Leipzig/Halle. Querdenker und Gegendemonstranten haben in Leipzig für den heutigen Samstag Demonstrationen angekündigt. Die Querdenkerdemo in Leipzig wurde von der Stadt und anschließend den Gerichten untersagt. Damit es nicht wieder zu einer Eskalation wie im November oder vor einigen Wochen in Dresden kommen kann, ist die Polizei mit einem Großaufgebot vor Ort. Dabei wird Leipzig regelrecht abgeschottet. Auf sämtlichen Zufahrtsstraßen nach Leipzig stehen Hundertschaften und kontrollieren die Autofahrer. So auch auf der B 2 bei Markleeberg. Beamte aus NRW ziehen Autofahrer aus dem Verkehr, die kein Leipziger Kennzeichen besitzen. Wer ohne Maske unterwegs ist, erhält sofort eine Anzeige. Der Verkehr staute sich kilometerweit, teilweise bis auf die A 38 zurück.

Demo-Verbot

Das Sächsische Oberverwaltungsgericht hat heute in einem Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes (Eilverfahren) das Verbot der Stadt Leipzig für die aus dem Umfeld der Querdenker für Samstag, den 10. April um 15.30 Uhr, angemeldete Versammlung auf dem Augustusplatz in Leipzig (Opernseite) bestätigt. Damit blieb die in der letzten Nacht erhobene Beschwerde gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Leipzig vom gestrigen Abend erfolglos, mit dem das Verwaltungsgericht den Antrag auf vorläufigen Rechtsschutz gegen das Versammlungsverbot abgelehnt hatte.

Das Verwaltungsgericht war der Prognose der Stadt Leipzig gefolgt, wonach von der angemeldeten Versammlung infektionsschutzrechtlich nicht vertretbare Gefahren für Versammlungsteilnehmer, Polizeibeamte und Passanten ausgehen, die nur durch deren Verbot zu vermeiden sind. Angesichts der in Sachsen überdurchschnittlich hohen Infektionszahlen und der zunehmenden Verbreitung von Virusvarianten bestehe ein unkalkulierbares und nicht zu kontrollierendes Risiko. Nach den Erfahrungen aus vielen ähnlichen Versammlungen auch in anderen Städten sei nicht zu erwarten, dass von den Teilnehmern die nötigen Hygienemaßnahmen wie das Tragen eines medizinischen Mund-Nasen-Schutzes und das Abstandhalten eingehalten werden würden. Dort habe sich gezeigt, dass nicht nur ein signifikantes Einwirken auf die Teilnehmer solcher Versammlungen zur Einhaltung der Schutzmaßnahmen kaum möglich sei, sondern diese auch nicht gewillt seien, sich bestehenden Regelungen zu beugen. Zudem zeige die enorme Mobilisierung in den sozialen Netzwerken, dass mit erheblich mehr als den angemeldeten 500 Teilnehmern und auch mit mehr als den nach der Sächsischen Corona-Schutz-Verordnung maximal zulässigen 1.000 Teilnehmern zu rechnen sei. Der Antragsteller selber habe schließlich aufgezeigt, dass er weder willens noch in der Lage sei, die Versammlung auf eine bestimmte Teilnehmerzahl zu beschränken.

Das Sächsische Oberverwaltungsgericht hat diese Einschätzung auf die Beschwerde des Anmelders der Versammlung hin nunmehr bestätigt:

Es steht außer Frage, dass aufgrund der wissenschaftlich bekannten Übertragungswege des SARS-CoV-2-Virus durch Tröpfchen- oder Aerosolinfektion über die Schleimhäute und Atemwege das Risiko einer Virusverbreitung durch Versammlungen mit hoher Teilnehmerzahl sowie allgemein durch Zusammentreffen vieler Personen erhöht wird. Zur Bejahung einer unmittelbaren Gefährdungslage genügt es, dass das bundesweit anhaltende Ausbruchsgeschehen nach aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnissen auch im Zusammenhang mit Gruppenveranstaltungen steht, so dass auch Versammlungen unter freiem Himmel ein relevantes Infektionspotential zukommt. Denn auch bei ortsfesten Versammlungen kann es angesichts des dynamischen Geschehens durch die An- und Abreise, durch das zu erwartende Gedränge an den Einlassstellen sowie durch lautstarke Meinungsbekundungen zu Aerosolfreisetzungen kommen, bei denen der Mindestabstand nicht eingehalten werden kann.

Auch die Tauglichkeit der Inzidenzen und der sog. Sieben-Tage-Inzidenz als Maßstab für zu ergreifende umfassende Schutzmaßnahmen ist nicht in Zweifel zu ziehen. Deshalb sind angesichts der Überschreitung des Schwellenwertes von 50 Neuinfektionen pro 100.000 Einwohnern bundesweit in den letzten sieben Tagen Maßnahmen zu ergreifen, die eine effektive Eindämmung des Infektionsgeschehens erwarten lassen. Dafür ist aufgrund der Feststellung einer epidemischen Lage von nationaler Tragweite durch den Deutschen Bundestag die Beschränkung der Versammlungsfreiheit kraft Gesetzes eine grundsätzlich geeignete und erforderliche Infektionsschutzmaßnahme.

Bei einer Abwägung der Folgen des Versammlungsverbots überwiegen schließlich die grundrechtlich durch Art. 2 Abs. 2 GG geschützten Interessen einer großen Anzahl Dritter (u. a. deren Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit) die Einschränkung des Grundrechts auf Versammlungsfreiheit gemäß Art. 8 Abs. 1 GG. Dies gilt vor allem deshalb, weil die Inzidenzzahl in Leipzig bezogen auf die Infektionen pro 100.000 Einwohner in den letzten fünf Tagen weit über 50 lag, so dass eine effektive Kontaktnachverfolgung nicht mehr möglich ist. Zudem ist mit der Anreise von Teilnehmern auch aus Landkreisen zu rechnen, die eine höhere Inzidenz aufweisen. Das Risiko einer Weiterverbreitung des SARS-CoV-2-Virus könnte hingegen bei der Versammlung nicht durch geeignete Maßnahmen ausreichend gemindert werden.

Update, heute 15 Uhr:

Nachdem das Oberverwaltungsgericht die Versammlung der Querdenker-Bewegung Leipzig für die Messestadt aktuell verboten hat, wollen die Teilnehmer  nun auf Halle (Saale) ausweichen. In einem Chatkanal heißt es, man wolle sich dort am heutigen Samstag um 16.30 Uhr am Markt treffen. Das Programm werde auch dort stattfinden.

Im Chat-Info heißt es im Wortlaut  unter anderem:  "Fahrt NICHT nach Leipzig FAHRT NACH HALLE!  WIR SEHEN UNS DORT." Und weiter: Die "freie Linke" gebe der Bewegung in Halle "gern die Möglichkeit". 

Update, heute 16 Uhr:

Wie die Polizeidirektion Halle (Saale) aktuell mitteilt, wurde die für heute um 16.30 Uhr  auf dem dortigen Marktplatz angemeldete Versammlung  von der örtlichen Versammlungsbehörde verboten. Das Verbot erfolgte demnach auf der Grundlage des § 13 Absatz 1 des Versammlungsgesetzes Sachsen-Anhalt. Es betreffe zudem etwaige Ersatzversammlungen. Die Versammlungsbehörde habe "die sofortige Vollziehung des Verbotes angeordnet", so die Information. 

Zur Begründung heißt es, das Verbot "musste erfolgen, weil Erkenntnisse vorliegen, dass die öffentliche Sicherheit in der Stadt Halle (Saale) erheblich gefährdet sein könnte." Weiterhin habe die Versammlungsbehörde der Stadt Leipzig vorher für die Messestadt bereits  "eine Versammlung einschließlich aller Ersatzversammlungen verboten". 

Die Leipziger Anmelder waren im Eilverfahren rechtlich gegen das Verbot vorgegangen. Doch letztendlich bestätigte das Oberverwaltungsgericht in Bautzen das Verbot. Daraufhin wollte die Leipziger Bewegung nach Halle ausweichen - vergebens. 

Update, heute 17 Uhr:

In Halle versammeln sich trotz Verbot einige Menschen zu einer illegalen Demonstration. Die Polizei hat angekündigt die Demonstration aufzulösen und hat Platzverweise vergeben, dem sie nicht nachgekommen sind. Die Polizei hat angekündigt den Platz zu räumen.

Update, heute 17.15 Uhr: 

Wie Beobachter aus Halle mitteilen, übe die Polizei nun Druck auf die Versammlung auf dem Marktplatz aus und habe Wasserwerfer vorgefahren. Auch Hubschrauber seien im Einsatz. 

Update, heute 17.25 Uhr: 

Angeblich würden, "getrieben" von der Polizei, die Versammlungsteilnehmer auf dem Marktplatz in Halle jetzt nach und nach vondannen ziehen. Somit ist wohl jetzt Schluss dort. 

Polizeiliche Zusammenfassung

Unter Führung der Polizeidirektion Leipzig hat die sächsische Polizei heute mit Unterstützung der sächsischen Bereitschaftspolizei und der Polizeien aus Bremen, Brandenburg, Mecklenburg-Vorpommern, Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen, Sachsen-Anhalt, Schleswig-Holstein und der Bundespolizei einen Polizeieinsatz zur Absicherung mehrerer Versammlungen durchgeführt. In der Spitze waren etwa 1.700 Kräfte im Einsatz.

In der Messestadt und den umliegenden Landkreisen Leipzig und Nordsachsen waren mehrere Versammlungen angezeigt, die im Zeitraum von etwa 9:00 Uhr bis 17:00 Uhr stattfanden.

Für die zwei angezeigten Versammlungen der Querdenken-Bewegung, erließ die Stadt Leipzig am 9. April 2021 eine Verbotsverfügung, die auf dem Rechtsweg durch das Verwaltungsgericht Leipzig und das Sächsische Oberverwaltungsgericht in Bautzen bestätigt wurde. 

Zur Durchsetzung der Verbotsverfügungen fanden auf den Zufahrtsstraßen rund um Leipzig Kontrollen des Anreiseverkehrs statt. Es wurden etwa 1.000 Fahrzeuge kontrolliert. In zwei begründeten Fällen wurden Wegweisungen durchgeführt. Am Kontrollpunkt auf der Bundesstraße 2 in Markkleeberg kam es zwischen den Abfahrten Leipzig-Süd und Goethesteig im Zeitraum von etwa 12:00 Uhr bis 13:30 Uhr zum Rückstau. Der Fahrzeugverkehr auf der Bundesautobahn 38 war nicht beeinträchtigt. 

Gegen 09:00 Uhr startete ein Fahrradaufzug des Roter Stern Leipzig e.V. mit dem Thema »Verantwortung erfahren - Gemeinsam gegen Nazis«. Etwa 40 Radfahrerinnen und Radfahrer setzten sich am Markt in Leipzig in Bewegung und fuhren über Sachsen-Anhalt und Thüringen zurück zum Startpunkt. Gegen 14:00 Uhr startete ein weiterer Fahrradaufzug im Stadtteilpark Rabet. Etwa 150 Radfahrerinnen und Radfahrer führten ihre Tour über den Leipziger Osten in die Innenstadt und weiter in den Südwesten durch. Gegen 16:00 Uhr endete der Aufzug im Clara-Zetkin-Park. In der Spitze wuchs die Teilnehmerzahl auf etwa 200 an. Beide Fahrradkorsos verliefen ohne Vorkommnisse.

Drei Versammlungen des sozialistischen-demokratischen Studierendenverbandes Leipzig wurden im Zeitraum von 12:30 Uhr bis kurz vor 17:00 Uhr in der Leipziger Innenstadt durchgeführt und verliefen störungsfrei. Es nahmen am Bayrischen Bahnhof und am Kleinen Wilhelm-Leuschner Platz jeweils etwa 20 Personen teil, vor dem Paulinum etwa 80. 

An einem angezeigten Fahrzeugkorso mit dem Motto »Ende der Corona-Maßnahmen«, der vom Oschatzer Finanzamt über das Oschatzer Land zurück zum Finanzamt fuhr, nahmen im Zeitraum von 15:10 Uhr bis 16:30 Uhr etwa 65 Fahrzeuge mit etwa 130 Personen teil. Polizeilich relevante Vorkommnisse wurden nicht bekannt.

Nachdem das Oberverwaltungsgericht Bautzen das Versammlungsverbot im Eilverfahren bestätigt hatte, erschienen in sozialen Netzwerken Aufrufe, dass die verbotenen Versammlungen nach Halle verlegt werden sollen. Zur Unterstützung der Polizeiinspektion Halle entsandte die Polizeidirektion Leipzig daraufhin Einsatzkräfte nach Halle.

Im Einsatzverlauf wurden mit aktuellem Stand mehrere Verkehrsstraftaten, ein Verstoß gegen das Betäubungsmittelgesetz und eine Beleidigung angezeigt. Zudem wurden vier Verstöße gegen die Sächsische Corona-Schutz-Verordnung festgestellt und entsprechend geahndet.