Durchhalten, nur noch ein wenig. Dann haben wir es geschafft. Ein gefühltes dutzend Mal haben die Menschen in Deutschland diese Hoffnungen auf Normalität vernommen. Doch es gab immer wieder weitere Wellen, steigende R-Werte, erneute Rekordzahlen bei den täglichen Neuinfektionen, mehr Intensivpatienten, mehr Todesfälle. So ziemlich jede Kennzahl musste für die Rechtfertigung der Maßnahmen herhalten. Doch welche Zahl hat noch Aussagekraft? Gibt es überhaupt noch einen triftigen Grund, die Regelungen aufrecht zu erhalten? Der BLICK hat sich die Zahlen rückblickend angeschaut und verglichen.

Vergleich Stationäre Behandlung

Seit Beginn der Pandemie war es eines der obersten Ziele, eine Überlastung der Kliniken zu vermeiden. Das ist bisher in jeder Welt gelungen - nicht zuletzt durch Notfallpläne in den Kliniken und Patientenverlegungen in andere Bundesländer. In der ersten Welle (März/April 2020) waren auf dem Höhepunkt bundesweit knapp 3.000 Betten mit Covid-19-Patienten belegt, in der zweiten, viel heftigeren Welle (November 2020 bis Februar 2021) sogar fast doppelt so viele. Die vierte Welle Ende des letzten Jahres brachte der Spitze fast 5.000 Bettenbelegungen mit sich. Derzeit regelt sich die Bettenauslastung zwischen 2.000 und 2.500 Patienten ein - bei einer 7-Tage-Inzidenz von mehr als 1.400 Neuinfektionen pro 100.000 Einwohner und Fallzahlen im sechsstelligen Bereich! Zum Vergleich: In der ersten Welle waren es mehr Patienten, bei viel weniger Fällen. Damals lag die 7-Tage-Inzidenz auf ihrem Höhepunkt bei 44. Kein Vergleich zur heutigen Ausbreitung! Und dennoch müssen heute weniger Patienten auf den Stationen behandelt werden.

 

Experten schließen Überlastung aus

Auch die 7-Tage-Inzidenz der Hospitalisierungen, die zuletzt ausschlaggebend für die aktuellen G-Regeln war, liegt derzeit stabil um den Wert 7. Kein Vergleich zur zweiten Welle, als der Wert im Dezember 2020 die Marke von 15 überschritten hatte (15 stationäre Behandlungen pro 100.000 Einwohner). Die Deutsche Krankenhausgesellschaft (DKG) rechnet übrigens nicht mehr mit einer Überlastung des Gesundheitssystems durch Omikron. DKG-Chef Gerald Gaß sprach sich aber dafür aus, die Maßnahmen bis zum Höhepunkt der Omikron-Welle beizubehalten. Den erwartet die Bundesregierung in ein bis zwei Wochen.

 

Vergleich 7-Tage-Inzidenz

Mittlerweile steigt nur noch eine Zahl, die 7-Tage-Inzidenz, die sich aus den steigenden Neuinfektionen pro 100.000 Einwohner ergibt. Der Wert wurde am Mittwoch, 9. Februar, mit 1.450 angeben. Vor zwei Jahren wäre diese Zahl weitaus erschreckender gewesen. Heute ist sie kaum mehr von Bedeutung. Denn auf der anderen Seite gibt es trotz Rekord-Infektionen weniger Hospitalisierungen, weniger Intensivpatienten, weniger Sterbefälle - dank der Immunisierung durch die Impfungen und einer milderen Virusvariante. Doch ein Ende der Corona-Maßnahmen ist dennoch nicht in Sicht - auch wenn die Inzidenz längst nicht mehr das Maß aller Dinge ist. Laut Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach sei die Lage noch nicht unter Kontrolle. Trotzdem weckt der Minister Hoffnungen: Öffnungen werde es deutlich vor Ostern geben.

 

Vergleich R-Wert

Im ersten Monat der Pandemie schauten alle auf den sogenannten R-Wert. Diese Reproduktionszahl besagt, wie viele Menschen eine mit dem Coronavirus Sars-CoV-2 infizierte Person im Durchschnitt ansteckt. Das Ziel damals: unter 1 kommen. Und heute? Die Zahl spielt kaum mehr eine Rolle - unter anderem, weil ihre Aussagekraft derzeit angezweifelt wird. Laut den RKI-Werten vom 9. Februar, die rückwirkend für einen Erkrankungsbeginn am 4. Februar berechnet werden, liegt der 7-Tage R-Wert aktuell bei 0,98. Das hieße, 100 Menschen stecken 98 weitere Menschen an, was bedeuten würde, dass die Fallzahlen sinken. Doch Virologen zweifeln an der Aussagekraft dieser Zahl. Eine RKI-Sprecherin teilt auf Anfrage der Deutschen Presse-Agentur mit: "Das Verhalten des R-Wertes spiegelt nicht nur den Verlauf der Welle wider, sondern auch die Verfügbarkeit von Testkapazitäten und die Überlastungssituation in den Gesundheitsämtern." Experten gehen also davon aus, dass diese offizielle Zahl die tatsächliche Entwicklung der Infektionen in Deutschland nur unvollständig erfasst, weil das Test- und Meldesystem überlastet ist.

 

Vergleich Todesfälle

Alte Menschen und Personen mit geschwächtem Immunsystem schützen - so lautete anfangs die Devise. Grund: Gemessen an den täglichen Neuinfektionen waren die Todesfälle aufgrund einer Covid-19-Erkrankung relativ hoch. Zum Höhepunkt der ersten Corona-Welle lag der höchste 7-Tage-Mittelwert der täglichen Neuansteckungen bei 5.837 Fällen. Das war Anfang April 2020. Der höchste 7-Tage-Mittelwert an Todesfällen wurde damals zwei Wochen später verzeichnet: mit 248. Damit lag die Sterblichkeit bei 4,25 Prozent. Damals waren die höchsten Altersgruppen weit überproportional von Ansteckungen betroffen, was zu hohen Zahlen von Todesfällen führte - ebenso in der zweiten Welle, auf deren Höhepunkt Deutschland zu impfen begann. Und heute? Am 9. Februar 2022 wurden dem RKI insgesamt 228 Menschen gemeldet, die mit oder am Coronavirus gestorben sind. Geht man davon aus, dass die Todesfälle die Folge der Infektionen vor 14 Tagen sind, muss die Zahl der Neuinfektionen vom 27. Januar einbezogen werden. An diesem Tag wurden 203.136 Neuinfektionen gemeldet. Das ergibt heute, im dritten Jahr der Pandemie, eine Sterblichkeitsrate von 0,11 Prozent. Dabei gehen Experten davon aus, dass die Zahl der täglichen Neuinfektionen derzeit untererfasst ist. Das hieße, die Sterblichkeit würde aktuell noch niedriger ausfallen. Das zeigt zum Einen: Die Impfungen wirken. Zweitens: Die Omikron-Variante ist zwar ansteckender, verursacht aber tatsächlich weniger schwere Verläufe und somit weniger Todesfälle. Zudem verfügen Mediziner mittlerweile über ausreichend Erfahrung im Umgang mit Covid-19.