Die Pandemie hat unser aller Leben stark verändert. Binnen kürzester Zeit mussten wir uns einem neuen "Normal" anpassen. Die aktuell vorherrschende Situation macht jedem zu schaffen. Die Reglungen zur Eindämmung des Pandemiegeschehens sind schon für "gesunde" Menschen sehr schwer tragbar und schlagen auf das Gemüt. Doch was ist mit den Menschen, die auch ohne Pandemie unter einer belasteten Psyche leiden? Um dem auf den Grund zu gehen, habe ich mich entschlossen, Interviews mit Betroffenen zu führen.
Die Recherche brachte mich in Kontakt mit Lilly (20), einer Studentin der TU Chemnitz. Sie hat im vergangenen Jahr mit ihrem Studium begonnen, da sie ihre Auslandsreisen in Australien und Südafrika beenden musste durch das allgegenwärtige Corona-Thema. Nun lebt sie in einer Wohngemeinschaft mit ihrem Hund. Lilly leidet wie 5,3 Millionen der erwachsenen deutschen an Depressionen. In ihrem individuellen Fall sind diese gekoppelt mit einer emotional-instabilen Persönlichkeitsstörung und sozialen Phobien.
Krankheitsblid
Jenes äußert sich bei ihr in starken Stimmungsschwankungen, besonders seit Sommer 2020, die mittlerweile durch eine gut eingestellte Medikation "weicher" geworden sind. Vorher beschreibt sie den Zustand als Wechsel von "Himmelhoch jauchzend und zu Tode betrübt". Sie befindet sich in therapeutischer Behandlung und es wird vermutet, dass der depressive Schub auch durch die mangelnden sozialen Kontakte begründet werden kann. Vielen Menschen bereitet die soziale Isolation große Schwierigkeiten: "(...) klingt etwas kitschig, aber wir sind alle wie kleine Pflänzchen und müssen gegossen werden. Wir brauchen dieses soziale Miteinander. Andererseits versteh ich auch total, dass es in der aktuellen Lage notwendig ist."
Durch die Isolation hat sie mittlerweile eine soziale Angst ausgeprägt. Das äußert sich vor allem in Situationen, die für die meisten Menschen banal wirken. "Einkaufen ist der Horror und beim Gassi gehen mit meinem Hund habe ich Angst, dass mich Leute ansprechen." Sie hat Angst vor der Interaktion und bekommt teilweise auch Panikattacken. Um diese zu vermeiden, tendiert man dazu, sich sozial zu isolieren und in einer "sicheren Blase" zu leben, abgeschottet von äußeren Einflüssen.
Die Auswirkung des Ganzen ist die Einbuße einiger Freunde. "Man soll sich ja nicht einfach so ständig treffen und Kontakte übers Telefon und Online zu pflegen, liegt mir nicht. (...) Dennoch bemühe ich mich."
Ich fragte sie, was sie anderen Betroffenen oder Menschen in ähnlichen Situationen raten würde: "Haltet euch an die Kontaktbeschränkung, sonst wird das noch eine ganze Weile gehen. Versucht das Beste draus zu machen. Geht an die frische Luft und bringt Struktur in den Alltag, rafft euch auf. Setzt euch jeden Tag simple und vor allem erreichbare Ziele. Noch wichtiger: Belohnt euch für das Erreichte."
Wünsche an Gesellschaft und Politik
Im Zuge dessen wollte ich noch erfahren, was sie sich von Regierung und Gesellschaft wünschen würde. Für psychisch gesunde Menschen ist es kaum vorstellbar, dass es Tage gibt, an denen es schwer ist aus seinem Bett aufzustehen, sich die Zähne zu putzen und seinem Alltag nicht nachgehen zu können. Lilly beantwortete jenes folgendermaßen: "Ich wünschte, dass es einheitliche Reglungen gibt und Deutschland sich auch am Ausland orientiert, wie Australien, die eine erfolgreiche Strategie entwickelt haben. Auch der gesellschaftliche Zusammenhalt ist hier wichtig. Die Menschen, die sich über den Freiheitsentzug beschweren, sind oftmals jene, die sich nicht an die Beschränkungen halten und die Pandemie somit verlängern. Gegenseitige Rücksichtnahme und Achtsamkeit sollte gerade jetzt beachtet werden. Der Fokus liegt stark auf den Corona-Erkrankten und den Regelbrechern. Menschen, die häusliche Gewalt erleben, die psychisch stark angeschlagen sind gehen da unter. Man sollte,so schwer es ist, an alle denken, die in diesen Zeiten leiden und zu kämpfen haben."