wodurch sich die Studienzeiten verlängert haben. Zudem bestehe auch hier das Problem des MINT-Bereiches. "Wir müssen hier weiter und noch intensiver und gezielter bei den Abiturientinnen und Abiturienten für den Lehrerberuf werben", so Kultusminister Piwarz, der eine neue Lehrerwerbekampagne ankündigte, die voraussichtlich Ende März an den Start geht. Dabei sind die Grenzen in Sachsen schon so gut wie ausgereizt: Im Freistaat studieren 18 Prozent der Abiturientinnen und Abiturienten Lehramt. In ganz Deutschland sind es rund 10 Prozent.

"Verbeamtung zeigt Wirkung"

Positiv bewertete der Minister den mittlerweile erreichten "Klebeeffekt" der Referendarinnen und Referendare: "Unsere Maßnahmen zur Lehrergewinnung zeigen Wirkung. Vor allem durch die Verbeamtung unserer Lehrkräfte sind wir auf dem Lehrermarkt deutschlandweit konkurrenzfähig. Ohne diese Maßnahmen wäre es deutlich schwieriger, Referendarinnen und Referendare an Sachsen zu binden." Mittlerweile bleiben 73 Prozent der Referendarinnen und Referendare in Sachsen und nehmen hier eine Stelle an. Im Vergleichszeitraum vor drei Jahren betrug dieser Anteil nur 64 Prozent. Zudem wurden 76 Lehrkräfte (Vorjahr 63), die ihre Ausbildung in einem anderen Bundesland absolviert haben, in den sächsischen Schuldienst eingestellt.



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